High-Protein-Trend
Boom im Beutel: Wie Protein-Produkte zum Milliardenmarkt wurden

| Redaktion 
| 20.05.2025

Vor zehn Jahren waren sie noch Exoten im Regal, heute gibt es sie in jeder Discount-Kühltheke: Protein-Produkte haben sich vom Nischenphänomen zur Umsatzmaschine entwickelt. Eine Spurensuche durch Kühlregale, Studien – und Geschäftsbilanzen.

Es begann mit Skyr und Proteinshakes, heute gibt es kaum noch eine Warengruppe im Supermarkt, die ohne sie auskommt: Proteine. Was einst vor allem bei Bodybuildern als Muskelbaustoff galt, hat längst die breite Masse erreicht. Ob Müsli, Brot, Pudding, Joghurt, Chips oder sogar Gummibärchen – überall prangt mittlerweile der Hinweis "high protein", "extra Eiweiß" oder "Proteinquelle" auf der Verpackung. Selbst Bäckereiketten und Imbisse bieten inzwischen Eiweißbrötchen und proteinreiche Sandwiches an.

Was als Lifestyle-Trend begann, ist heute knallhartes Geschäft. Hersteller setzen längst nicht mehr nur auf Gesundheitsbewusstsein – sie zielen auf Marktanteile in einem schnell wachsenden Segment.

Der Spielraum wird langsam kleiner

Der globale Markt für alternative und funktionale Proteine wird laut Prognosen von Market Data Forecast allein in Europa im Jahr 2024 ein Volumen von rund 4,7 Milliarden US-Dollar erreichen – mit erwarteten jährlichen Wachstumsraten von rund acht Prozent. Bis 2030 soll der Markt auf über 9 Milliarden Dollar anwachsen.

Die pflanzenbasierten Proteine dominieren derzeit das Feld. Hier ist der Wettbewerb bereits intensiv: Marken wie Alpro, Oatly, LikeMeat, Rügenwalder Mühle oder Garden Gourmet konkurrieren mit Eigenmarken der Supermarktketten. Auch große Player wie Nestlé und Unilever haben ihre Portfolios massiv ausgebaut.

Wenig überraschend: In diesem Segment sind die Regale inzwischen dicht bestückt – vor allem bei Milchalternativen, Proteinriegeln und Fleischersatzprodukten. Der Spielraum für neue Marken oder Produkte wird kleiner. Analysten sprechen bereits von einer beginnenden Marktkonsolidierung.

Wo noch Wachstum möglich ist

Anders sieht es in angrenzenden Märkten aus: Fermentationsbasierte Proteine, etwa aus Mikroorganismen, gelten als nächste Innovationswelle. Start-ups wie Formo, MicroHarvest oder The Protein Brewery arbeiten an skalierbaren Lösungen, etwa für Käse- oder Ei-Ersatz auf mikrobieller Basis.

Ein besonders dynamisches Feld ist Haustiernahrung. Dort steckt der Markt für alternative Proteine noch in der Entwicklungsphase – aber mit großem Potenzial. Insektenprotein, pflanzliche Mischungen oder zellkultiviertes Fleisch versprechen sowohl Nachhaltigkeit als auch neue Zielgruppen. Unternehmen wie Yora, Entoma Petfood oder das deutsche Start-up Green Petfood setzen bereits auf diese Entwicklung.

Laut einer KPMG-Analyse entfielen 2023 rund 12 Prozent aller Deals im alternativen Protein-Sektor auf Tiernahrung – mit wachsendem Trend.

Die Strategien der Großen

Während Start-ups mit Agilität und Innovation punkten, sichern sich Konzerne zunehmend durch strategische Beteiligungen Marktanteile: Cargill investiert in pflanzenbasierte Protein-Plattformen, Tyson Foods setzt auf Fermentation, Nestlé expandiert in Tiernahrung mit Fokus auf alternative Eiweiße. Auch Investmentfonds und Family Offices steigen vermehrt in das Protein-Geschäft ein – mit Fokus auf Skalierbarkeit, ESG-Konformität und neue Absatzmärkte im Mittleren Osten und Asien.

Proteine als Lifestyle- und Krisenprodukt

Die hohe Nachfrage speist sich nicht nur aus Ernährungsbewusstsein. Protein gilt mittlerweile auch als emotionaler Anker: Es verspricht Leistungsfähigkeit, Kontrolle und Gesundheit – vor allem in Zeiten ökonomischer und sozialer Unsicherheit. Dass die Industrie auf diesen Nerv zielt, zeigt sich an der aggressiven Vermarktung: Proteinriegel als "Power-Snack", Brot mit "Extra-Boost" oder Joghurt als "Fitness-Food". Für Hersteller bleibt folglich entscheidend, nicht nur funktional zu denken, sondern auch emotional zu verkaufen.

Unterm Strich sind sich Experten einig: Der Markt rund um proteinreiche Produkte ist gekommen, um zu bleiben. Außerdem verändert er sich rasant. Während klassische Segmente wie pflanzliche Milchalternativen an Reife gewinnen, entstehen neue Nischen rund um Fermentation und Tiernahrung.

Wie sinnvoll ist der Verzehr solcher Produkte überhaupt?

Und wie beäugt die Ernährungswissenschaft den Trend? Sind solche zusätzlichen Proteinprodukte in der Regel notwendig und sinnvoll?

Für die Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich nicht. Die Mengen, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gesunden Erwachsenen empfiehlt, ließen sich in der Regel durch normale Mischkost erreichen. Mitunter seien die High Protein-Products sogar kontraproduktiv, etwa wenn sie zu einer übermäßigen Kalorienaufnahme führen. Eine ausgewogene Ernährung mit natürlichen Proteinquellen wie Hülsenfrüchten, Milchprodukten, Fisch und magerem Fleisch ist in der Regel ausreichend, um den täglichen Proteinbedarf zu decken. Für bestimmte Gruppen kann eine erhöhte Proteinzufuhr jedoch sinnvoll sein. Darunter Senioren ab 65 Jahren (um dem altersbedingten Muskelabbau entgegenzuwirken) und Leistungssportlern mit erhöhtem Proteinbedarf.

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