Der CEO von Publicis Media im Interview
Olivier Korte: "Mediaagenturen sind Treiber und Mitgestalter des Wandels"

Publicis Media ist eines der weltweit größten Media-Agenturnetzwerke und gehört zur Publicis Groupe, dem weltweit größten Kommunikationsdienstleister. Das Unternehmen berät Kunden in über 100 Ländern zum effektivsten Einsatz ihrer Werbebudgets. Olivier ist CEO von Publicis Media in Deutschland und seit 1999 in der Mediabranche tätig.

Er begann als Trainee bei MediaCom, wo er für Audi und Lindt & Sprüngli arbeitete, und wechselte zu OMD als Group Head Planning für Peugeot.

Seit 2006 ist er in im Publicis-Media-Universum tätig. Er begann bei Zenithmedia, wo er 6 Jahre lang für Toyota/Lexus verantwortlich war. Als Executive Managing Director bei Zenith leitete er Kunden wie Telefónica, Rabobank, Omega Pharma und Puma. Mit dem Gewinn des Etats von Daimler wurde Olivier Korte innerhalb der Publicis Groupe vom Executive Managing Director zum Managing Director befördert und leitete die Kundenagentur FUEL in über 20 Märkten in ganz Europa. Bevor er Anfang 2020 CEO von Publicis Media wurde, leitete er Zenithmedia als Managing Director. Unter seiner Führung schloss diese Agentur das Jahr 2019 als erfolgreichstes Jahr in Bezug auf neue Geschäftsabschlüsse, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit ab.

LEADERSNET: Erzählen Sie Ihren Hintergrund. War es schon immer Ihr Wunsch, eines Tages CEO einer der größten Mediaagenturen in Deutschland zu werden?

Olivier Korte: So etwas lässt sich nicht planen. Aber was sich durch mein Leben durchzieht, ist die Freude an der Arbeit mit und für Menschen und die Affinität zu komplexen Dienstleistungen, sowie voranzugehen, sei es damals beim Fußball und Rollhockey oder heute im Business. Ich habe damals BWL mit Marketing-Schwerpunkt studiert und nebenbei als Ground Manager am Flughafen gearbeitet. Schon damals war ich gern mittendrin, unter Menschen. Später habe ich als Trainee bei der Mediacom angefangen und schnell gemerkt, dass mir der Umgang mit Kunden liegt. Außerdem ist unsere Branche eine, die niemals stillsteht. Es bleibt stets spannend, und es gibt immer neue Herausforderungen zu meistern. Für unsere Kunden und mit ihnen zusammen. Das liebe ich noch heute an diesem Job.

LEADERSNET: Wie unterscheidet sich Publicis Media von anderen Mediaagenturen? Was sehen Sie als Ihre Wettbewerbsvorteile an und welche Schritte planen Sie, um diese auszubauen?

Olivier Korte: Die Menschen stehen immer an erster Stelle. Wir fördern und unterstützen unsere Talente mit lokalen und internationalen Initiativen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das hört sich vielleicht gewöhnlich an, macht aber einen Unterschied für jede einzelne Person, die bei uns arbeitet. Ein hoher Anteil an Führungskräften, die über die Jahre in unserer Gruppe Karriere gemacht haben, spricht eine deutliche Sprache. Dazu tragen verschiedene Initiativen bei, in deren Rahmen sich Mitarbeitende einbringen und unsere Arbeitsprozesse bis in die höchsten Ebenen mitgestalten können, beispielsweise im Next Generation Board, im Culture Club oder bei unserem aus den Teams heraus entwickelten Code of Conduct.

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ist der Power-of-One-Ansatzder Publicis Groupe. Das bedeutet, dass wir Kundenteams mit dem Blick auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden zusammenstellen – disziplin-, standort- und agenturübergreifend. Dabei können wir unsere Media-Expertise mit der aus den Kreativagenturen, der PR, der Digitalagentur und der Designagentur im Interesse unserer Kunden kombinieren. Es gibt also nicht nur eine auf dem Papier verbriefte Zusammenarbeit unter den Agenturen des Publicis-Netzwerks, sondern die Menschen arbeiten ganz konkret in den Teams zusammen an gemeinsamen Projekten. Das funktioniert nur, weil wir in Deutschland eine gemeinsame, agenturübergreifende P&L haben und nun schon seit einigen Jahren silofrei arbeiten. Im Rahmen von Power of One ist es uns auch möglich, kundenindividuelle Agenturmodelle (customized agencies) zu schaffen. 

LEADERSNET: Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Erwartet wird für dieses Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Diese Entwicklungen machen auch vor der Werbebranche nicht halt. Wie schätzen Sie den deutschen Werbemarkt ein und wie werden Sie auf aktuelle Entwicklungen reagieren?

