Demenzprävention durch Sprachenvielfalt
Mehrsprachigkeit verlangsamt Alterung des Gehirns

Wer mehrere Sprachen spricht, könnte im Alter deutlich länger geistig fit bleiben: Eine aktuelle europäische Großstudie mit über 86.000 Teilnehmenden belegt, dass Mehrsprachigkeit den Alterungsprozess des Gehirns messbar verlangsamt – unabhängig von Bildungsgrad, Fitness oder sozialer Aktivität. Besonders spannend: Je mehr Sprachen man spricht, desto größer scheint der Effekt zu sein.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Trinity College Dublin hat im Fachjournal Nature Aging eine Studie veröffentlicht, die die kognitive Schutzwirkung von Mehrsprachigkeit unterstreicht. Die Ergebnisse sind für Medizin, Bildung und Gesundheitspolitik gleichermaßen relevant – denn sie liefern Hinweise auf einen leicht umsetzbaren Hebel für gesundes Altern.

Je mehr Sprachen, desto größer der Schutzeffekt

Wie ntv.de berichtet, analysierten die Forscher:innen die biologischen Alterungsprozesse anhand von Daten aus 27 europäischen Ländern. Über 86.000 Erwachsene im Alter von 50 bis 90 Jahren nahmen teil. Dabei verglich das Team um Neurowissenschaftler Agustin Ibañez das chronologische Alter der Proband:innen mit biologischen und verhaltensbezogenen Merkmalen wie Gesundheitsstatus, Bewegung, Lebensstil und sozialer Interaktion.

Das Ergebnis: Menschen, die regelmäßig mehr als eine Sprache sprechen, wiesen signifikant seltener ein beschleunigtes biologisches Altern auf. Die Schutzwirkung verstärkte sich laut den Forschenden dosisabhängig mit jeder weiteren Sprache. Dies deute auf eine robuste sogenannte "kognitive Reserve" hin – also zusätzliche geistige Ressourcen, die das Gehirn im Alter widerstandsfähiger machen.

Dieser Zusammenhang blieb selbst dann bestehen, wenn bekannte Einflussfaktoren wie Bildung, Fitness oder soziale Kontakte statistisch berücksichtigt wurden.

Wie schützt Mehrsprachigkeit vor Demenz?

"Mehrsprachigkeit scheint ein Puffer im Gehirn zu sein", erklärt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), in einer ersten Einschätzung zur Studie. Zwar wurden keine Menschen mit Demenz in die Untersuchung einbezogen, doch Berlit verweist auf frühere Beobachtungsstudien, die denselben Trend belegten. Die Studie lege nahe, dass die Resilienz gegenüber kognitiven Einschränkungen durch den Gebrauch mehrerer Sprachen tatsächlich gestärkt werde.

Auch Jason Rothman und Federico Gallo von der Lancaster University sehen großes Potenzial: "Der Effekt ist klar belegt – die Herausforderung liegt nun darin, seine Mechanismen zu verstehen und in Strategien für gesundes Altern umzusetzen", schreiben sie in einem begleitenden Kommentar. Besonders in der Prävention von Demenz könne Mehrsprachigkeit ein kosteneffizienter Ansatz sein – vergleichbar mit Bewegung oder Rauchstopp-Programmen.

Bringt Sprachenlernen im Alter denselben Nutzen?

Ein bislang unbeantworteter Punkt bleibt: Ist lebenslange Mehrsprachigkeit entscheidend oder wirkt sich das Erlernen neuer Sprachen auch im fortgeschrittenen Alter positiv aus? Studienautor Ibañez will in künftigen Arbeiten genau diese Frage klären. Auch Berlit äußert sich optimistisch: "Ich glaube, beides wirkt – aber das muss noch belegt werden."

Unabhängig davon gilt: Sprachliches Training beansprucht und aktiviert Hirnregionen, die bei vielen anderen Aktivitäten kaum genutzt werden. Auch Techniken zur mentalen Fokussierung wie die von Steve Jobs empfohlene Zehn-Minuten-Regel können im Alltag helfen, kognitive Reserven zu aktivieren und geistig flexibel zu bleiben. Für die öffentliche Gesundheit könnten Programme zur Förderung von Mehrsprachigkeit deshalb eine ebenso wichtige Rolle spielen wie Bewegung, Ernährung oder Stressmanagement.

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