LEADERSNET: Ihr Polit-Talk "Meinungsfreiheit" auf WELT TV erzielt bemerkenswerte Quoten – mit bis zu 4,7 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 59-Jährigen. Wie bewerten Sie die bisherige Resonanz?
Nena Brockhaus: Ich bin sehr dankbar, dass wir mit Meinungsfreiheit so durchstarten – im TV und digital. Fast jede Folge erzielt auf YouTube über 100.000 Views. Die Folge mit Ulf Poschardt hat die 300.000 Views geknackt. Dazu kommen noch die Clip-outs der Sendungen. Das ist eine Menge dafür, dass es meinen Polit-Talk erst seit Anfang November gibt. Auch in der WELT-Mediathek performen wir gut. Die Watchtime liegt bei zwölf Minuten.
LEADERSNET: "Meinungsfreiheit" verzichtet darauf, Themen vorzugeben – stattdessen bringen die Gäste eigene Thesen mit. Warum war Ihnen dieses offene, schwer kontrollierbare Konzept so wichtig?
Nena Brockhaus: Es verspricht maximale Freiheit. Wir geben unseren Gästen keine Thesen vor. Jeder bringt das Thema mit, das ihn bewegt. Dadurch entsteht eine besondere Dynamik. Was ich an meiner Sendung so liebe: In der Sendezeit wird teilweise hart gestritten, und danach sitzt man wieder freundschaftlich zusammen. Wir beleben damit die Stammtischkultur, die leider in unserem Land verloren gegangen ist.
LEADERSNET: Gab es eine Position, die Sie gezwungen hat, Ihre eigene Haltung zumindest zu überprüfen? Wie sind Sie damit umgegangen?
Nena Brockhaus: Der Austausch mit der Chefredakteurin von Finanzfluss, Mary Abdelaziz-Ditzow, ist immer gewinnbringend. Vor allem außenpolitisch hat sie eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Sie war kürzlich in meiner Sendung zu Gast, und ihre Äußerungen zu China haben mich sehr zum Nachdenken gebracht.
LEADERSNET: Ihr früherer Polit-Talk "Viertel nach Acht" bei BILD TV hatte ein ähnliches Konzept und war sehr erfolgreich. Was trägt Sie, wenn Sie etwas Neues beginnen?
Nena Brockhaus: Die Worte meines Vaters. Er sagte vor seinem Tod zu meiner Mutter, dass alles, was ich anpacke, zu Gold wird. Mit dieser Aussage hat er selbstverständlich hemmungslos übertrieben – so wie Eltern eben sind. Aber wenn ich heute ein neues Projekt starte, denke ich immer an seine Worte. Dass er so über mich gedacht hat, gibt mir ein ungeheures Selbstbewusstsein. Und ich bin sehr fleißig. Das habe ich von meinen Eltern. Wir glauben an das Leistungsglück.
LEADERSNET: Sie posten auch oft die Worte: "Qualität kommt von quälen."
Nena Brockhaus: Ja, weil ich davon überzeugt bin. Von nichts kommt nichts – so ehrlich muss man sein. Wir müssen endlich aufhören, den Menschen vorzugaukeln, dass sie jeden Tag um 16 Uhr zu Hause sein können und gleichzeitig die große Karriere hinlegen. Ich gebe mich niemals mit mittelmäßigen Ergebnissen zufrieden. Ich bin always on und mache so lange weiter, bis das Maximum erreicht ist. Mein letzter Buchverlag ist an mir verzweifelt, aber am Ende war mein Werk auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mir kam es während meiner Zwanziger komisch vor, wenn Menschen in meinem Alter samstags Zeit hatten, im Café zu sitzen. Es gab auch kaum eine Geburtstagsfeier, bei der ich vor 23 Uhr war. Mein Erfolgsrezept in drei Wörtern: Leidenschaft, Fleiß, Disziplin.
LEADERSNET: Es gibt Menschen, denen ein 9-to-5-Job lieber ist.
Nena Brockhaus: Natürlich. Jeder, wie er mag. Aber 9-to-5-Menschen passen nicht zu mir. Ab 2026 achte ich noch bewusster darauf, ausschließlich mit Menschen zusammenzuarbeiten, die bereit sind, die Extrameile zu gehen. Menschen, die fünf Tage für eine Antwort auf eine E-Mail brauchen, passen nicht zu mir. Denn ja, ich fordere mein Umfeld stark. Aber wer mit mir arbeitet, kann sich sicher sein, dass ich mir selbst am meisten abverlange. Ich kenne das Wort Feierabend nicht.
