Keilschrift mit KI komplettiert
LMU-Professor entdeckt verschollenes Loblied auf Babylon

| Redaktion 
| 01.07.2025

In Zusammenarbeit mit der Universität Bagdad ist es Enrique Jiménez (Professor für altorientalische Literaturen am Institut für Assyriologie an der LMU München) gelungen, ein mehrere Jahrtausende altes Loblied auf Babylon zu rekonstruieren. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz konnten einer neuentdeckten Tontafel passende Fragmente zugeordnet werden – ein Vorgang, der früher jahrzehntelange Arbeit bedeutet hätte.

Mesopotamien bedeutet so viel wie "Land zwischen den Flüssen" und ist eine historische Region im Nahen Osten, die (gemäß des Namens) das Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris umfasst. Nach heute gültigen Landesgrenzen liegt das Areal im Irak, in Teilen Syriens, der Türkei und des Iran.

Die Region gilt als eine der Wiegen der Zivilisation, da hier einige der frühesten Hochkulturen der Menschheit entstanden sind – unter anderem die Sumerer, die mit der Keilschrift vor über 5000 Jahren auch eines der ersten Schriftsysteme überhaupt entwickelten.

Dabei wurden keilförmige Zeichen durch das Eindrücken eines Schreibgriffels meist in weichem Ton hinterlassen, der anschließend in der Sonne getrocknet und so zur haltbaren Tafel wurde.

Entdeckte Tafel ist etwa 3000 Jahre alt

Etwa 1000 Jahre vor Christus wiederum wuchs Babylon zur größten Metropole der damaligen Welt heran. Auch jenseits von Historikerkreisen ist die Stadt für ihre Hängenden Gärten (eines der sieben Weltwunder der Antike) oder den Etemenanki bekannt – schließlich wird der gestufte Tempelturm von manchen Fachleuten als Inspiration hinter der Bibelgeschichte vom Turmbau zu Babel gesehen.

Offenbar nicht die einzigen Vorzüge von Babylon, wie Enrique Jiménez, Altorientalist an der Ludwig-Maximilians-Universität München, nun aus erster Hand herausgefunden hat: Im Rahmen seiner Kooperation mit der Universität Bagdad hat er den Text eines Lobliedes wiederentdeckt, der über tausende Jahre lang verschollenen geblieben war. Die Ruinen von Babylon befinden sich etwa 85 Kilometer südlich der irakischen Hauptstadt.

Auf der Tontafel ist mit Keilschrift eine Hymne auf Babylon geschrieben (Bild: Anmar A. Fadhil, Department für Archäologie, Universität Bagdad. Mit Genehmigung des irakischen Museums und der State Board of Antiquities and Heritage)
Auf der Tontafel ist mit Keilschrift eine Hymne auf Babylon geschrieben (Bild: Anmar A. Fadhil, Department für Archäologie, Universität Bagdad. Mit Genehmigung des irakischen Museums und der State Board of Antiquities and Heritage)

"Es handelt sich um einen faszinierenden Hymnus, der Babylon in seiner größten Blütezeit beschreibt und Einblicke in das Leben seiner Einwohner und auch seiner Einwohnerinnen gibt", schildert Jiménez.

Die Zusammenarbeit zwischen der Münchener LMU und der Universität in Bagdad beinhaltet unter anderem die Entschlüsselung mehrerer hundert Keilschrifttafeln aus der berühmten Bibliothek Sippar. In einem Projekt namens "Electronic Babylonian Literature" werden alle bislang gefundenen Keilschrift-Textfragmente mithilfe von Künstlicher Intelligenz analysiert, um Zusammenhänge zwischen den einzelnen Stücken schneller erkennen zu können.

Diesbezüglich hat sich Enrique Jiménez‘ jüngster Fund als äußerst wertvolles Puzzleteil erwiesen: "Mithilfe unserer KI-gestützten Plattform konnten wir 30 weitere Manuskripte identifizieren, die zur wiederentdeckten Hymne gehören - ein Prozess, der in der Vergangenheit Jahrzehnte gedauert hätte", erklärt er.

Loblied war offenbar Teil des Schulunterrichts

Der Professor für altorientalische Literaturen am Institut für Assyriologie schließt aus den zahlreichen Fundstellen, dass der 250 Zeilen umfassende Texte seinerzeit weitverbreitet war. "Die Hymne wurde von Kindern in der Schule kopiert. Es ist außergewöhnlich, dass ein damals so beliebter Text bis heute unbekannt war“, freut sich Jiménez über die gewonnene Erkenntnis.

"Es wurde von einem Babylonier geschrieben, der seine Stadt loben wollte. Der Autor beschreibt die Gebäude in der Stadt, aber auch, wie der Euphrat den Frühling bringt und die Felder grün werden. Das ist spektakulär. Denn aus Mesopotamien sind nur wenige Beschreibungen der Natur überliefert", führt er aus.

Aus dem Text ginge außerdem hervor, dass die Einwohner von Babylon eine respektvolle Einstellung gegenüber Ausländern hatten. Wertvolle Information wird demnach auch zu den Frauen aus Babylonien und insbesondere ihrer Rolle als Priesterinnen geliefert. Bislang waren der Fachwelt keine Texte dazu bekannt, heißt es.

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