Olivier Korte: In Deutschland gehen wir für dieses und nächstes Jahr von einem Wachstum des Gesamtwerbemarktes um jeweils 3,5% gegenüber Vorjahr aus. Stärkste Wachstumstreiber sind Video und Search.

Im linearen TV werden die Werbeinvestitionen um 0,5% auf 3,4 Mrd. Euro sinken. Werbung in Videoangeboten (Ad supported Video on Demand, aber auch Streaming-Dienste und Mediatheken) wächst dagegen um 5% und macht 20,1% des Gesamtwerbemarktes aus. Insgesamt investieren Werbungtreibende dieses Jahr rund 2 Mrd. Euro in Videowerbung.

Search wächst um 8,2% gegenüber Vorjahr und macht damit 39,6% des Gesamtwerbemarktes aus. In Suchmaschinenwerbung investieren Werbungtreibende dieses Jahr 11,9 Mrd. Euro. Die traditionelle Suche z.B. bei Google und Bing wächst um 6%. Retail Media wächst sogar um 18% und ist damit einer der größten Wachstumstreiber. In der Konsequenz investieren wir hier einerseits deutlich in ein holistisches Angebot für unsere Kunden. Andererseits beraten wir sie, damit sie ihr eigenes Inventar in diesem Bereich vermarkten und so direkt von der Entwicklung profitieren.

LEADERSNET: Was ist Ihrer Meinung nach der häufigste Fehler, den die Mediaagenturen und die Werbebranche generell begeht?

Olivier Korte: Wir sind Kommunikationsexperten und stellen dennoch unser eigenes Licht viel zu oft unter den Scheffel. In Agenturen arbeiten hervorragend ausgebildete Menschen, die über enormes Spezialwissen verfügen. Dennoch sind wir offenbar zu bescheiden. Branchenfremde verorten beratungsstarke Expertinnen und Technologie-Kenner eher in Unternehmensberatungen statt in der Kommunikationsbranche. Dieses Bild ist falsch. Mediaagenturen sind Treiber und Mitgestalter des Wandels.

LEADERSNET: Welches sind aus Ihrer Sicht die Kernthemen, auf die sich Werbungtreibende dieses Jahr konzentrieren (sollten)? Welches sind die wichtigsten Herausforderungen für Ihre Agenturgruppe?

Olivier Korte: Früher haben Mediaagenturen sich hauptsächlich um die Buchung von Werbeplätzen gekümmert. Heute sind wir Transformationstreiber, verbinden AdTech, MarTech und Consulting, damit unsere Kunden das Potenzial von datengetriebenem Marketing voll ausschöpfen können. Eine Vielzahl neuer Berufsbilder ist entstanden, damit wir auch in einer fragmentierte Medienlandschaft unser Ziel erreichen: den Return on Marketinginvest für unsere Kunden zu erhöhen. Auf dem Weg dorthin sind wir oft die Ersten, die neue Entwicklungsfelder erschließen, zum Beispiel ganz aktuell bei Retail Mediaoder im Bereich Holistisches Bewegtbild, wo wir über eine exklusive Partnerschaft mit AEOS Vodafone-Daten nutzen können, um die Bewegtbild-Kampagnen unserer Kunden noch effizienter und effektiver aussteuern können. Auf Seiten der Werbungtreibenden sehen wir ähnliche Veränderungen: Die Unternehmen wollen mehr Effizienz und haben entsprechende Transformationsprozesse initiiert, bei denen wir unterstützen. Automatisierung und länderübergreifende Kollaborationen helfen den Unternehmen und festigen unsere Rolle als Transformationsbegleiter.

LEADERSNET: Generative KI erstellt Kampagnenbilder ganz ohne Shooting. Werbeplätze werden immer häufiger programmatisch (automatisiert) gehandelt. Brauchen Sie künftig weniger Mitarbeitende und den Fachkräftemangel folglich nicht zu fürchten?

Olivier Korte: Dass die KI uns künftig ersetzt, halte ich für ein Märchen. Auch zu Beginn der Digitalisierung gab es bereits die Befürchtung, wir könnten in die Massenarbeitslosigkeit geraten. Das Gegenteil war der Fall. Wir brauchten mehr Spezialistinnen und Spezialisten, die sich mit den neuen Technologien auskennen, sie womöglich mit entwickeln und ihr Potenzial im Interesse der Kunden voll ausschöpfen. Dazu Beraterinnen und Berater, die den Überblick über das große Ganze bewahren und den Kunden Chancen aufzeigen.

KI wird uns nun dabei helfen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, indem wir wiederkehrende Arbeiten automatisieren und Abläufe beschleunigen, damit unsere Mitarbeitenden mehr Zeit für unsere Kunden und deren Beratung haben.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen die Angriffe auf unsere Demokratie und die pluralistische Gesellschaft von rechts außen für Werbungtreibende?

