Offenes Interview
Hunter Biden über Drogen, George Clooney, seinen Vater, Trump und Epstein

| Redaktion 
| 23.07.2025

Er filmte sich beim Drogenkonsum, verlor empfindliche Daten, hinterzog Steuern und wurde doch begnadigt – von seinem Vater, dem damaligen Präsidenten der USA. Nun hat Hunter Biden über die Gefahren der Sucht oder den Wendepunkt im demokratischen Wahlkampf gesprochen. Manche glauben, dass sich der "junge" Biden dabei nicht etwa trotz, sondern gerade wegen seiner unverblümten Präsentation für eine Präsidentschaftskandidatur in Position bringen könnte.

Hunter Biden, der 55-jährige Sohn des 46. US-Präsidenten Joe Biden, ist eine der kontroversesten "Nebenfiguren" im amerikanischen Politikgeschehen der letzten Jahre: Seit dem mutmaßlichen Fund eines Laptops mit sensiblen Daten werden ihm Verstrickungen in durch Bevorteilung entstandene Geschäfte in der Ukraine und China zur Last gelegt; bis zum heutigen Tag erwähnt der amtierende Präsident Donald Trump den undurchsichtigen Skandal gern in seinen Reden.

Darüber hinaus wurde Hunter Biden wegen illegalem Waffenbesitz und Steuerhinterziehung angeklagt, da er eine fällige Summe von etwa 1,4 Millionen US-Dollar nicht entrichtet haben soll. Gleichzeitig gibt es durch den besagten Daten-Leak zahlreiche Bilder und Videos aus Bidens privatem Fundus, die seinen exzessiven Lebensstil zu dieser Zeit dokumentieren - mit Alkohol, Crack und Prostituierten als wiederkehrendem Motiv.

Umstrittene Begnadigung durch den eigenen Vater

Für die Anklagepunkte hätte Hunter Biden im schlimmsten Fall eine langjährige Haftstrafe geblüht; die Verkündung war für den Dezember 2024 angedacht. Kurz vorher begnadigte Joe Biden seinen Sohn jedoch, obwohl er zuvor mehrfach zugesagt hatte, genau das nicht tun zu wollen.

Die Begnadigung umfasst alle Straftaten auf Bundesebene, die Hunter Biden zwischen 2014 und 2024 begangen haben könnte – also nicht nur die zur Anklage gebrachten, sondern ausnahmslos sämtliche Verbrechen, die in diesem Zeitraum womöglich stattgefunden haben.

Joe Biden begründete die Begnadigung damit, dass sein Sohn ungerecht von der Justiz behandelt worden sei und die Anklagen politisch motiviert waren, um ihn und seine Familie anzugreifen. Er zeigte sich überzeugt, dass Hunter nur wegen seiner Verbindung zum Präsidenten verfolgt wurde. Für Republikaner war die Begnadigung politisch gesehen ein gefundenes Fressen; auch im demokratischen Lager konnte der Schritt keinesfalls geschlossen verteidigt werden.

Im Garten mit Channel 5

Nachdem zuletzt vor allem über Hunter Biden geredet wurde, hat sich der Sohn des Ex-Präsidenten nun selbst zu zahlreichen Sachverhalten geäußert. Interessant ist dabei seine Wahl der Plattform: Bei Channel 5 with Andrew Callaghan handelt es sich um einen YouTube-Kanal mit derzeit etwa 3,16 Millionen Abonnenten, die dort vor allem Content zu sozialen Problemen innerhalb der USA bekommen. Häufig stehen gesellschaftliche Außenseiter dabei im Mittelpunkt.

Warum sich Hunter Biden wohl gegen einen Termin mit einer erprobten Institution aus den Mainstream-Medien entschieden haben könnte, liegt schnell auf der Hand: Das oben eingebettete Gespräch mit Andrew Callaghan dauert über drei Stunden, enthält laut dieser Analyse 74 Mal eine Variante des Wortes "fuck" und behandelt darüber hinaus einige Themen, die keinesfalls für alle Ziel- und Altersgruppen geeignet scheinen.

