LEADERSNET: LaMunt ist die jüngste Marke innerhalb der Oberalp-Gruppe. Wie kam es zur Gründung – war das ein strategischer Entschluss oder eher ein persönlicher Impuls?
Ruth Oberrauch: LaMunt ist mir in gewisser Weise "passiert". Das klingt vielleicht ungewöhnlich, aber es war kein lang geplanter Masterplan. Ich hatte nicht schon seit Jahren vor, eine neue Marke zu gründen oder ein female-centric Thema voranzutreiben. Vielmehr waren es zwei prägende Momente, die mich auf diesen Weg gebracht haben. Zum einen haben wir uns im Management intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich unsere Bergsportmarken – Salewa, Dynafit, Wild Country, Evolv und Pomoca – positionieren, aber vor allem voneinander differenzieren. In dieser Diskussion fiel mir auf: Keine der Marken ist mehr weiblich als männlich geprägt.
LEADERSNET: Was hat Ihnen in dem Moment gefehlt?
Ruth Oberrauch: Der Bergsport war lange männlich konnotiert – es ging ums Erobern, Durchhalten, Bezwingen. Aber mein eigenes Erleben in den Bergen, etwa mit Freundinnen auf Tour, sieht ganz anders aus. Ich hatte das Gefühl: Der Berg hat sich verändert, und wir Frauen sind anders und selbstbestimmt unterwegs.
Der zweite Auslöser war ganz konkret. Ich war mit meinem Mann auf Skitour – er verantwortete damals Salewa – und hatte eine technisch neue, funktional tolle Hose an. Aber sie war offensichtlich nicht für den weiblichen Körper gemacht. Ich sagte frustriert: "So ein großartiges Konzept – aber sie passt nicht." Seine Antwort: "Dann mach du’s besser." Das war der Startpunkt.
LEADERSNET: Was passierte nach diesem Aha-Moment – wie ging es konkret weiter?
Ruth Oberrauch: Ich habe erst einmal ganz intuitiv begonnen, meine Gedanken zu sammeln. Es gab ein Dokument auf meinem Laptop, in das ich immer wieder Ideen, Beobachtungen, persönliche Erfahrungen eingetragen habe. Irgendwann nahm das Ganze Form an – und ich hatte etwas, das einem Konzept oder einem ersten Businessplan ähnelte.
Ob das einmal eine eigenständige Marke werden würde, war zu dem Zeitpunkt noch völlig offen. Aber als ich meine Idee im Führungskreis vorgestellt habe, war die Reaktion überraschend eindeutig: "Ja, das stimmt. Gut beobachtet. Und ja – das machen wir. Aber bitte als eigenständige Marke." Damit hatte ich in dieser Klarheit selbst nicht gerechnet. Ich war im ersten Moment ehrlich gesagt überrumpelt…
LEADERSNET: Was genau macht LaMunt heute anders als andere Bergsport- oder Outdoor-Marken?
Ruth Oberrauch: LaMunt ist eine Marke, die von Beginn an weiblich gedacht wurde. Nicht im Sinne von Klischees, sondern mit einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse von Frauen – auf funktionaler, ästhetischer und emotionaler Ebene. Es geht darum, wirklich hinzuhören, wie sich Frauen in den Bergen bewegen, was sie brauchen und was ihnen wichtig ist.
Ein Beispiel: In einem unserer allerersten Workshops baten wir Frauen, ihre Lieblingshose und ein Stück mitzubringen, das für sie überhaupt nicht funktioniert. Immer wieder kam dabei das Thema unterer Rücken zur Sprache – eine Zone, die bei Frauen besonders empfindlich ist. Genau dort liegt der Rucksack auf, dort schwitzt man, dort kann es schnell ziehen.
Das ist ein Aspekt, über den im Designprozess sonst selten gesprochen wird – aber für die Nutzerin entscheidend ist. Wir haben darauf reagiert. Solche Lösungen entstehen nur, wenn man sich ganzheitlich und mit Empathie mit den Bedürfnissen der Zielgruppe auseinandersetzt.
LEADERSNET: Sie sprechen von Empathie und Austausch – wie genau bringen Sie die Perspektive Ihrer Kundinnen in die Marke ein?
Ruth Oberrauch: Was ursprünglich als einmaliger Workshop gedacht war, hat sich zu einem festen Bestandteil unserer Markenphilosophie entwickelt. Die LaMunt Crew ist eine Gruppe von rund 20 bis 25 Frauen, die ganz unterschiedliche Hintergründe, Körperformen, Lebensrealitäten und Zugänge zum Bergsport mitbringen. Wir treffen uns ein- bis zweimal im Jahr – physisch, nicht nur digital – und tauschen uns zu Themen aus, die uns als Marke beschäftigen. Aber oft bringen die Frauen auch ihre eigenen Fragen und Bedürfnisse mit ein. Es ist ein kreativer Dialog auf Augenhöhe.
