Nachruf auf Mr. Lufthansa
Wie Jürgen Weber die Lufthansa zur Weltmarke machte

Sechs Tage nach seinem Tod ehren Wegbegleiter, Branchenvertreter und internationale Airline-Partner den Mann, der die Lufthansa neu erfand. Jürgen Weber war nicht nur Sanierer und Stratege, sondern auch eine moralische Autorität in Zeiten des Umbruchs. Nun beginnt eine neue Debatte über das Vermächtnis und die Zukunft seines Lebenswerks.

Am 12. Mai 2025 verstarb Jürgen Weber im Alter von 83 Jahren. Die Lufthansa Group trauert um einen Mann, der das Unternehmen von einer staatlich geprägten Traditionsairline in einen modernen, globalen Konzern transformierte. In der Luftfahrtbranche blickt man auf sein außergewöhnliches Lebenswerk zurück – und stellt sich die Frage: Was bleibt von "Mr. Lufthansa"?

Der Architekt der Privatisierung

Jürgen Webers Karriere bei Lufthansa begann 1967 als Ingenieur. Sein Aufstieg war rasant: 1990 wurde er in den Vorstand berufen, ein Jahr später übernahm er den Vorsitz. In dieser Funktion leitete er die umfassende Privatisierung des Unternehmens ein und brachte es in eine neue Ära der Wettbewerbsfähigkeit. Unter Webers Führung wurden verlustreiche Strukturen abgebaut, die Unternehmenskultur erneuert und erstmals ein konzernweites Effizienzprogramm implementiert.

Parallel dazu legte er die Basis für die Digitalisierung zentraler Betriebsabläufe und forcierte eine strategische Diversifikation, die Lufthansa stärker in den Logistik- und Wartungsbereich positionierte. Diese Weichenstellungen wirken bis heute nach. Zeitzeugen beschreiben Webers Führungsstil als ruhig, aber zielgerichtet, seine Entscheidungen als langfristig angelegt und tief in betriebswirtschaftlicher Analyse verankert.

Die Gründung der Star Alliance im Jahr 1997, an der Weber als federführende Kraft beteiligt war, gilt bis heute als strategischer Meilenstein der internationalen Airline-Branche. Lufthansa wurde unter seiner Leitung zu einer Weltmarke – vernetzt, wettbewerbsfähig und infrastrukturell führend, insbesondere durch den Ausbau des Frankfurter Drehkreuzes. Die Bedeutung dieses Netzwerks zeigt sich heute besonders in Zeiten geopolitischer Krisen, in denen globale Synergien essenziell sind.

Eine Führungspersönlichkeit mit Haltung

Auch nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat im Jahr 2003 blieb Weber der Lufthansa als moralische Instanz verbunden. Bis 2013 war er offiziell Vorsitzender des Gremiums, danach Ehrenaufsichtsratsvorsitzender. Aktuelle Konzernlenker wie Carsten Spohr sehen in ihm eine Leitfigur für verantwortungsvolle Unternehmensführung.

"Jürgen Weber wurde zu Recht ‚Mr. Lufthansa‘ genannt. Sein ganzes Berufsleben hat er unserem Unternehmen gedient und es geprägt", so Spohr. "Wie niemand sonst steht er für die Erneuerung der Lufthansa im Rahmen der Sanierung und Privatisierung in den 90er-Jahren."

Intern erinnert man sich an Webers Dialogfähigkeit, seine strategische Klarheit und seine Verbundenheit mit der Belegschaft. Karl-Ludwig Kley, heutiger Aufsichtsratschef, formulierte es so: "Kein anderer hat die Kultur der Lufthansa so geprägt wie er."

Auch externe Beobachter betonen Webers Anspruch, wirtschaftliche Effizienz und soziale Verantwortung zu verbinden. In einer Phase, in der viele Unternehmen auf kurzfristige Renditen schielten, verteidigte er eine Unternehmensethik, die auf Nachhaltigkeit und Stabilität abzielte. Diese Haltung prägt bis heute zahlreiche Managementansätze in der Branche.

Ein Vermächtnis mit Wirkungskraft

In den Tagen nach seinem Tod kursieren Konzern-intern Ideen zur institutionellen Ehrung Webers. Denkbar seien ein Führungskräfte-Stipendium oder eine Namenswidmung am Hauptsitz. In sozialen Medien, besonders unter langjährigen Mitarbeitern, sind zahlreiche persönliche Danksagungen erschienen. Einige fordern gar die Errichtung einer Gedenkstele im Lufthansa Aviation Center in Frankfurt.

Intern wird zudem diskutiert, ob Webers strategische Prinzipien – etwa langfristige Netzwerkpflege, strikte Kostenkontrolle und kulturelle Integration – in ein neues Führungsleitbild aufgenommen werden sollen. Derzeit erarbeitet ein internes Gremium ein entsprechendes Konzept.

Sein Tod hat innerhalb des Unternehmens einen Nachdenkprozess über Führungsethik, langfristige Strategie und Unternehmenskultur angestoßen – Werte, die Weber zeitlebens verkörperte. Die Frage bleibt, wie diese Prinzipien unter neuen Rahmenbedingungen weitergetragen werden können. Gerade angesichts von Herausforderungen wie Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeitsdruck könnten Webers Konzepte wertvolle Orientierung bieten.

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