So spricht Hunter Biden unter anderem über…

... Abhängigkeit und den Unterschied zwischen Crack und Kokain

Biden gibt an, seit mehreren Jahren drogenfrei zu sein und macht mit 55 in der Tat einen gesünderen Eindruck als in seinen wilden 40ern. "Ich trank so viel Alkohol; fast eine Flasche Vodka am Tag. Alkohol ist die destruktivste Droge überhaupt, nicht nur gegenüber dem Körper – sie bringt Dich in mehr Gefahr als jede andere Droge, die ich erlebt habe. Und obendrauf das Crack, das ich konsumiert habe. Dabei ist Crack selbst nicht einmal so gefährlich wie die Situationen, in die man sich begibt, um es zu bekommen", schildert er.

Als er gefragt wird, wie er sich Crack beschafft hat, sagt Biden, dass er "anderen Idioten wie mir, die das für eine gute Idee halten könnten", keine Anleitung liefern will. Um sich eben nicht mehr in zwielichtige Beschaffungssituationen begeben zu müssen, habe er damals angefangen, es selbst herzustellen.

"Der einzige Unterschied zwischen Kokain und Crack ist Natriumhydrogencarbonat, Wasser und Hitze", unterstreicht er – die Wirkung sei allerdings grundverschieden. "Ich spreche nur sehr ungern in einer euphorischen Weise von Crack, weil ich allein die Erfahrung dieser euphorischen Erinnerung scheue. So eine Macht hat diese Droge", zeigt er sich nachhaltig negativ beeindruckt.

"Das Rauchen von Zigaretten macht so süchtig, weil es drei wichtige Dinge vereint: Es formt eine Gewohnheit, es ist mit oraler Fixierung verbunden und es wird ritualisiert. Crack ist dasselbe, aber wie auf Steroiden", warnt Biden vor der Droge, die er als "heimtückisch" bezeichnet.

... George Clooney und die Absetzung von Joe Biden

George Clooney, ein langjähriger Unterstützer der Demokraten und Joe Bidens, wandte sich im Sommer letzten Jahres öffentlich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des damaligen Amtsinhabers. In einem vielbeachteten Gastbeitrag in der New York Times forderte er Biden auf, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen und argumentierte, dass er aufgrund seines Alters und eines desaströsen Auftritts in der TV-Debatte gegen Donald Trump nicht mehr in der Lage sei, die Wahl zu gewinnen.

"Scheiß auf ihn und jeden in seinem Umfeld", macht Hunter Biden unmissverständlich klar. "Ich muss nicht mehr nett sein. Ich stimme Quentin Tarantino zu: George Clooney ist kein Schauspieler, sondern eine Marke. Und Gott schütze ihn, scheinbar behandelt er seine Freunde wirklich gut, verstehst Du? Er kauft ihnen Sachen. Er hat ein wirklich tolles Haus in Lake Como und ist eng mit Barack Obama befreundet."

Quasi direkt an Clooney gerichtet sagt Biden: "Welches Recht hast Du, auf einem Mann herumzutrampeln, der 52 Jahre seines Lebens in den Dienst dieses Landes gestellt hat, und zu beschließen, eine ganzseitige Anzeige in der verdammten New York Times zu schalten, um den Präsidenten zu untergraben?" 

Hunter Biden wertet es als großen Vorteil der derzeitigen Republikaner, dass sie deutlich geeinter auftreten würden als die Demokraten. Spricht er von der blauen Partei, benutzt er trotz der Kritik am Umgang mit Joe Biden weiter Wörter wie "wir" uns "uns" und behauptet, dass die Präsidentschaft seines Vaters die erfolgreichste seiner eigenen Lebzeit war.

Doch nachdem Clooney "den Segen des Obama-Teams" erhalten habe, hätte man begonnen, das eigene Urteil über das eines Mannes zu stellen, der "mehr Stimmen erhalten hat als jeder andere Präsident, der jemals kandidiert hat".

