Tag der Industrie (TDI) in Berlin
Merz möchte "Mindset unserer ganzen Gesellschaft" verändern

| Redaktion 
| 23.06.2025

Als erster und hochrangigster Gastredner trat Bundeskanzler Friedrich Merz am Montagnachmittag beim Tag der Industrie vors Mikrofon. Im Berliner Gasometer sprach der CDU-Politiker darüber, dass die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland nicht nur eine wirtschafts-, sondern auch eine gesellschaftspolitische Anstrengung erfordert. Mehr Risikobereitschaft sei gefragt – und damit einhergehend die richtige Fehlerkultur.

Der Tag der Industrie (TDI) ist eine jährliche Konferenz, die vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ausgerichtet wird. Sie bringt führende Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen, um drängende Zukunftsfragen zu diskutieren und praktikable Lösungen für die Herausforderungen zu entwickeln, die der deutschen und europäischen Industrie gegenüberstehen.

Am Montag, 23. und Dienstag, 24. Juni findet die diesjährige Ausgabe des TDI unter dem Motto "neuezeiten. neueantworten." im Berliner Gasometer statt – der Location, in der vor sieben Wochen der Koalitionsvertrag unterzeichnet wurde, wie auch der erste Gast des ersten Veranstaltungstags feststellte: Nach einer Eröffnungsrede des BDI-Präsidenten Peter Leibinger gebührte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) das Wort.

Nationale wie internationale Neuordnung

Zu Beginn unterstrich Friedrich Merz seine Unterstützung für den Kurs von Israel und auch den der USA, was den Iran-Konflikt betrifft. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass "die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr die Vereinigten Staaten von Amerika sind, wie wir vor 20, 30 oder 40 Jahren kennengelernt haben".

Vor diesem Hintergrund hob er die jüngsten Errungenschaften im Rahmen der G7-Staaten hervor und verlangte, dass Europa insgesamt stärker werden, aber auch eigene "Schwächen nüchtern in den Blick nehmen und Schritt für Schritt beseitigen" muss.

Mit Blick auf sein Kabinett stellte Merz fest, dass bis auf den beibehaltenen Verteidigungsminister Boris Pistorius alle Mitglieder Neubesetzungen sind, was beste Voraussetzungen für einen tatsächlichen Neustart biete. Dieser soll zum Beispiel umfassen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts durchgreifend verbessert wird, insbesondere auch preislich.

Friedrich Merz am Montag in Berlin (Bild: Screenshot / Bundesverband der Deutschen Industrie / youtube.com/@bdiberlin)
Friedrich Merz am Montag in Berlin (Bild: Screenshot / Bundesverband der Deutschen Industrie / youtube.com/@bdiberlin)

Am Freitag,11. Juli soll der Bundesrat in diesem Sinne eine erste große Maßnahme beschließen: Das "Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm" will die deutsche Wirtschaft ankurbeln, indem zum Beispiel die Körperschaftsteuer ab 2028 schrittweise von 15 Prozent auf zehn Prozent bis 2032 gemindert wird. Dadurch sinkt die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen von etwa 30 Prozent auf knapp 25 Prozent, was international Wettbewerbsfähigkeit begünstigen soll.

Keine Kasko-Versicherung für Entscheidungen

Seit 20 Jahren habe es keine Steuersenkung mehr in Deutschland gegeben, doch "wir machen sie", untermauerte Friedrich Merz mehrfach. Dabei handele es sich um den Start eines umfangreichen Reformprogramms für die zweite Jahreshälfte.

Er nahm auch Bezug auf das sogenannte Sondervermögen, das seiner Regierung zur Verfügung steht. Dieses bietet Möglichkeiten, geht für Merz aber auch mit Verantwortung einher: Es seien immer noch zusätzliche Schulden für das Land, die man den folgenden Generationen "nur mit einigermaßen gutem Gewissen" auferlegen könne, wenn das Geld wirklich in die Zukunftsfähigkeit des Standorts fließt, statt es dem Gegenwartskonsum zukommen zu lassen.

Friedrich Merz am Montag in Berlin (Bild: Screenshot / Bundesverband der Deutschen Industrie / youtube.com/@bdiberlin)
Friedrich Merz am Montag in Berlin (Bild: Screenshot / Bundesverband der Deutschen Industrie / youtube.com/@bdiberlin)

Gemeinsam bedürfe es einer wirtschaftspolitischen, aber auch einer gesellschaftspolitischen Anstrengung. Schließlich müsse das "Mindset unserer ganzen Gesellschaft" verändert werden, und zwar hin zu: "Wir leisten etwas, wir trauen uns etwas zu, wir gehen auch mal ins Risiko, und es gibt nicht für jede ökonomische Entscheidung und auch nicht für jede politische Entscheidung eine Kasko-Versicherung. Es kann sein, dass Fehler passieren. Uns werden in dieser Regierung auch Fehler passieren. Aber Fehler dürfen passieren, wenn die Fehlerkultur im Unternehmen oder der Politik die richtige ist. Einmal ja – zweimal bitte nicht.“

"Weg vom Misstrauen, hin zum Vertrauen"

Merz sprach weiterhin davon, dass das Vorsorgeprinzip in Deutschland zu einem Dschungel an Regulierungen geführt hat. Durch übermäßigen Fokus darauf, dass jedes Risiko ausgeschlossen ist und bloß nichts passiert, drohe Deutschland jedoch handlungsunfähig zu werden. Der Kanzler stellte klar, dass der Wunsch nach etwas mehr Haftungs- statt Vorsorgeprinzip auch von Vertretern der SPD geteilt würde.

Kurz zusammengefasst wolle man "weg vom Misstrauen, hin zum Vertrauen". Wenn das gelinge, habe man eine große Chance auf ernsthaften Bürokratierückbau, den es mit einer schlüssigen Digitalisierungsstrategie zu verbinden gilt.

 
 
 
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In diesem Zusammenhang bedankte sich Merz beim (nicht anwesenden) Karsten Wildberger dafür, eine hochdotierte Position verlassen zu haben, um stattdessen erster Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung zu werden. Das Experiment werde aufgehen, versprach Merz.

Deutsche können keine Software, findet Jensen Huang

Deutschland sei in vielen Punkten im Rückstand, könne aber aufholen und sei heute schon mancherorts vorne, wie Merz erinnerte und dabei von seinem kürzlich abgehaltenen Treffen mit Nvidia-CEO Jensen Huang berichtete. "Ihr Deutschen könnt Software nicht wirklich gut", habe dieser ihm im Kanzleramt erklärt. "Software ist ein chaotisches System. Ständig voller Fehler, nie perfekt. Das könnt Ihr Deutschen nicht."

Bei einer Gigafactory handele es sich jedoch nicht um Software, sondern letztlich um Maschinenbau. "Und da gibt es niemanden auf der Welt, der es besser kann als die Deutschen", habe Huang der Bundesrepublik attestiert. Merz forderte, dass ein, zwei oder auch drei solcher Gigafactorys in Deutschland entstehen sollten; "mit den Fähigkeiten, die wir haben".

"Dann machen wir einen Sprung in die Moderne einer Industrienation, die wieder einmal zeigt, was sie kann und wozu sie in der Lage ist."

  • Beim zweiten Tag der Industrie am Dienstag, 24. Juni sprechen unter anderem Bill Gates, Dorothee Bär, Katherina Reiche oder der Montag noch abwesende, aber erwähnte Karsten Wildberger in Berlin. Der YouTube-Kanal des BDI bietet einen Livestream der Veranstaltung an.

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