LEADERSNET: Diese Haltung zur Arbeit und Leistung ist eng mit Ihrer persönlichen Prägung verbunden. In der öffentlichen Debatte wird beruflicher Erfolg häufig entlang von Bildungs- oder Herkunftskategorien erzählt. Warum halten Sie diese Einordnungen für verkürzt?
Nena Brockhaus: Ich bin weder in einem klassischen Akademikerhaushalt aufgewachsen noch in einem sogenannten Arbeiterhaushalt. Meine Eltern haben beide nicht studiert und kein Abitur. Mein Vater war Handwerksmeister – Feinwerkmechanikermeister, um genau zu sein. Das ist mit meinem Bachelorabschluss gleichzusetzen. Seine Firma hat er gegründet, als ich zwölf Jahre alt war. Meine Mama ist Immobilienkauffrau und hat eine eigene Hausverwaltung.
Ich bin mit sehr vielen Büchern, Bildung und politischer Debatte aufgewachsen. Mein Studium wurde komplett bezahlt, und zum Einstieg in die Journalistenschule gab es erst einmal eine Armbanduhr – Marke Rolex. Deswegen mag ich diese Einordnung in "Akademikerhaushalt" und "Arbeiterhaushalt" auch nicht.
Was mich an dieser Debatte generell stört: Ein Akademiker ist doch nicht mehr wert als ein Handwerker. Das schwingt bei der Debatte aber leider immer mit. Es gibt Akademiker, die sich kaum um ihre Kinder kümmern, und Menschen ohne Studium, die ihre Kinder jeden Abend bei den Hausaufgaben unterstützen.
Wenn man aus meinem beruflichen Werdegang unbedingt eine soziale Aufstiegsgeschichte machen will, dann sollte man die Geschichte meines Vaters erzählen. Er hat den sozialen Aufstieg hingelegt, nachdem er mit 15 Jahren von der Hauptschule abging. Nicht ich.
LEADERSNET: Sie selbst haben Ihren Weg über eine Journalistenschule in den Journalismus gefunden – ohne dabei auf bestehende Kontakte in die Branche zurückgreifen zu können. Wie ist Ihnen dieser Einstieg gelungen?
Nena Brockhaus: Ich kannte mein Ziel. Ich wusste: Da will ich hin. Das will ich, koste es mich, was es wolle. Dass ich bereits mit dreizehn Jahren wusste, was ich beruflich machen möchte, empfinde ich als riesiges Geschenk. Ich wusste auch immer, welche Frau ich später einmal sein möchte, welches Leben ich führen will. Zu 90 Prozent ist auch alles exakt so eingetreten, wie ich es mir erträumt habe. So viele junge Menschen wissen nicht, was sie beruflich machen sollen, finden nichts, wofür sie wirklich brennen.
LEADERSNET: Welche zehn Prozent sind noch offen?
Nena Brockhaus: Ich bin sehr dankbar, dass mein beruflicher Traum mit meinem eigenen Polit-Talk wahr geworden ist. Aber klar: Zusätzlich würde mir die Moderation großer Preisverleihungen und Familienshows Freude bereiten. Ich wurde mit zehn Jahren für die Sat.1-Show "Kleine ganz groß" gecastet. So eine Familienshow würde ich lieben zu moderieren – da würde sich ein Kreis schließen.
Polit-Talk ist und bleibt aber meine große Liebe. Ich würde auch sehr gern vor der nächsten Bundestagswahl durchs Land reisen und mit den Menschen über die Lage der Nation sprechen. Mir sind die Handwerker in unserem Land familienbedingt viel näher als die Politiker. Ich fühle mich den Menschen, die jeden Tag um fünf Uhr morgens aufstehen und mit ihrem Butterbrot im Rucksack unser Land am Laufen halten, sehr verbunden.
LEADERSNET: Für WELT TV moderieren Sie bereits dreimal pro Woche "Meinungsfreiheit". Bliebe da noch Zeit?
Nena Brockhaus: Ich habe zum Glück sehr viel Energie. Aber selbstverständlich hat mein Polit-Talk bei WELT TV aktuell höchste Priorität. WELT TV ist auch einfach klasse. Ich liebe den Sender. Wir gehören unter den Nachrichtensendern an vielen Tagen zur Spitzengruppe und erzielen sehr hohe Marktanteile.
