Bertelsmann-Studie zum Fachkräftemangel
Unternehmen steigern Benefits zur Gewinnung qualifizierter Arbeitskräfte

| Redaktion 
| 08.07.2025

Der Fachkräftemangel setzt Unternehmen zunehmend unter Druck. Eine aktuelle Bertelsmann-Studie zeigt, dass Arbeitgeber:innen immer mehr Zusatzleistungen bieten, um qualifizierte Bewerber:innen zu gewinnen. Besonders gefragt sind Sonderzahlungen, flexible Arbeitsmodelle und Weiterbildung – doch nicht alle profitieren im gleichen Maß. Die Schere zwischen den Berufsgruppen geht weiter auseinander, und klassische Anreize verlieren an Wirkung.

Die Analyse von rund 34 Millionen Stellenanzeigen zeigt einen klaren Trend: Der Wettbewerb um Fachkräfte wird über Benefits ausgetragen. Unternehmen setzen gezielt auf geldwerte und strukturelle Anreize, um sich im Kampf um qualifizierte Talente zu behaupten. Die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie geben einen tiefen Einblick in die Strategien moderner Arbeitgeber:innen und offenbaren zugleich strukturelle Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt.

Harte Benefits gewinnen an Bedeutung

Monetäre Zusatzleistungen stehen ganz oben auf der Wunschliste potenzieller Arbeitskräfte – und Unternehmen reagieren. Laut der Studie werden in zwei Dritteln aller Stellenanzeigen entgeltähnliche Leistungen wie Sonderzahlungen, Mitarbeiterrabatte oder betriebliche Altersvorsorge angeboten. Damit haben diese sogenannten "harten" Benefits klassische Soft Skills wie Teamkultur oder Betriebsklima von der Spitzenposition verdrängt. Immer weniger Arbeitgeber:innen werben mit Begriffen wie "wertschätzende Unternehmenskultur" oder "offene Kommunikation" – diese Formulierungen werden zunehmend als austauschbar empfunden.

Auch flexible Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit, Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit etablieren sich zunehmend als Standard. In 37 Prozent der Stellenanzeigen sind diese bereits enthalten – Tendenz steigend. Besonders beliebt sind hybride Arbeitskonzepte, bei denen Präsenz- und Homeoffice-Tage kombiniert werden. Diese Modelle gelten in vielen Branchen inzwischen als Mindestanforderung für attraktive Arbeitsbedingungen.

Zudem zeigt sich, dass Benefits nicht nur eine Ergänzung zum Gehalt darstellen, sondern ein zentrales Entscheidungskriterium für Bewerber:innen sind. Die Aussage "Attraktive Zusatzleistungen statt höherem Gehalt" wird zunehmend zur Realität – insbesondere bei jüngeren Generationen.

Ungleichverteilung bei den Zusatzleistungen

Nicht alle profitieren gleichermaßen von diesem Aufwärtstrend bei den Benefits. Besonders stark bevorzugt werden hochqualifizierte Fachkräfte und akademisch ausgebildete Expert:innen. Sie können mit durchschnittlich elf Zusatzleistungen pro Stellenanzeige rechnen – im Gegensatz zu Helfer:innen, denen durchschnittlich nur acht Benefits geboten werden. Damit hat sich die Lücke zwischen den Berufsgruppen seit 2019 signifikant vergrößert. Die Differenz betrug vor fünf Jahren noch 1,7 Leistungen – heute liegt sie bei rund 3.

Auch bei Weiterbildungs- oder Familienangeboten zeigt sich ein klares Gefälle: Während 55 Prozent der Anzeigen für Spitzenkräfte Fortbildungen anbieten, sind es bei Helfer:innen nur rund ein Drittel. Familienfreundliche Angebote wie Kinderbetreuung, Elternzeitregelungen oder familienkompatible Arbeitszeiten sind ebenfalls eher der Oberschicht des Arbeitsmarkts vorbehalten. Bei Helfer:innen erwähnen weniger als zehn Prozent der Anzeigen solche Leistungen.

Diese Entwicklung führt laut Studie nicht nur zu einem Eindruck ungleicher Wertschätzung, sondern verfestigt auch bestehende soziale Unterschiede. Gerade in körperlich belastenden Berufen – etwa in der Logistik, Pflege oder Bauwirtschaft – fehlen häufig gesundheitsfördernde Maßnahmen. Dabei wären diese Zielgruppen am stärksten auf betriebsärztliche Betreuung, Vorsorgeprogramme oder ergonomische Arbeitsplatzgestaltung angewiesen. Einen digitalen Zugang zu genau solchen Präventionsmaßnahmen bietet etwa das HealthTech-Unternehmen Ofelos, das Betrieben individuelle Lösungen im Rahmen der betrieblichen Krankenversicherung ermöglicht.

Transparenz und Tarifbindung als Schlüssel

Bemerkenswert ist zudem: Nur rund ein Drittel der analysierten Stellenanzeigen enthält konkrete Gehaltsangaben. Gerade in qualifizierten Berufsgruppen fehlt es oft an Transparenz – obwohl hier der Fachkräftemangel besonders groß ist. Dabei fordern Expert:innen längst eine offenere Kommunikation: Wer das Gehalt nicht nennt, vergibt Chancen im Wettbewerb um Talente.

Deutlich transparenter zeigen sich hingegen jene Unternehmen, die tarifgebunden sind. Hier werden nicht nur Gehaltsstrukturen offengelegt, sondern auch Benefits wie Urlaubsgeld, Gesundheitsangebote, betriebliche Altersvorsorge oder Fahrtkostenzuschüsse sichtbarer kommuniziert. Besonders in Helfer:innen- und Fachkraftberufen zeigt sich laut Studie ein klarer Vorteil für tarifgebundene Betriebe. Dort wird im Schnitt nicht nur mehr geboten – die Leistungen werden auch klarer benannt.

"Damit verschenken viele Unternehmen ohne Tarifbindung Potenzial im Wettbewerb um Talente", sagt Datenanalyst Daniel Bensel. Sein Kollege Roman Wink ergänzt: "Attraktive Zusatzleistungen sind längst kein 'Bonbon' mehr, sondern ein zentraler Hebel in der Arbeitskräftegewinnung." Beide Experten plädieren dafür, Benefits nicht nur quantitativ auszubauen, sondern auch gezielt auf die jeweiligen Zielgruppen zuzuschneiden – vom Werkboden bis zur Führungsebene.

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