Werbung auf WhatsApp
Kommt jetzt der Exodus zu Signal?

| Natalie Oberhollenzer 
| 17.06.2025

Meta will auf WhatsApp künftig Werbung anzeigen, basierend auf Daten von Facebook und Instagram. Datenschützer sprechen von einem klaren Rechtsbruch - und dass Meta generell nicht mehr viel gibt auf die Vorgaben der EU. Dem Juristen Max Schrems zufolge könnte das Ganze einen positiven Impuls mit sich bringen - und Signal der große Gewinner sein.

Es war einst das Argument für WhatsApp: keine Werbung. Doch damit ist es nun endgültig vorbei. Meta, der Konzern hinter Facebook und Instagram, will in Kürze personalisierte Werbung auch in seinem Messenger-Dienst WhatsApp anzeigen – gespeist aus Nutzerdaten seiner anderen Plattformen. Zwar soll die Reklame vorerst nur im Status-Bereich und nicht in den Unterhaltungen ausgespielt werden. Doch die Betonung liegt eben einmal auf vorerst. Für Datenschützer ist das ein Frontalangriff auf geltendes EU-Recht.

Meta schafft sich mit diesem Strategiewechsel nicht nur neue Einnahmequellen, sondern festigt seine marktbeherrschende Stellung im Social-Networking-Sektor. Bereits beim WhatsApp-Kauf 2014 hatte die EU-Kommission eindringlich vor einer solchen "Verschmelzung" gewarnt – und den Deal dennoch freigegeben, wie sich Max Schrems vom Datenschutzverein noyb erinnert.

"Meta macht hier genau das Gegenteil von dem, was das EU-Recht vorschreibt", kritisiert der Jurist und Vorsitzende von noyb. "Die Daten mehrerer Plattformen werden verbunden und Nutzer:innen werden ohne echte Wahl für Werbung getrackt. Ohne freiwillige Einwilligung ist das ganz klar illegal."

"Pay or Okay": ein Geschäftsmodell am rechtlichen Abgrund?

Meta nutzt dabei ein umstrittenes Modell: Wer personalisierter Werbung widersprechen will, muss zahlen. Bei Facebook und Instagram kostet die werbefreie Nutzung aktuell 9,99 Euro pro Monat. Dieses sogenannte "Pay or Okay"-Modell wurde von der EU-Kommission bereits als unzulässig bewertet. Trotzdem bleibt Meta (wie ein Großteil anderer Netz-Anwendungen und Onlinemedien) bei der Praxis – und könnte sie nun auch auf WhatsApp ausweiten.

"Meta erreicht damit eine Einwilligungsrate von über 99 Prozent, obwohl nur 3 bis 10 Prozent der Nutzer:innen personalisierte Werbung wollen", so Schrems. "Das hat mit echter Freiwilligkeit nichts zu tun – es ist eine faktische Erpressung über Strafgebühren."

Sein Vergleich: Der Messenger-Dienst Signal kommt mit einem gemeinnützigen Budget von rund 50 Millionen Dollar pro Jahr aus – ohne Tracking und ohne Werbung.

Zahnloses EU-Recht

Rechtlich ist die Sache jedenfalls heikel: Der Digital Markets Act (DMA) der EU verpflichtet Tech-Giganten dazu, eine explizite Einwilligung einzuholen, bevor Nutzerdaten zwischen verschiedenen Diensten verknüpft werden. Auch die DSGVO verlangt eine freiwillige Zustimmung bei personalisierter Werbung. Doch Meta scheint diese Regelwerke zunehmend zu ignorieren.

"Die EU-Kommission und die nationalen Datenschutzbehörden haben die Pflicht, Bürger:innen vor der Nutzung ihrer Daten ohne Einwilligung zu schützen", sagt Schrems. "Meta ignoriert das aber seit Jahren. Strafen gibt es kaum – und die wenigen wurden nicht bezahlt. Stattdessen darf Meta nun endgültig auf Europa pfeifen."

EU wichtigster Markt für WhatsApp

Während WhatsApp in Meta's Heimatmarkt in den USA kaum genutzt wird, ist es im Rest der Welt sehr dominant. Der weltweit größte Markt für WhatsApp nach Kaufkraft ist dabei sicherlich die EU. Trotzdem scheint Meta seit der Wahl von Donald Trump endgültig seinen Kurs geändert zu haben und EU-Recht offen zu ignorieren. Offenbar habe Meta das Narrativ der Trump-Regierung übernommen, dass bestehendes EU-Recht ein illegitimes Handelshemmnis für US-Konzerne und "fast wie ein Zoll" sei, heißt es in einer Aussendung von noyb.

Der Verein kündigte an, auch gegen dieses neue Vorgehen rechtlich vorzugehen – abhängig von der konkreten Umsetzung durch Meta.

Hoffnung auf die große Wechselwelle

Die Datenschützer hegen die Hoffnung, dass neue Werbestrategie viele Nutzer:innen endgültig zum Wechsel bewegen könnte. "Metas Vorgehen ist vor allem ein Anreiz, um von WhatsApp zu Alternativen wie Signal zu wechseln", betont Schrems. "Signal funktioniert genauso gut, ist aber gemeinnützig und spendenfinanziert. Wir gehen davon aus, dass Werbung auf WhatsApp zum nächsten großen Exodus zu Signal führt."

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