Finanz, Energie, Versicherungen betroffen
Statistisches Bundesamt: Millionen Beschäftigte leisten unbezahlte Überstunden

Mehrarbeit ist für viele Arbeitnehmer:innen in Deutschland längst zur Normalität geworden – doch nicht jede Stunde wird bezahlt. Besonders betroffen sind Angestellte in der Finanzwelt, der Energieversorgung sowie Beschäftigte mit hoher Wochenarbeitszeit. Das zeigen neue Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Rund 4,4 Millionen Erwerbstätige in Deutschland haben im Jahr 2024 mehr gearbeitet als vertraglich vereinbart – teils erheblich. Besonders alarmierend: Fast jede:r Fünfte arbeitete dabei unbezahlt. Die Daten des Statistischen Bundesamts zeichnen ein differenziertes Bild je nach Branche und Geschlecht.

Finanz-, Versicherungs- und Energiebereich an der Spitze

Überstunden gehören in manchen Wirtschaftszweigen mittlerweile zum Alltag. Besonders stark betroffen sind die Finanz-, Versicherungs- und Energiebranche: In diesen Bereichen gab jeweils rund jede:r Sechste an, im Jahr 2024 regelmäßig Mehrarbeit geleistet zu haben. Diese Branchen zeichnen sich durch hohe Verantwortungsgrade und enge Terminketten aus – Faktoren, die erfahrungsgemäß zu einem erhöhten Arbeitszeitvolumen führen.

Deutlich geringer fällt der Anteil in klassisch serviceorientierten Bereichen aus: Im Gastgewerbe etwa leisteten laut Mikrozensus lediglich 6 Prozent der Beschäftigten Überstunden. Auch in der Gruppe der wirtschaftlichen Dienstleistungen – etwa Reinigungs- oder Sicherheitsdienste – ist der Anteil mit 8 Prozent vergleichsweise niedrig. Der Grund: Viele dieser Tätigkeiten unterliegen streng geregelten Schichtsystemen.

Wer viel leistet, wird nicht immer entlohnt

Nicht nur die Häufigkeit, auch das Ausmaß der Mehrarbeit variiert stark. Zwar leisteten 45 Prozent der Betroffenen weniger als fünf Überstunden pro Woche – bei 15 Prozent waren es jedoch mindestens 15 Wochenstunden zusätzlich. Besonders besorgniserregend ist der Umstand, dass ein erheblicher Teil dieser Arbeit unbezahlt bleibt.

Rund 19 Prozent der Überstunden wurden im Jahr 2024 nicht vergütet. Damit arbeiteten fast 850.000 Personen in Deutschland regelmäßig über ihre vertraglich vereinbarte Zeit hinaus, ohne eine finanzielle oder zeitliche Kompensation zu erhalten. Zum Vergleich: Nur 16 Prozent erhielten eine direkte Vergütung, während 71 Prozent auf ein Arbeitszeitkonto zurückgriffen. Diese Konten sollen laut Statistischem Bundesamt als flexibles Instrument zur Arbeitszeitregulierung dienen – sie verdecken jedoch oft die strukturelle Dauerbelastung.

Männer leisten mehr Überstunden – Frauen häufiger unbezahlt

Ein Blick auf die Geschlechterverteilung zeigt: Männer waren 2024 mit einem Anteil von 13 Prozent häufiger von Mehrarbeit betroffen als Frauen (10 Prozent). Eine differenzierte Betrachtung der Vergütung offenbart jedoch eine andere Dimension: Frauen leisten einen überproportional hohen Anteil unbezahlter Überstunden, insbesondere in Teilzeitmodellen oder in Berufen mit geringer Tarifbindung.

Dabei handelt es sich keineswegs um Einzelfälle: Laut Ersterhebung des Mikrozensus bezog sich die Analyse auf rund 39,1 Millionen abhängig Beschäftigte ab 15 Jahren. Unbezahlte Mehrarbeit ist damit kein Randphänomen – sondern ein strukturelles Problem, das sowohl wirtschaftliche als auch gesundheitliche Folgen nach sich zieht.

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