KBA-Daten zeigen Trendwende
Autofahren erlebt in Deutschland unerwartetes Comeback

Fünf Jahre lang fuhr Deutschland immer weniger Auto – doch nun kehrt sich der Trend überraschend um. Neue Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts zeigen: Die Pkw-Fahrleistung steigt wieder, angetrieben durch einen wachsenden Fahrzeugbestand. Der Benzinverbrauch legt zu, während der Diesel weiter an Boden verliert. Was bedeutet das für die angestrebte Verkehrswende?

Autofahren erlebt in Deutschland ein bemerkenswertes Comeback: Zum ersten Mal seit 2018 steigt die Gesamtfahrleistung der zugelassenen Pkw wieder. Wie aus aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts hervorgeht, legten diese 2024 rund 594 Millionen Kilometer zurück – ein Plus von drei Millionen gegenüber dem Vorjahr. Bemerkenswert: Die durchschnittliche Jahresfahrleistung pro Auto sinkt dennoch leicht. Das Wachstum basiert auf der Zunahme der Fahrzeuganzahl, nicht auf einer intensiveren Nutzung einzelner Fahrzeuge. Die Verkehrswende scheint damit vor einer neuen Realität zu stehen – die Entkopplung von politischen Zielsetzungen und realem Verhalten ist größer denn je.

Mobilität in Bewegung: Mehr Fahrzeuge, mehr Strecke

Der neuerliche Anstieg der sogenannten Inländerfahrleistung – also jener Kilometer, die in Deutschland zugelassene Fahrzeuge im Inland zurücklegen – bedeutet eine Trendwende. Zwischen 2018 und 2023 war die Zahl kontinuierlich gesunken. 2024 nun ein Plus von drei Millionen Kilometern. Interessant: Die durchschnittliche Jahresfahrleistung pro Pkw fiel dennoch leicht auf 12.309 Kilometer.

Der Grund für den Anstieg liegt im Fahrzeugbestand, nicht im Fahrverhalten. Deutschland verzeichnet mehr zugelassene Fahrzeuge denn je. Damit wird die Infrastruktur – wie Straßen, Brücken und Parkflächen – erneut stärker belastet. Auch der Ressourcenverbrauch nimmt zu, was die Debatte um nachhaltige Mobilität befeuert. Kritiker:innen warnen davor, dass die Verkehrspolitik zu stark auf symbolische Maßnahmen statt auf strukturelle Veränderungen setze. Zudem steigt durch die hohe Zahl an Fahrzeugen auch die Verkehrsbelastung in urbanen Räumen, was sich zunehmend negativ auf Lebensqualität, Luftreinheit und Lärmemissionen auswirkt.

Ein wachsender Fahrzeugbestand bedeutet zudem steigenden Bedarf an Wartung, Reparatur und Ersatzteilen – ein wirtschaftlicher Impuls für die Automobilzulieferindustrie, aber auch eine Belastung für Umweltressourcen. Städte und Gemeinden stehen unter Druck, den Anforderungen der wachsenden Mobilitätsflotte gerecht zu werden – sei es durch neue Parkraumkonzepte, Ausbau des ÖPNV oder digitale Verkehrslenkung.

Benzin legt zu, Diesel verliert

Ein deutlicher Fingerzeig auf den Wandel: Der Benzinabsatz ist laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle um 2,1 Prozent gestiegen und lag bei 17,7 Millionen Tonnen. Im Gegensatz dazu sank der Dieselabsatz um 3,3 Prozent auf 32,2 Millionen Tonnen. Hintergrund dürfte die veränderte Fahrzeugnutzung sein: Während Diesel-Pkw bei Vielfahrer:innen weiterhin eine Rolle spielen (Durchschnitt: 16.984 km), wurden Benziner 2024 im Schnitt nur 9.555 Kilometer bewegt.

Elektroautos und alternative Antriebe sind in den Zahlen des KBA zwar enthalten, werden aber nicht gesondert ausgewiesen. Ihre Marktanteile wachsen, aber noch nicht in einem Ausmaß, das die Gesamtstatistik prägt. Dennoch lassen sich Tendenzen erkennen: Die Zulassungszahlen von E-Fahrzeugen steigen kontinuierlich, insbesondere im urbanen Raum. Gleichzeitig gibt es Herausforderungen bei der Ladeinfrastruktur, Reichweitenangst bleibt ein Thema, und der Ausbau erneuerbarer Energien kommt nur schleppend voran.

Hinzu kommt: Viele E-Autos ersetzen nicht ältere Verbrenner, sondern werden als Zweit- oder Drittwagen angeschafft. Das schmälert ihren Beitrag zur CO₂-Reduktion deutlich. Der ökologische Fußabdruck bleibt relevant – vor allem, wenn Strommix und Nutzungsmuster nicht konsequent nachhaltig gestaltet werden.

Gesellschaftlicher Rückschritt oder statistische Normalisierung?

Ein weiteres spannendes Detail: Auch Motorräder und Nutzfahrzeuge verzeichneten 2024 stagnierende oder leicht rückläufige Kilometerleistungen. Letztere lagen bei rund 102 Millionen Kilometern. Damit bleibt der Pkw das dominierende Verkehrsmittel auf Deutschlands Straßen. Motorräder kamen auf rund zehn Millionen Kilometer, was auf saisonale Nutzung und begrenzte Alltagsrelevanz schließen lässt.

Ob sich daraus eine nachhaltige Trendumkehr ergibt oder eine kurzzeitige Normalisierung nach Corona und Energiekrise, bleibt offen. Wie das Handelsblatt berichtet, könnten auch gesellschaftliche und infrastrukturelle Verwerfungen wie Wohnraummangel, Homeoffice-Veränderungen und überfüllte ÖPNV-Systeme eine Rolle spielen. Gerade in ländlichen Regionen bleibt das Auto oft alternativlos – und der Wunsch nach individueller Mobilität tief verankert.

Entscheidend wird sein, ob Politik und Wirtschaft auf diesen Trend mit nachhaltigen, realitätsnahen Maßnahmen reagieren. Ein reines Hoffen auf den Durchbruch der Elektromobilität dürfte nicht ausreichen. Vielmehr bedarf es gezielter Anreize, verbesserter Infrastruktur und konsequenter Urbanisierungsstrategien, um das Mobilitätsverhalten langfristig zu beeinflussen.

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