Im Interview mit LEADERSNET-Chefredakteurin Evi Papadopoulou, direkt vor Ort im Blitzlichtgewitter des Events, spricht Onaran über Zweifel als Antrieb, die gefährliche Illusion von Perfektion – und wieso Karlsruhe immer ihre erste Bühne bleiben wird.
LEADERSNET: Vielen Dank für die Einladung, Tijen. Schön, dass wir uns heute kennenlernen.
Tijen Onaran: Sehr schön, dass du da bist. Ich freue mich auch sehr.
LEADERSNET: Du wirst oft als "Queen of Mut" bezeichnet – zu Recht, wie ich finde. Mut steht heute Abend im Mittelpunkt. Wann hat dich der Mut in deinem eigenen Leben einmal verlassen?
Tijen Onaran: Ständig. In der Selbstständigkeit ist es ja ein Zustand zwischen Himmel und Hölle. Da verlässt mich der Mut ständig, ehrlicherweise. Aber er findet mich auch immer wieder. Das ist das Schöne. Du musst irgendwann so eine Powerresilienz entwickeln und weitermachen und nicht nachlassen. Ich glaube, das Entscheidende ist, dass du Leute in deinem Umfeld hast, die dich pushen weiterzumachen.
LEADERSNET: Hast du einen persönlichen MutMaker – eine Person, die dich ermutigt? Oder kommt dieser Mut ausschließlich aus dir heraus?
Tijen Onaran: Ich habe schon diverse Mutmaker in meinem Umfeld. Also ein ganz enges Netzwerk, das mich seit Jahren und Jahrzehnten unterstützt und aufbaut. Familie ist dabei ganz wichtig, finde ich. Ich bin so ein Familienmensch. Und klar, Partner so in die Richtung. Also das sind auf jeden Fall Partner, Freundinnen, Freunde, Leute, die mich seit Jahren kennen. Es sind hier ganz viele Menschen, die mich seit Jahren unterstützen, mitmachen und weitermachen. Also all die Partner, die man hier sieht – nicht erst seit gestern.
LEADERSNET: Warum findet der MUT MAKER Award ausgerechnet in Karlsruhe statt? Du lebst mittlerweile in München – der Award hätte theoretisch auch dort oder in Berlin stattfinden können.
Tijen Onaran: Karlsruhe ist mir ein Herzensanliegen. Es ist mein Heimatort, der Ort, an dem ich groß geworden bin, an dem alles gestartet ist. Und mal abgesehen davon finde ich, dass viel zu viel auch in Berlin und München stattfindet und in den kleinen Städten ehrlicherweise weniger. Und die kleinen Städte haben ja eine große Kraft.
LEADERSNET: Kannst du dir vorstellen, den MUT MAKER Award künftig auch bundesweit in anderen Städten umzusetzen?
Tijen Onaran: Ich kann mir schon vorstellen, dass man das auch mal in anderen Städten macht, vielleicht als rotierendes System. Aber Karlsruhe ist dann von vorne mit dabei. Also ich glaube, hier müsste ich erstmal ganz viel Werbung dafür machen, dass es nicht mehr hier stattfindet. Und ob die mir das hier erlauben, sei mal dahingestellt.
LEADERSNET: In Deutschland gibt es unzählige Awards – auch solche, die Innovation und Mut würdigen. Was macht den MUT MAKER Award einzigartig?
Tijen Onaran: Also erstens mal gibt es keinen dezidierten Mutpreis, das muss man schon sagen. Das Zweite ist: Es gibt mittlerweile, du hast recht, viele Awards, aber die sind sehr branchenspezifisch und auch sehr bezogen auf Geschlechter. Und ich wollte halt einen geschlechterübergreifenden Award machen, wo ich alle Geschlechter auszeichne, alle Generationen auszeichne. Menschen, die schon visibel sind, bekommen ja meistens eine Bühne. Und ich wollte hier Menschen zeigen, die vielleicht noch keine Visibilität haben.
LEADERSNET: Du hast gerade ein neues Buch veröffentlicht – herzlichen Glückwunsch dazu! "Nur wer’s richtig sagt, kommt ans Ziel" dreht sich um Kommunikation. Du wirst oft als Meisterin der Worte wahrgenommen. Hat es dir in den letzten Jahren eigentlich einmal die Sprache verschlagen?
Tijen Onaran: Ja, bin ich aber nicht immer. Mir verschlägt immer die Sprache, wenn so Sprüche aus den 50ern kommen und ich mir denke: "Packt es wieder ein. Was soll das?" Also das muss ich schon sagen – das war häufiger der Fall, dass ich dachte: Das gibt es doch nicht. Aber das Gute ist, finde ich: Schlagfertigkeit bedeutet nicht nur, selbst schlagfertig zu sein, sondern irgendwann auch Menschen an seiner Seite zu haben, die für einen einstehen. Deswegen ist die Kraft der Community so wichtig.
LEADERSNET: Warum tun sich CEOs deiner Erfahrung nach manchmal mit Kommunikation und Mut schwer?
Tijen Onaran: Weil sie versuchen, perfekt zu sein. Ich glaube, Perfektion ist der absolute Oberkiller. Je mehr man versucht, perfekt zu sein, desto kläglicher scheitert man. Ich kenne das. Und es gilt auch, einfach mal loszulassen und Fehler zuzulassen. Imperfektion ist so, finde ich, der größte Hebel, um auch glaubwürdig rüberzukommen. Ich nehme niemandem ab, der perfekt ist. Das ist für mich eine Scheinwelt, die es nicht gibt.
LEADERSNET: In deinem Podcast MUT sprichst du mit starken Persönlichkeiten. Wer hat dich zuletzt mit seinem Mut beeindruckt?
Tijen Onaran: Heute Abend kommt ja auch Ahmad Mansour. Das ist schon jemand, der für mich sehr mutig ist. Islam-Experte, der nur noch mit Security durch die Gegend laufen kann. Jemand, der so eine Stärke beweist, regelmäßig gegen das System aufzubrechen und seine Stimme zu erheben, hat für mich den größten Respekt verdient.
LEADERSNET: Du hast selbst einen muslimischen Hintergrund. Brauchen wir in Deutschland mehr Stimmen wie Ahmad Mansour?
Tijen Onaran: Das glaube ich auf jeden Fall. Ich glaube, wir brauchen vor allem Frauen auch, die nach vorne gehen. Aber als Frau hast du es gleich doppelt so schwer.
LEADERSNET: Du bist längst eine starke Marke. Wie würdest du "Tijen Onaran" in drei Worten beschreiben?
Tijen Onaran: Mutig, provozierend und humorvoll.
LEADERSNET: Und wo sehen wir dich in zehn Jahren?
Tijen Onaran: Entweder in der Politik oder in der Wirtschaft.
LEADERSNET: Welches Ministerium würde dich denn reizen?
Tijen Onaran: Also, ich würde es nicht unter Kanzlerin machen!
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