... Donald Trump und den Epstein-Skandal

Hunter Biden betont in einem Interview-Nachtrag für Patreon-Supporter von Channel 5, dass er es verabscheuen würde, eine weitere Verschwörungstheorie zu befeuern, da diese "destruktiv für das gesamte kulturelle Gefüge" seien. Er selbst wisse zur Causa Epstein und der genauen Verbindung zu Donald Trump nichts Handfestes und könne sich deshalb "nur auf das verlassen, was andere Leute sagen".

Er verweist auf Ockhams Rasiermesser; also darauf, dass die einfachste Erklärung meist wahr ist. Heißt hier: "Es steht außer Frage, das Donald Trump und Jeffrey Epstein für lange Zeit eng befreundet waren. Sie haben enorm viel Zeit miteinander verbracht. Sie haben enorm viel Zeit gemeinsam mit jungen Frauen zusammen verbracht, wie er [Trump] selbst gesagt hat", fasst Biden zusammen. Andrew Callaghan wirft ein, dass es mehr gemeinsame Bilder von Trump und Epstein als von ihm mit seiner Großmutter gebe.

Biden kritisiert Trumps berüchtigte Wortwahl nach der Verurteilung der Epstein-Komplizin Ghislaine Maxwell ("Ich wünsche ihr Gutes") und erinnert daran, dass der 2019 unter dubiosen Umständen in Haft verstorbene Epstein derjenige gewesen sei, der Donald Trump mit der jetzigen First Lady Melania Trump bekannt gemacht hat – zumindest laut Biograph Michael Wolff.

Reaktionen: Biden als kommender Präsidentschaftskandidat?

Bei Veröffentlichung dieses Beitrags hat das Interview mit Hunter Biden auf Channel 5 with Andrew Callaghan knapp zwei Millionen Views generiert, womit es sich bereits nach kurzer Zeit deutlich über den durchschnittlichen Aufrufzahlen des Kanals platziert.

"Was an den Reaktionen auf dieses Interview besonders spannend war, ist, dass viele Menschen Hunter noch nie zuvor sprechen gehört hatten", stellt man seitens Channel 5 auf X, ehemals Twitter, fest. "Sie kannten nur die von den Mainstream-Medien verbreitete Karikatur eines Drogenabhängigen und Monsters."

Ungeachtet politischer Positionen, die Hunter Biden im über dreistündigen Interview vertritt, wissen viele User diese humanisierende Wirkung des Gesprächs zu schätzen. Biden gibt offene Einblicke in seine früheren Suchtprobleme, stellt sich schützend vor seinen Vater und bezieht in vielen Punkten klar Stellung, womit er selbst bisherigen Skeptikern Anerkennung abgewinnen kann.

Vielfach bringen Online-Kommentatoren deshalb sogar eine mögliche Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten ins Spiel. "Ich weiß, dass die meisten Leute nur scherzen, aber es ist wirklich interessant, wie viele Leute sagen, dass sie für Hunter stimmen würden", heißt es dazu seitens Channel 5. "Die Menschen sehnen sich so sehr nach einem Politiker, den sie für ehrlich und relatable halten."

Natürlich überzeugt Hunter Biden schon aufgrund seiner fragwürdigen Vergangenheit längst nicht alle Beobachter. Auf seine harsche Kritik an der Deportationspolitik unter Trump antwortete dessen Grenz-Zar Tom Homan so zum Beispiel lapidar, dass ihn nicht interessiere, was der ehemalige "First Drug Addict" zu sagen habe. Sein Hang zu vulgären Füllwörtern stößt konservativen Stimmen insbesondere mit Blick auf die Präsidentschafts-Gedankenspiele bitter auf; Bidens Ausdrucksweise wird mitunter als "würdelos" erachtet.

Insgesamt ist das Channel-5-Interview von Hunter Biden selbstverständlich kein konkreter Schritt zur Kandidatur. Allerdings scheint es nicht abwegig, dass der Präsidentensohn seine künftigen Optionen durch Auftritte wie diesen vorsichtig ausloten möchte. Die amerikanische Bevölkerung ist deutlich eher geneigt als die bundesdeutsche, ihren öffentlichen Figuren nach Fehltritten zu vergeben – speziell, wenn der Schulterschluss einem größeren, gemeinsamen Ziel dienen könnte.

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