Analyse zur Sterblichkeit
Lebenserwartung in Deutschland hängt vom Wohnort ab

| Redaktion 
| 17.08.2025

Die Lebenserwartung variiert in Deutschland erheblich – und das nicht zufällig. Während Männer in Baden-Württemberg im Schnitt fast 80 Jahre alt werden, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Sachsen-Anhalt deutlich darunter. Eine neue Analyse zeigt, wie tief das Ost-West-Gefälle tatsächlich ist – und warum es sich nicht so schnell schließen lässt.

Die Unterschiede in der Lebenserwartung von Männern in Deutschland sind eklatant – und Ausdruck langfristiger regionaler Ungleichgewichte. Eine aktuelle Auswertung der Bundesregierung verdeutlicht: Nicht alle Regionen profitieren gleichermaßen von medizinischem Fortschritt, Prävention und Wohlstand. Besonders zwischen dem wirtschaftsstarken Südwesten und dem strukturschwachen Osten zeigt sich ein deutlicher Abstand, der auch gesundheitspolitische Fragen neu aufwirft.

Regionale Unterschiede stärker denn je

Wie die Welt berichtet, ergibt sich laut einer parlamentarischen Anfrage der Linken ein frappierender Unterschied zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt: Laut einer parlamentarischen Anfrage der Linken ergibt sich ein frappierender Unterschied zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt: Männer im Südwesten erreichen im Schnitt 79,64 Jahre, während ihre ostdeutschen Pendants lediglich auf 75,49 Jahre kommen – ein Unterschied von über vier Jahren. Bei Frauen liegt die Differenz bei rund zwei Jahren. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum von 2021 bis 2023. Auch aktuelle Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bestätigen diese Kluft, die sich trotz Fortschritten in der medizinischen Versorgung nicht schließt. Experten sprechen inzwischen von einer verfestigten Ungleichheit im Zugang zu Gesundheitsleistungen.

Die Gründe für diese Unterschiede liegen nicht nur in der Infrastruktur, sondern auch in sozioökonomischen Realitäten. Während Baden-Württemberg über eine gut vernetzte medizinische Versorgung verfügt, kämpfen Teile Sachsen-Anhalts mit einem Ärztemangel und der Abwanderung junger Menschen. Diese Faktoren wirken sich auch indirekt auf die Lebenserwartung aus, etwa durch eingeschränkten Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen oder therapeutischer Nachsorge.

Keine Annäherung in Sicht

Pavel Grigoriev, Leiter der Forschungsgruppe Mortalität beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), sieht wenig Grund für Optimismus: "Bei den Männern scheinen die Trends zwischen diesen beiden Bundesländern auseinanderzugehen." Während es bei Frauen nach der Wiedervereinigung eine Phase der Angleichung gab, stagniert diese Entwicklung inzwischen. Für ein Aufschließen müsste die Lebenserwartung in Sachsen-Anhalt deutlich schneller steigen als im Südwesten – ein unrealistisches Szenario.

Grigoriev verweist zudem auf internationale Vergleichsstudien, laut denen Deutschland im europäischen Vergleich zwar insgesamt gut abschneidet, jedoch im innerstaatlichen Vergleich eine der größten regionalen Streuungen aufweist. Vor allem ländliche Gebiete in Ostdeutschland seien benachteiligt. Dabei spielt auch die Mobilität älterer Menschen eine Rolle: Wer kein Auto besitzt und weit entfernt von Fachärzten lebt, verzichtet häufiger auf medizinische Leistungen – mit langfristigen Folgen.

Ein Mix aus Bildung, Verhalten und Wirtschaft

Die Ursachen sind komplex: Unterschiede in Bildung, Lebensstil, Gesundheitsverhalten (z. B. Rauchverhalten, Ernährung), aber auch die wirtschaftliche Lage und medizinische Versorgung tragen zur Lücke bei. In Baden-Württemberg lag das Bruttoinlandsprodukt 2024 bei rund 650 Milliarden Euro – in Sachsen-Anhalt bei knapp 80 Milliarden. Diese Unterschiede schlagen sich auch im Gesundheitszustand nieder. Baden-Württemberg weist beispielsweise eine der niedrigsten rauchbedingten Sterblichkeitsraten in Deutschland auf.

Besonders kritisch sehen Experten die sozialen Determinanten der Gesundheit: Wer arm ist, hat nicht nur ein höheres Risiko für chronische Erkrankungen, sondern lebt laut Statistik auch kürzer. Bildung ist dabei ein Schlüsselfaktor – sowohl hinsichtlich des Gesundheitsverhaltens als auch bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Studien zeigen, dass Menschen mit höherem Bildungsabschluss seltener rauchen, sich häufiger bewegen und präventive Angebote besser nutzen.

Politisch wird das Gefälle zunehmend zum Thema. Janina Böttger, Bundestagsabgeordnete der Linken aus Sachsen-Anhalt, kritisiert: "Der Wohnort darf nicht über Lebenserwartung und Lebenschancen entscheiden." Sie fordert gezielte Investitionen in strukturschwache Regionen. Auch gesundheitspolitische Maßnahmen wie mobile Arztpraxen, regionale Gesundheitszentren und der Ausbau digitaler Versorgungsangebote wie Telemedizin könnten helfen, die Lücke zu verkleinern.

Der demografische Wandel könnte die Herausforderungen zusätzlich verschärfen: In Sachsen-Anhalt liegt der Anteil der über 65-Jährigen bereits heute deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Ohne gezielte Maßnahmen könnte sich die Lebenserwartungsschere in den kommenden Jahren weiter öffnen – mit erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Regionen.

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