Neben seiner Rolle als Chef von Opel und Vauxhall verantwortet Huettl nun auch die Vertriebs- und Marketingaktivitäten von weiteren Marken – darunter Abarth, Alfa Romeo, Citroën, DS Automobiles, Fiat, Jeep, Leapmotor International und Peugeot. Diese Bündelung verspricht nicht nur eine signifikante Effizienzsteigerung, sondern markiert auch einen wichtigen Schritt in der strategischen Ausrichtung von Stellantis, das Unternehmen, das 2021 aus der Fusion von Fiat-Chrysler und der französischen PSA-Gruppe hervorging. Im Gespräch mit LEADERSNET erläutert Florian Huettl, wie er die vielfältigen Markenwelten unter einem Dach vereint, welche Chancen und Herausforderungen diese Aufgabe mit sich bringt und wie er die Zukunft der Mobilität in Deutschland gestaltet.
LEADERSNET: Herr Huettl, Sie führen zahlreiche Marken unter einem Dach – von Traditionsnamen wie Peugeot bis zu Newcomern aus China wie Leapmotor. Wie gelingt es, diese Vielfalt zu steuern, ohne beliebig zu werden?
Florian Huettl: Wir haben ein Portfolio aus starken Marken mit einer individuellen Tradition. Unsere Vielfalt an ikonischen Marken ist ein großer Trumpf. Unser Portfolio deckt alle wichtigen Fahrzeugsegmente ab, von Luxus- über Premium- und Mainstream-Pkw bis hin zu SUV und Trucks sowie zu leichten Nutzfahrzeugen (LCV). Gleichzeitig achten wir genauestens darauf, die Identitäten unserer Marken zu pflegen und sogar zu schärfen, sodass Kund:innen wissen, wofür beispielsweise ein Opel steht und wofür ein Fiat oder ein Jeep stehen. Hierbei geht es um viele Dinge wie Design, Image, Technologie, Fahrwerk und Lenkpräzision. Jede Marke trifft diese Entscheidungen, die ihren Charakter bestimmen, selbst.
LEADERSNET: Diese Philosophie der kontrollierten Vielfalt entstand aus einer der spektakulärsten Fusionen der jüngeren Automobilgeschichte: Die Entstehung von Stellantis – 14 Marken, über 300.000 Mitarbeiter:innen weltweit. Was braucht es, damit daraus kein schwerfälliger Koloss, sondern ein agiler Marktführer wird?
Florian Huettl: Die richtigen Menschen mit dem richtigen Mindset, eine gute Strategie und eine gute Struktur. Wir haben bei Stellantis globale, regionale und nationale Teams, und wir haben unsere Marken. Beispiel Deutschland: Hier haben wir die globale Leitung von Opel und Vauxhall und die Vertriebsgesellschaft Stellantis Germany unter meiner Führung vereint. So können einerseits Importmarken von der Struktur des OEM Opel mit Werken, der Entwicklung in Rüsselsheim und sehr großer Bekanntheit profitieren. Andererseits schaffen wir Synergien über marken- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit – vom Vertrieb über Aftersales und B2B bis zum Gebrauchtwagengeschäft und der Finanzierung. Wir arbeiten als One Team ohne Silodenken. Das macht uns agil.
LEADERSNET: Diese Agilität wird gerade in Deutschland auf eine harte Probe gestellt: Deutschland mag der größte Automarkt Europas sein, aber auch einer der härtesten – schrumpfende Zulassungen, schwache E-Auto-Nachfrage, hohe Kosten. Wie wollen Sie mit Ihrem breit aufgestellten Marken-Portfolio gegensteuern, und welche Rolle kann Opel als deutsche Traditionsmarke dabei spielen?
Florian Huettl: In der Tat ist der deutsche Automarkt sehr wettbewerbsintensiv, die Nachfrage nach elektrifizierten Modellen steigt aber seit Monaten an. Bei Stellantis setzen wir schon lange auf die Elektrifizierung, und davon profitieren wir jetzt. Dabei überlassen wir unseren Kund:innen die Entscheidung darüber, welcher Antrieb für sie geeignet ist – dank unserer Multi-Energy-Plattformen: Denn bei uns laufen die Modelle – Hybride, Plug-in Hybride und reine Elektrofahrzeuge – vom selben Band. So können wir heute eine breite Palette an elektrifizierten Modellen anbieten – von Kleinwagen wie dem Fiat 500e über unseren Bestseller Opel Corsa Electric sowie SUVs wie Opel Grandland und Peugeot 3008 bis zu unseren leichten Nutzfahrzeugen. Bei Opel wird seit 2024 jedes Modell auch rein elektrisch angeboten, inklusive des komplett neuen SUV-Trios Mokka, Frontera und Grandland. Ich bin überzeugt: Dieses breite Angebot in wichtigen Segmenten wird die Nachfrage jetzt sehr schnell ansteigen lassen.
