EU-Hotellerie verklagt Buchungsplattform
Milliardenklage gegen Booking.com: Zehntausende Hotels fordern Entschädigung

| Redaktion 
| 04.08.2025

Booking.com steht unter massivem juristischem Druck: Zehntausende Hotels in Europa wollen den US-Konzern wegen unzulässiger Preisbindung verklagen. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das sogenannte Bestpreisklauseln als rechtswidrig einstufte. Jetzt fordern die Betroffenen Schadensersatz in Milliardenhöhe.

Europas Hotellerie macht mobil gegen Booking.com. Mehr als 10.000 Hotels haben sich zu einer Sammelklage gegen die Plattform zusammengeschlossen. Ihr Vorwurf: Über zwei Jahrzehnte hinweg habe das US-Unternehmen sie durch sogenannte Bestpreisklauseln gezwungen, ihre Zimmer auf der eigenen Website nicht günstiger anzubieten als über Booking.com. Diese Praxis wurde im Herbst 2024 durch den Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt. Die Hotels beklagen, durch diese Praxis nicht nur wirtschaftlich geschwächt, sondern auch in ihrer Preishoheit systematisch eingeschränkt worden zu sein.

Klage mit Rückendeckung aus Brüssel

Unterstützt wird die Klage von der Hotel Claims Alliance, koordiniert durch den Hotelverband Hotrec sowie mehr als 30 nationale Branchenvertretungen, darunter auch der Hotelverband Deutschland (IHA). Die Klage wird in den Niederlanden eingereicht, dem Sitz von Booking.com. Die juristische Basis liefert der Digital Markets Act, der marktbeherrschende Plattformen wie Booking.com in ihre Schranken weisen soll. Die neue EU-Gesetzgebung stärkt gezielt kleinere Marktteilnehmer und soll für fairen Wettbewerb sorgen.

Laut Hotrec-Präsident Alexandros Vassilikos gehe es um mehr als Geld: "Europas Hoteliers haben lange unter unfairen Bedingungen gelitten. Die Klage ist ein Signal gegen missbräuchliche Praktiken auf dem digitalen Markt." Vassilikos betont, dass man ein Exempel statuieren wolle, um die Rechte kleiner und mittelständischer Beherbergungsbetriebe langfristig zu stärken.

20 Jahre Marktverzerrung

Ziel ist die Entschädigung für wirtschaftliche Nachteile aus dem Zeitraum 2004 bis 2024. Die Hoteliers sehen sich um direkte Einnahmen, Margen und Preishoheit gebracht. Laut Branchenschätzungen könnte sich der Schaden im Milliardenbereich bewegen. "Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten und Wiedergutmachung zu fordern", erklärt Alessandro Nucara, Generaldirektor des italienischen Hotelverbands Federalberghi. Wegen des großen Interesses wurde die Anmeldefrist für weitere Kläger bis zum 29. August verlängert.

Die koordinierte Klageinitiative ist für viele Beteiligte auch Ausdruck eines tiefgreifenden Strukturwandels in der Branche. In den vergangenen Jahren sei es zunehmend schwieriger geworden, als einzelner Betrieb gegen die Marktmacht internationaler Plattformen anzukommen. Genau an dieser Stelle setze das kollektive juristische Vorgehen an, heißt es seitens Hotrec.

Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis lag der Marktanteil von Booking Holdings, dem Mutterkonzern von Booking.com, im Jahr 2023 europaweit bei 71 Prozent. In Deutschland betrug er sogar 72,3 Prozent. Parallel sank der Anteil von Direktbuchungen kontinuierlich. Der Trend zur Plattformabhängigkeit wurde durch aggressive Provisionsmodelle und algorithmusgesteuerte Sichtbarkeit auf Buchungsseiten verstärkt.

Booking.com bleibt umstritten

Trotz der massiven Kritik bleibt die Plattform für viele Hotels ein essenzieller Vertriebskanal. Insbesondere kleinere Betriebe sind auf die Reichweite angewiesen. Die Beziehung zwischen Hotellerie und Plattform ist daher komplex: wirtschaftlich notwendig, strukturell angespannt.

Viele Hoteliers berichten über mangelnde Transparenz bei der Preisgestaltung und unklare Kriterien für die Listung auf den vorderen Plätzen. Hinzu kommt, dass viele Häuser gezwungen sind, exklusive Angebote für die Plattform zu schnüren, um im Wettbewerb sichtbar zu bleiben – ein weiteres Argument der Kläger für die Notwendigkeit eines gerichtlichen Vorgehens.

Wie das ZDF berichtet, sind unter den Klägern nicht nur Mittelstands- und Familienbetriebe, sondern auch große Ketten. Diese breite Beteiligung verleiht der Klage eine besondere Schlagkraft, zumal die Hotellerie sonst selten geschlossen auftritt.

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