LEADERSNET: An wen genau richtet sich LaMunt – welche Frauen haben Sie im Blick?
Ruth Oberrauch: Unsere Kundin ist in der Regel 30 plus, steht mit beiden Beinen im Leben, ist aktiv, stilbewusst und selbstbestimmt, achtsam, reflektiert und trifft ihre Entscheidungen bewusst. Sie sucht Kleidung, die nicht nur funktional ist, sondern auch stilvoll – die sie bei anspruchsvollen Touren im Gebirge genauso begleitet wie beim Spaziergang an der Isar oder auf Reisen.
Unsere Schnitte orientieren sich an einem erwachsenen, weiblichen Körper. Wir arbeiten mit weicheren Linien, legen großen Wert auf Bewegungsfreiheit und verwenden Materialien, die schmeicheln – nicht nur optisch, sondern auch im Tragegefühl. Das heißt nicht, dass jüngere Frauen LaMunt nicht tragen können – im Gegenteil: Auch Kolleginnen in ihren Zwanzigern tragen unsere Stücke mit Selbstverständnis und Stil.
Doch unser Markenkern richtet sich an Frauen, die wissen, wer sie sind, was sie wollen – und Wert auf Qualität, Haltung und eine bewusste Lebensweise legen. Deshalb sprechen wir ganz bewusst von "Women" – nicht von "Girls", wie es viele andere Marken in ihrer Kommunikation tun.
LEADERSNET: Die Schnitte sind durchdacht – auch funktional. Wie wichtig ist Ihnen Multifunktionalität?
Ruth Oberrauch: Ja, absolut. Wir beobachten deutlich, dass technische Kleidung heute nicht mehr nur für den Gipfel gedacht ist, sondern längst Einzug in den Alltag gehalten hat. Funktionalität endet nicht auf 3000 Metern – sie beginnt oft schon vor der Haustür. Unsere Kundinnen tragen ihre LaMunt-Jacke auf Skitouren genauso wie beim Stadtspaziergang, beim Reisen oder am Wochenende in den Bergen. Deshalb gestalten wir unsere Produkte so, dass sie vielseitig einsetzbar und mühelos kombinierbar sind – funktional, aber mit einer Ästhetik, die auch im urbanen Raum überzeugt.
Gleichzeitig verfolgen wir ein saisonunabhängiges Layering-Konzept: Unsere Teile bauen logisch aufeinander auf, ergänzen sich und lassen sich über mehrere Kollektionen hinweg kombinieren. Neue Farbwege werden immer so gedacht, dass sie sich auch mit Styles aus den vorhergehenden Saisonen kombinieren lassen. Denn das Leben – genau wie das Wetter – folgt längst keiner starren Saisonlogik mehr.
LEADERSNET: Ein großes Thema in der Mode: Nachhaltigkeit. Wie konkret leben Sie Nachhaltigkeit bei LaMunt?
Ruth Oberrauch: Für uns bedeutet Nachhaltigkeit vor allem Achtsamkeit. Wir haben das Konzept "LaMunt Cares" ins Leben gerufen – es steht für ein ganzheitliches, bewusstes Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Von der Materialwahl über die Produktion bis hin zur Kommunikation. Ich bin überzeugt davon, dass Nachhaltigkeit kein weit entferntes Ziel sein soll, von dem wir großen Respekt haben müssen, sondern vielmehr mit den Entscheidungen zu tun hat, die wir jeden Tag treffen.
Unser Anspruch ist es, uns Schritt für Schritt in die Richtung von zirkulären Lösungen zu bewegen. Wir verwenden bereits möglichst konsequent recycelte Materialien. In unserer Kollektion Fall/Winter 26 bestehen 89 Prozent der Produkte aus Stoffen mit mindestens 50 Prozent Recycling-Anteil. Das ist ein wichtiger Schritt – aber nicht immer so einfach, wie es anfänglich wirkt. Recycelte Fasern sind weniger kontrollierbar, oft teurer, technisch anspruchsvoller und nicht immer verfügbar.
Aber wir glauben, dass es sich lohnt, hier nicht den einfachsten, sondern den achtsamsten Weg zu gehen – auch wenn er steiniger ist. Zudem haben wir unser eigenes Isolationsmaterial entwickelt – ReMoca Pad –, das wir aus Abfällen unserer eigenen Produktion, von Pomoca Skitourenfellen, produzieren. Ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Zirkularität.
LEADERSNET: Sie haben einen Store im Zentrum Münchens eröffnet. Wie wichtig ist für LaMunt der direkte Kontakt zur Kundin?
Ruth Oberrauch: Der Store in München ist derzeit unser einziger eigener Laden – und für uns ein wichtiger Ort der Begegnung. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, nicht nur ein Geschäft zu eröffnen, sondern aus unserem ersten Store einen Community Place zu machen. Wir setzen bewusst nicht auf große Expansion, sondern auf Qualität und direkten Kontakt. Gleichzeitig bauen wir den E-Commerce aus – aktuell macht er rund 12 Prozent unseres Umsatzes aus, mit steigender Tendenz.
