"Der Abschwung ist in Deutschland angekommen": So managen deutsche Unternehmen Geopolitik und Inflation

| Alexander Schöpf 
| 22.11.2022

70 Prozent der Firmen planen laut "Deloitte CFO Survey", im kommenden Jahr verstärkt in Deutschland zu investieren.

Die Ballung verschiedenster Krisen – unter anderem durch Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise, Teuerungsrate – hat auch in Deutschland zum befürchteten wirtschaftlichen Abschwung geführt. Wie aber reagieren die Finanzvorstände deutscher Firmen auf die immens gestiegenen Kosten und Risiken, und welche Maßnahmen planen sie, um Ihr Business krisenresistenter zu gestalten? Diesen und weiteren wichtigen Fragen geht der "CFO Survey" von Deloitte in seiner Herbstausgabe nach und beleuchtet dabei insbesondere die Stimmung in den besonders betroffenen Branchen: im verarbeitenden Gewerbe sowie im Immobilienbereich.

"Der Abschwung ist in Deutschland angekommen, und mit ihm hat die Einstellungs- und vor allem Investitionsbereitschaft in Deutschland abermals gelitten – kein Wunder, schließlich gehen auch die Margen in Zeiten von Inflationssteigerung, Lieferkettenproblemen, Energiepreisen und Zinsanhebung zurück. Kostensenkungen sind jetzt mit Abstand Priorität Nummer eins für Unternehmen", sagt Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte und mitverantwortlich für den deutschen Teil der Studie.

Mehr Investitionen in Deutschland

Die geopolitischen Herausforderungen durch Pandemie und Ukraine-Krieg haben den Fokus für Investitionen weg von China in Richtung Deutschland und Europa gelenkt. "Geostrategische Faktoren werden wichtiger für die Standortentscheidungen von Unternehmen sowie ihrer Lieferketten und sollen laut unserer Befragung in Zukunft eine sehr viel prominentere Rolle in der Unternehmensstrategie spielen", so Börsch weiter.

Die stark gestiegenen Unsicherheiten infolge der geopolitischen Unwägbarkeiten wirken sich entsprechend auf die Lokalisierung der geplanten Investitionen aus – hin zu "Made in Germany" und "Friendshoring". So belegt der "CFO Survey" eine zunehmende Vorsicht deutscher Unternehmen bei Auslandsinvestitionen: Ein knappes Fünftel verschiebt seine Auslandsinvestitionen wegen der gegenwärtigen politischen Risiken.

Rund 70 Prozent der befragten Finanzvorstände planen, ihre Investitionen im kommenden Jahr verstärkt in Deutschland zu platzieren und somit Unsicherheiten infolge der geopolitischen Risiken und den damit einhergehenden Lieferkettenproblemen entgegenzuwirken. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus 2018 hat sich damit der Fokus für Investitionen weg aus China in Richtung Deutschland und Europa verschoben. Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise in Europa orientieren sich allerdings die energieintensiven Sektoren eher in Richtung USA.

Unternehmen begegnen Inflation mit unterschiedlichen Maßnahmen

Um mit plötzlichen Preissteigerungen umzugehen, nutzen Unternehmen verschiedene Strategien. Fast alle befragten CFOs (91 Prozent) beabsichtigen die erhöhten Kosten direkt durch höhere Preise an ihre Kunden weitergeben, vor allem die Branchen Automobil- sowie Transport & Logistik.

Firmenintern planen 77 Prozent der CFOs durch besseres Cash-Flow Management gegen die steigenden Preise vorgehen. Vor dem Hintergrund der rapide steigenden Energiepreise streben fast drei Viertel der Unternehmen bessere Energieeffizienz oder mehr Energieeinsparungen an. Diese Strategie ist vor allem für die Automobilbranche zentral, in welcher fast 90 Prozent der Teilnehmenden bessere Energieeffizienz als wichtig bzw. sehr wichtig einordnen, um mit den steigenden Preisen umzugehen.