Olivier Korte: Ganz klar: das schadet der Gesellschaft und unserem Zusammenleben, aber auch massiv der Wirtschaft. Ohne ausländische Facharbeitskräfte würde der Wirtschaftsstandort Deutschland massiv an Wert verlieren. Daher ist es für Unternehmen wichtig sich auch zu Vielfalt und Demokratie zu bekennen, so beschäftigen wir bei Publicis Media Menschen aus 44 Ländern. Der globale Leitspruch der Publicis Groupe entspricht zu hundert Prozent auch unserer Überzeugung in Deutschland: Viva la Différence!

LEADERSNET: Gibt es einen Trend, auch in der Markenkommunikation Haltung gegen rechts zu zeigen?

Olivier Korte: Es gibt einen gesellschaftlichen Trend sich für Werte wie Vielfalt und Demokratie auch lautstark zu äußern. Dies ist auch in der Markenkommunikation zu beobachten. Bestes Beispiel sind hier die Kampagnen der Deutschen Telekom, die gesellschaftlich hoch relevant sind, wie aktuell die #GegenHassIm Netz-Kampagne. Wir gehen davon aus, dass es im Vorfeld der Landtagswahlen auch noch die eine oder andere Kampagne geben wird, die mindestens mit einem Seitenhieb auf Nichtwähler abzielt. Denn die sind dieses Jahr mehr denn je gefragt, ihre grundsätzliche Zustimmung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu geben. Die ist nämlich keine Selbstverständlichkeit mehr.

LEADERSNET: Sie engagieren sich für die Nachhaltigkeit und die gesellschaftliche Verantwortung in unserer Gesellschaft. Die Publicis Groupe hat weltweit die Initiative Working with Cancer ins Leben gerufen. Wie können Betroffene profitieren?

Olivier Korte: Jede*r Zweite bekommt irgendwann im Leben einmal Krebs. Das ist ein Fakt. Von den Betroffenen wiederum fürchtet jede*r Zweite Jobverlust und hat deshalb Angst, die Diagnose am Arbeitsplatz bekannt zu machen. Das muss nicht sein und der globale CEO der Publicis Groupe, Arthur Sadoun, hat es sich nach seiner eigenen Krebserkrankung zum Ziel gesetzt, möglichst vielen Menschen diese Angst zu nehmen, und dieses Anliegen vor einem Jahr auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt. Mit dem Working with Cancer Pledge (Pledge = Versprechen, Selbstverpflichtung) versprechen Unternehmen weltweit, ihre Mitarbeitenden im Falle einer Krebserkrankung zu unterstützen. Dies geschieht durch Aufklärung über die unternehmenseigenen Programme, interne und externe Kommunikation zur Beseitigung des Stigmas Krebs am Arbeitsplatz, dem Aufbau einer eigenen Community für den Austausch unter Erkrankten und Genesenen und die Bereitschaft, mehr Unternehmen von der Notwendigkeit zu überzeugen, ebenfalls ein solches Versprechen an ihre eigenen Mitarbeitenden abzugeben. Im konkreten Fall der Publicis zahlen wir u.a. weltweit ein Jahr das Gehalt weiter und schulen Mentor*innen für eine individuelle Wiedereingliederung. Jedes weitere Unternehmen, das „The Pledge“ online mitzeichnet, nimmt Betroffenen ein bisschen Angst und ermöglicht ihnen die Konzentration auf ihre Genesung.  

LEADERSNET: Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich gern sagen?

Olivier Korte: Zwei Dinge: Emotionen im Griff behalten – lieber eine oder auch zwei Nächte drüber schlafen, bevor man eine Mail verschickt. Und von nix kütt nix! Wer etwas bewegen und etwas erreichen will, muss viel Zeit investieren. Besser also, wenn mit der gewählten Tätigkeit eins verbunden ist: Spaß. Das fördert bessere Ergebnisse und macht generell zufriedener.

LEADERSNET: Wenn Sie nicht Ihr Unternehmen leiten, was machen Sie sonst?

Olivier Korte: Als Vater von zwei Mädchen verbringe ich nicht wenig Zeit mit Fahrdiensten. Zum Turnen, zum Shoppen, zum Trampolinpark, zum Reiten. Dabei durfte ich auch schon den speziellen Charme von Reitturnieren kennenlernen. Ich selbst spiele gern Tennis und bin durchaus mit Ehrgeiz dabei. Der Sport hilft mir, mental runterzukommen, mich ganz auf jeden Schlag zu konzentrieren. Das tut gut, auch wenn ich mich nicht mehr für die ATP Tour qualifizieren werde.

Und ansonsten traue ich mich auch mittlerweile, an die erste Meisterschaft von Bayer Leverkusen zu glauben. Der letzte Spieltag ist schon fest geblockt.

Und sollte Fortuna Düsseldorf den Pokal holen, hätten meine zwei Lieblingsmannschaften Historisches erreicht.

 

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