Was uns besonders freut: Der Traffic auf unserer Website wird zunehmend organisch. Das zeigt, dass sich ein echtes Interesse entwickelt, und dass Menschen nicht nur über Ads kommen, sondern gezielt nach LaMunt suchen. Das ist ein gutes Zeichen – und für uns Ansporn, diesen Weg weiterzugehen.
LEADERSNET: Sie sind nicht nur Gründerin von LaMunt, sondern auch Teil des Executive Boards der Oberalp-Gruppe. Wie koordinieren Sie diese unterschiedlichen Rollen?
Ruth Oberrauch: Das ist in der Tat eine Herausforderung – aber auch eine Bereicherung. Ich verantworte in meiner Rolle als Vice President die Bereiche HR, Organisation und Nachhaltigkeit auf Gruppenebene. Gleichzeitig bin ich als Brandmanagerin für LaMunt zuständig. Aktuell würde ich sagen, etwa ein Drittel meiner Zeit widme ich LaMunt, zwei Drittel entfallen auf die anderen Aufgaben. In der Anfangsphase war es genau umgekehrt – da war LaMunt fast mein kompletter Fokus. Heute trägt das Team die Marke sehr stark mit – was mir erlaubt, auch die strategischen Themen innerhalb der Gruppe mit voller Aufmerksamkeit zu begleiten.
LEADERSNET: Apropos Team – auch Ihr Mann ist Teil des Führungsteams. Wie gelingt es Ihnen, Berufliches und Privates zu trennen – oder bewusst zu verbinden?
Ruth Oberrauch: Das ist ein großes Thema – und eines, das man lernen muss. Mein Mann ist bei uns in der Oberalp-Gruppe Chief Sales Officer und verantwortet den internationalen Vertrieb über alle Marken und Kanäle. Am Anfang unserer Beziehung waren wir sehr diszipliniert und haben strikt zwischen Privatem und Beruflichem getrennt.
Das hat sich mit der Zeit und der wachsenden Verantwortung etwas aufgelockert. Heute haben wir eine gute Lösung gefunden: Wenn wir zu Hause ein Arbeitsthema besprechen möchten – etwa beim Kochen – fragen wir kurz: "Ich hätte noch ein Thema aus dem Büro – passt das gerade?" Und der andere sagt dann offen "ja" oder "lieber nicht". Dieses kleine Check-in funktioniert erstaunlich gut.
LEADERSNET: Sie sind Tochter des Gründers der Oberalp-Gruppe. Wie hat Sie das Unternehmertum geprägt?
Ruth Oberrauch: Bei uns zu Hause war das Unternehmen nie allgegenwärtig – zumindest nicht in meiner Kindheit. Meine Mutter ist Psychologin, sie war nicht operativ im Unternehmen tätig, aber sie hat sehr bewusst darauf geachtet, dass unser Familienleben nicht vom Geschäft überlagert wird. Gerade am Küchentisch herrschte da eine klare Trennung. Ich erinnere mich aber gut daran, wie ich mit 13 oder 14 angefangen habe, Fragen zu stellen – weil ich neugierig wurde, weil ich verstehen wollte, was mein Vater eigentlich genau macht.
LEADERSNET: Sie treffen wichtige Entscheidungen sowohl für Ihre eigene Marke als auch für die gesamte Unternehmensgruppe. Sind Sie eher ein Bauchmensch oder eine strukturierte Strategin?
Ruth Oberrauch: Ich bin definitiv ein Bauchmensch – aber einer, der sein Bauchgefühl gerne mit Zahlen und Struktur unterfüttert. Ich treffe Entscheidungen oft in einem ersten Impuls intuitiv, aber dann lege ich mir das Gerüst zurecht. Ich plane gerne weit voraus, strukturiere, formuliere klare Ziele.
LEADERSNET: LaMunt wurde als Marke für Frauen gedacht: Was bedeutet für Sie Female Empowerment – am Berg, aber auch im Unternehmen?
Ruth Oberrauch: Ich sehe mich nicht als Missionarin. Ich habe das Privileg, viel mitentscheiden zu dürfen. Dieses Privileg möchte ich nutzen, um anderen Frauen Mut zu machen. Am Berg bedeutet das für mich: nicht schneller, höher, weiter – sondern bewusster, klarer, selbstbestimmter unterwegs zu sein.
LEADERSNET: Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken: Wo möchten Sie LaMunt dann sehen?
Ruth Oberrauch: Mein Wunsch ist, dass LaMunt in zehn Jahren als die Community-Marke für Frauen im Outdoorbereich wahrgenommen wird. Wenn jemand fragt: "Was ist LaMunt?", dann soll die Antwort lauten: "Das ist die Marke, die Frauen nicht nur anzieht, sondern stärkt und den Bergsport für Frauen mitgestaltet." Wenn uns das gelingt, bin ich sehr zufrieden.
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