Von Geld und Glück
In dieser Gehaltsspanne sind Menschen zufrieden – darüber korrelieren Einkommen und Glück nicht mehr

Klar: Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Zufriedenheit lässt sich nicht ignorieren – aber auch nicht verabsolutieren. Studien zeigen auf, wie finanzielle Ressourcen und subjektives Wohlbefinden miteinander verknüpft sind – und wo diese Verbindung endet.

Von außen betrachtet scheint die Gleichung einfach: Wer beruflich erfolgreich ist, verdient mehr – und wer mehr verdient, ist zufriedener. Doch der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebensglück ist brüchiger, als es Karriereleitfäden und Motivationsreden glauben machen wollen. Zwar lässt sich ein gewisser Zusammenhang statistisch belegen, doch er folgt keiner ökonomischen Logik – und erst recht keiner, die sich auf Führungsetagen zuverlässig anwenden ließe.

Lange Zeit kursierte eine präzise Zahl: 75.000 US-Dollar, also rund 68.000 Euro Jahreseinkommen – das galt als Schwelle, ab der sich das subjektive Glücksempfinden nicht mehr signifikant steigert. Diese These, zurückgehend auf Arbeiten von Daniel Kahneman und Angus Deaton, wurde inzwischen von Glücksforscher Matthew Killingsworth revidiert. Gemeinsam mit Kahneman kam er 2023 zu einem differenzierten Befund: Im Mittel steigt die Lebenszufriedenheit mit dem Einkommen, auch jenseits früherer Grenzen. Doch diese Tendenz gilt nicht für alle.

Insbesondere unter Besserverdienenden zeigt sich eine auffällige Teilgruppe: Menschen, deren Wohlbefinden mit wachsendem Gehalt zunächst steigt – und dann abrupt stagniert. Das Paradox: Gerade die ökonomisch Privilegierten sind vor Entfremdung, Sinnverlust und psychischer Überforderung nicht gefeit. Für sie scheint Geld nicht mehr Mittel zur Freiheit, sondern Projektionsfläche unerfüllter Erwartungen zu sein.

Vermögen als Zumutung

Der Soziologe und Vermögensforscher Prof. Dr. Thomas Druyen (hier im Leadersnet-Interview), der an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien die Vermögenspsychologie mitbegründet hat, warnt davor, finanzielle Unabhängigkeit mit innerer Stabilität zu verwechseln. In jahrzehntelangen Gesprächen mit sehr vermögenden Menschen stieß er immer wieder auf ein zentrales Muster: "Die emotionale Zumutung großer Verfügungsgewalt ist erheblich. Scheitern, Größenwahn und Realitätsverlust sind häufige Begleiterscheinungen", sagt er im Interview mit Business Insider.

Druyen widerspricht der Vorstellung einer universellen "Glücksgrenze" deutlich. Weder Gehalt noch Vermögen ließen sich als Berechnungsfaktor für Zufriedenheit heranziehen – zu stark seien persönliche Prägungen, kulturelle Kontexte, individuelle Werte. Für viele Menschen liege die gefühlte Zufriedenheitsspanne umgerechnet zwischen 73.000 bis 100.000 Euro. Doch jenseits dieser Range verliere das Einkommen seine psychologische Wirkung.

Wenn das Kontrollbedürfnis überhand nimmt

Gerade im Business-Kontext – dort, wo Führungsverantwortung, strategische Entscheidungen und Reputationsrisiken aufeinandertreffen – wird das Verhältnis zwischen Geld und Glück besonders fragil. "Viele Menschen, die es weit gebracht haben, sind nicht durch Einkommenshöhe motiviert, sondern durch Gestaltungsspielräume und Einfluss", so Druyen. Geld werde nicht als Selbstzweck wahrgenommen, sondern als Infrastruktur für Effizienz, Geschwindigkeit und Autonomie.

Doch mit wachsendem Einfluss wächst häufig auch das Bedürfnis nach Kontrolle – über Prozesse, Märkte, Mitarbeiter. Dieses Kontrollbedürfnis, so Druyen, sei kein Nebeneffekt, sondern zentraler Bestandteil der Vermögenspsychologie. Was nach unternehmerischem Handeln aussieht, kann mitunter ein Versuch sein, existenzielle Unsicherheiten zu überkompensieren. In dieser Dialektik liegt eine große Ambivalenz heutiger Führungsrollen.

Die neue Elite – digital, reich, entwurzelt?

Auffällig ist, dass sich die Wahrnehmung von Reichtum unter jungen Berufstätigen verändert. Der Zugang zu Vermögen ist durch Digitalisierung, Start-up-Kultur und Plattformökonomie entkoppelt von Alter und Herkunft. "Noch nie war es so einfach, in kurzer Zeit zu erheblichem Reichtum zu kommen – und noch nie so schwer, ihn kulturell einzuordnen", sagt Druyen.

Das Resultat: eine neue Elite, oft jung, technologisch brillant – aber orientierungslos im Umgang mit Status und Verantwortung. Werte wie Nachhaltigkeit, Transparenz oder soziale Gerechtigkeit spielen zwar rhetorisch eine Rolle, werden aber im Alltag nicht immer gelebt. In dieser Spannung entscheidet sich, wie zukunftsfähig eine Gesellschaft mit wachsenden Wohlstandsgefällen sein kann. 

Und wieviel verdienen Sie? Wenn es zwischen 73.000 und 100.000 Euro im Jahr sind, dann zählen Sie zu den zufriedensten Menschen - zumindest statistisch.

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