Strabag CEO Stefan Kratochwill
"Milliarden reichen nicht – Deutschland muss ins Machen kommen"

Während große Teile der Bauwirtschaft über Auftragsrückgänge und hohe Zinsen klagen, präsentiert der Baukonzern Strabag beeindruckende Zahlen. Der Auftragsbestand ist so hoch wie nie, die Marge überdurchschnittlich, der Aktienkurs zieht an. Der neue CEO Stefan Kratochwill erklärt das Erfolgsrezept des Konzerns im Interview mit dem Handelsblatt. Dabei findet er auch deutliche Worte zum deutschen Sondervermögen: Damit die deutsche Infrastruktur zukunftsfähig wird, müsse die Regierung ihre Reformversprechen rasch einlösen.

Das von der Bundesregierung angekündigte 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastrukturprojekte sieht Kratochwill als wichtigen Schritt – vor allem die vorgesehenen 100 Milliarden Euro für nachhaltige Projekte. Doch von Euphorie kann keine Rede sein: "Vor 2026 – und selbst dann wohl erst in der zweiten Jahreshälfte – wird kaum etwas passieren."

Strabag sei gut vorbereitet, um von den geplanten Investitionen zu profitieren: mit 40.000 Mitarbeitenden, eigener Stahlproduktion und jahrzehntelanger Erfahrung im Brücken-, Straßen- und Tunnelbau. Doch ohne konkrete Ausschreibungen bleibe das Sondervermögen ein politisches Versprechen, so der CEO im großen Interview.

Zeitverluste wegen föderalen Flickenteppichs

Kratochwill kritisiert auch den mangelnden Reformwillen in der Baupolitik. Die Genehmigungsverfahren seien zu langwierig, die Zuständigkeiten zersplittert. Selbst beim Ersatzbau einer Brücke gelten dieselben bürokratischen Hürden wie beim Neubau. Zudem würden Bundesländer unterschiedliche Vorgaben etwa beim Recyclingasphalt oder bei Stellplatzpflichten machen. "Wir brauchen einheitliche Standards und mutige Vereinfachungen – sonst bleibt der Investitionsstau bestehen."

Der CEO verweist auf Polen als positives Beispiel: Dort setzen öffentliche Auftraggeber zunehmend auf sogenannte Design-&-Build-Verfahren, bei denen Baufirmen auch die Planung übernehmen. Das spare Zeit, reduziere Fehler und steigere die Qualität.

Bauen muss schneller, digitaler und klimaneutraler werden

Ein weiteres Hindernis: Der digitale Rückstand im öffentlichen Sektor. Zwar arbeitet Strabag seit über zehn Jahren mit Building Information Modeling (BIM) – der digitalen Planungsmethode ist jedoch in Deutschland nicht standardisiert. Jeder Auftraggeber nutzt andere Formate. "Wir investieren mehr in Datenkonvertierung als in tatsächliche Arbeit", so Kratochwill.

Das Thema Nachhaltigkeit sieht der Unternehmenschef als Chance: Strabag strebt Klimaneutralität bis 2040 an, investiert in Wasserstofftechnologien, emissionsarme Maschinen und eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. "Die Bekämpfung des Klimawandels ist keine Modeerscheinung, sondern ein wirtschaftlicher Imperativ."

Wohnungsbau: Genehmigungen auf einem Tiefstand

Auch in Sachen Wohnbau sieht Kratochwill Verbesserungsbedarf in der Bundesrepublik. Die Zahl der Genehmigungen sei auf dem niedrigsten Stand seit 2010, Projekte kämen kaum auf den Markt. Als Generalunternehmer mit Tochterfirmen wie Züblin könne Strabag auch hier mehr leisten – "wenn denn Aufträge kommen". Es brauche ein entschlossenes Signal der Politik, um drohende Versorgungsengpässe abzuwenden.

Kratochwill bringt es auf den Punkt: "Es reicht nicht, Milliarden in Aussicht zu stellen. Man muss ins Machen kommen." Ob das Sondervermögen zum Fortschrittsmotor oder zum nächsten Papiertiger wird, entscheidet sich an der Umsetzung. Für die deutsche Bauwirtschaft sei dies eine Frage der Glaubwürdigkeit – und der Zukunftsfähigkeit.

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