Mehr Digitale Transformation in Finanzabteilungen nötig

Die extremen äußeren Herausforderungen offenbaren auch Schwächen in den Finanzabteilungen der Unternehmen. Insbesondere in Bezug auf den Reifegrad der Finanzfunktionen deutscher Unternehmen zeichnen die Ergebnisse des "CFO Survey" ein ernüchterndes Bild: Demnach geben rund drei Viertel der CFOs an, in der Finanzfunktionen die Potentiale der Digitalisierung noch nicht auszuschöpfen. Besonders innovative digitale Technologien, Datenmanagement und Analytics sowie neue Mitarbeiter- und Arbeitsplatzanforderungen fehlen hier.

Dadurch fühlen sich viele Finanzvorstände nur unzureichend auf die neuen Anforderungen vorbereitet - seien es globale Umbrüche, die Notwendigkeit einer Geschäftsmodelltransformation oder neue Mitarbeiteranforderungen. Infolgedessen sehen 73 Prozent unter den Befragten eine hohe oder sehr hohe Notwendigkeit, die Finanzfunktion schneller an sich rapide ändernde Anforderungen anzupassen.

Verarbeitendes Gewerbe leidet besonders

Die Geschäfts- und Konjunkturaussichten im verarbeitenden Gewerbe sind auf neuem Tiefststand angelangt. 60 Prozent der befragten Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe wollen ihre Investitionen verringern. Besonders düster schaut die Lage in der Chemieindustrie aus. Die andauernden Auswirkungen des Krieges und der Pandemie, zusammen mit dem einsetzenden wirtschaftlichen Abschwung und einem damit einhergehenden Sinken der Nachfrage setzen die Produktionskosten besonders im verarbeitenden Gewerbe unter Druck.

Ebenfalls bedrohlich ist der Fachkräftemangel, der die Lohnkosten im verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich in die Höhe treibt. Zugleich liegen die Pläne für Investition und Beschäftigung deutlich im negativen Bereich.

Immobilienwirtschaft mit mauen Geschäftsaussichten

Auch im Real-Estate-Sektor sind die Geschäftsaussichten auf Rekord-Tiefstand gefallen, die Erwartungen für die konjunkturelle Entwicklung sind deutlich pessimistisch - und sinken auf ein Rekordtief innerhalb der zehnjährigen Geschichte des CFO Survey. Das höchste Risiko erwächst hier aus der fehlenden Nachfrage, was die Unsicherheit im Markt weiter steigen lässt. Die nachlassende Inlandsnachfrage und die steigenden Zinsen aufgrund der Zinswende kommen zu den bestehenden Risikofaktoren - hohen Energiepreisen und Fachkräftemangel - hinzu.

Operative Margen wie auch Investitionspläne sind in diesem Bereich ebenfalls deutlich negativ, was sich in Kostensenkungen und Rückstellung von Investitionen bemerkbar macht. Die Erwartungen für die Beschäftigung bleiben jedoch noch positiv. Auch hier erwarten die CFOs, dass die Inflation über die nächsten Jahre hoch bleiben wird. Entsprechend dürften ihrer Ansicht nach auch die Löhne trotz wirtschaftlicher Unsicherheit steigen, jedoch eher unterproportional zur Inflationsentwicklung.

Alle Sektoren unter Druck

"Vor dem Hintergrund von Kaufkraftverlusten durch Inflation und Rezessionssorgen ist im Vergleich zum Frühjahr auch die schwächere Inlandsnachfrage ein wesentlich signifikanterer Risikofaktor geworden. Hinter dem Top-Risiko steigender Energiekosten, sind der Fachkräftemangel und steigende Löhne die wichtigsten Risiken, während die Gefahr steigender Rohstoffkosten dagegen etwas abgenommen hat", sagt Börsch. "Aus der Industrieperspektive betreffen die gestiegenen Energiekosten vor allem die Automobil-, die Chemie- und die Pharmaindustrie. Während geopolitische Risiken im Gesamtdurchschnitt an Bedeutung verloren haben, sind diese für Großunternehmen noch immer das Top-Risiko. Für eher Binnenmarkt-orientierte Sektoren, wie zum Beispiel Real Estate, ist die schwache Inlandsnachfrage das größte Risiko."

www.deloitte.de

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