LEADERSNET: Ihr beruflicher Fokus lag lange auf Vertrieb und Marketing. Welche Rolle spielt emotionale Markenführung in einem Konzern, der von Plattformlogik und Effizienz bestimmt wird?
Florian Huettl: Emotionen sind in unserem Geschäft enorm wichtig, denn Autos gehören zu den größten Anschaffungen der Menschen. Deshalb müssen wir unsere Kund:innen auf allen Ebenen abholen, gerade auch auf der emotionalen. Die Menschen möchten wissen, wofür eine Marke steht, viele möchten sich mit ihr identifizieren können.
LEADERSNET: Leapmotor International ist als chinesische Elektromarke neu in Ihrem Portfolio – ein 51:49 Joint Venture zwischen Stellantis und dem chinesischen Hersteller Leapmotor. Wie integrieren Sie eine chinesische Marke in Ihr europäisches Markenportfolio, ohne Authentizitätsprobleme zu bekommen?
Florian Huettl: Leapmotor tritt in Europa gegen andere Hersteller aus China an – hat aber einen großen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb: Leapmotor International hat Zugriff auf das Handels- und Servicenetz von Stellantis. Das wiederum macht unsere Kund:innen zu den größten Gewinnern: Wir bieten ihnen erschwingliche Elektromobilität UND ein flächendeckendes und zuverlässiges Handels- und Servicenetz an.
LEADERSNET: Die EU plant das Verbrenner-Aus ab 2035, gleichzeitig investiert Stellantis 50 Milliarden Euro bis 2030 in die Elektrifizierung. Der deutsche Markt zeigt sich jedoch E-Auto-müde: Nur noch 13,5 % aller Neuzulassungen 2024 waren reine Elektroautos. Wie orchestrieren Sie die Elektro-Transformation für elf verschiedene Marken in einem skeptischen Markt?
Florian Huettl: Von einer schwachen Nachfrage nach E-Autos in Deutschland würde ich aktuell nicht mehr sprechen – auch wenn es natürlich noch viel Potenzial gibt. Im ersten Halbjahr 2025 ist die Zahl der neu zugelassenen Elektro-Pkw um 35 Prozent gestiegen, der Anteil erreichte 17,7 Prozent. Hinzu kommen zehn Prozent Marktanteil für Plug-in Hybride, während reine Benziner und Diesel-Modelle deutlich verloren haben. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt: Erstens, der Preisabstand zwischen Verbrennern und Elektroautos sinkt. Zweitens, die Reichweiten werden größer, die Ladegeschwindigkeiten steigen. Damit hat die Autoindustrie den Kund:innen den Weg zur Elektromobilität geebnet. Unser Ziel ist es, allen Menschen eine saubere, sichere und erschwingliche Mobilität anzubieten, wir wollen Innovationen demokratisieren. Deshalb fordern wir auch dringend ein Ende der Überregulierung, insbesondere bei Kleinwagen – denn diese werden durch die Überregulierung immer teurer, aufwändiger, schwerer – und das hilft weder der Umwelt noch den Kund:innen.
LEADERSNET: Deutschland erlebt den größten Strukturwandel der Automobilbranche seit der Erfindung des Automobils: Werkschließungen, Stellenabbau, Technologiewandel. Ihre elf Marken beschäftigen tausende Menschen in Deutschland. Wie kommunizieren Sie Veränderungen, ohne Ängste zu schüren, und ist der Standort Deutschland für Ihre Mitarbeiter:innen in den nächsten zehn Jahren abgesichert?
Florian Huettl: "Made in Germany" spielt für Opel eine wichtige Rolle. In Rüsselsheim fertigen wir den Opel Astra exklusiv in allen Varianten und Antrieben, in Eisenach den vollelektrischen Opel Grandland – unser neues Top-of-the-Line-SUV. Dafür haben wir 130 Millionen Euro in den Thüringer Standort investiert. Investments in unsere deutschen Standorte sind keine Selbstverständlichkeit, für uns als deutsche Marke aber wichtig. Die Kosten für Entwicklung, Produktion und Energie sind im Ausland häufig deutlich niedriger. Aber wir wollen weiterhin unseren Beitrag leisten für Wohlstand, hohe soziale Standards und Arbeit in Deutschland – nicht nur bei unseren Beschäftigten an den Standorten, sondern auch bei den Mitarbeiter:innen an den Vertriebsstandorten und in den Zulieferbetrieben. Opel produziert einen bedeutenden Anteil seiner Autos in Deutschland – seit 1899. Darum würden wir uns auch eine planbare Unterstützung der Politik bei dem radikalen Wandel der Branche wünschen.
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