LEADERSNET: Sie haben in einem früheren Interview einmal gesagt, dass es für Sie entscheidend ist, für wen Sie arbeiten.
Nena Brockhaus: Das ist auch so. Ich habe in der Vergangenheit sogar einmal gekündigt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, für die damalige Chefredaktion tätig zu sein. Ich muss für die Chefredaktion brennen. Bei WELT TV schätze ich vor allem die Zusammenarbeit mit dem stellvertretenden Chefredakteur Johannes Böhning. Für ihn gibt es kein Für ihn gibt es kein "Ist halt so, war schon immer so," sondern nur ein "Wie machen wir es möglich?"
Ganz wichtig ist mir außerdem: Ich entscheide mit über alle Gäste meiner Sendung und lade auch selbst ein. Ich bin keine Sprechpuppe. Freunde bezeichnen mich oft als Wildpferd – das stimmt ein wenig. Ich kann mich schlecht unterordnen, neige zur Rebellion und brauche viel Freiheit. Deswegen schätze ich auch meine Selbstständigkeit so sehr. Eine Festanstellung kann ich mir nicht mehr vorstellen.
LEADERSNET: Wenn Menschen Sie beschreiben, fällt oft der Begriff stark. Sie wirken, als könne Sie nichts aus der Bahn werfen. Haben Sie Schwachstellen?
Nena Brockhaus: Der frühe Tod meines Vaters ist die größte. Dass er mit 60 Jahren Krebs bekam, ist die Tragödie meines Lebens. Ich würde allen Erfolg und alles, was ich besitze, eintauschen, wenn ich ihn dafür wiederbekommen könnte. Mit ihm wäre ich arbeitslos in einer Sozialwohnung glücklicher, als ich es heute bin. Für mich sind reiche Menschen nicht diejenigen, die in Villen leben, sondern diejenigen, deren Liebste gesund über 90 Jahre alt werden. Sein Tod ist bald zwei Jahre her, aber als mich ntv-Moderatorin Corinna Wohlfeil kürzlich nach unserer Live-Debatte mit Joe Kaeser darauf ansprach, schossen mir sofort die Tränen in die Augen. Er war mein Lebensmensch.
LEADERSNET: Die letzte Sendung des Jahres lief letzten Mittwoch. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die Weihnachtszeit?
Nena Brockhaus: Mit einem großartigen. Wir haben die Testphase erfolgreich abgeschlossen und kehren am 12. Januar zurück auf den Bildschirm. Die Weihnachtszeit gehört meiner Familie und meinen engsten Freunden. Sie sind mein Ruhepol. Ich freue mich auf lange Winterspaziergänge, Natur und viel Sport. Ich nutze die Zeit zwischen den Jahren immer, um das Jahr zu reflektieren.
LEADERSNET: Gibt es Wunschgäste für 2026? Und können Sie sich vorstellen, gezielt Menschen einzuladen, die gesellschaftlich relevant sind, aber sonst kaum eine Bühne bekommen?
Nena Brockhaus: Jan Josef Liefers ist mein absoluter Wunschgast. Kaum jemand steht für mich so sehr für gelebte Meinungsfreiheit wie er. Und ja, ich möchte unbedingt Menschen einladen, die gesellschaftlich relevant sind, aber sonst kaum eine Bühne bekommen. Das werden wir 2026 innerhalb unserer Redaktion verstärkt angehen.
LEADERSNET: Welche Schlagzeile wollen Sie 2026 über sich lesen?
Nena Brockhaus: "Brockhaus holt zehn Prozent Quote bei WELT TV.“ Kürzlich sagte eine sehr bekannte TV-Moderatorin zu mir: "Quoten sind relativ." Das klang, als seien ihre Quoten egal. Das ist bei mir anders. Ich greife morgens als Erstes zu meinem Handy und frage WELT-Talkchef Sebastian Vorbach, wie meine Quote war. Ich führe eine Excel-Tabelle, in der ich alle Werte eintrage – auch die der Konkurrenz. Sebastian tickt genauso. Er analysiert stets, wie sich die Quoten entwickelt haben und bei welcher These was funktioniert hat. Für uns ist eine Quote niemals relativ, sondern das Resultat unserer Arbeit.
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