Readly-Studie zur Body Positivity
Magazin-Cover zeigen mehr Körpervielfalt trotz Ozempic-Trend

Während der mediale Hype um Schlankheitsmittel wie Ozempic ein altbekanntes Schönheitsideal reanimiert, belegt eine aktuelle Coveranalyse von Readly einen gegenläufigen Trend: Immer mehr deutsche Lifestyle-Magazine zeigen Mid-Size-Modelle auf ihren Titelbildern. Doch der Weg zu echter Diversität ist weit – besonders, wenn Plus-Size-Körper weiterhin komplett fehlen.

Die Digitalisierung verändert nicht nur das Leseverhalten, sondern offenbar auch die Ideale, die Magazine auf ihren Covern transportieren. Eine Analyse von Readly, Europas führender Plattform für digitale Magazine, zeigt eine langsame, aber messbare Verschiebung in der Darstellung von Körpertypen. Mid-Size-Körper rücken vermehrt in den Fokus der Bildsprache. Im Kontrast dazu beobachtet man auf Social Media und in der Popkultur eine Rückkehr zu extrem schlanken Körperbildern – Stichwort "Heroin Chic". Wie passt das zusammen?

Mid-Size statt Size Zero

Readly untersuchte 353 Coverbilder der zehn einflussreichsten deutschen Frauen- und Lifestylemagazine zwischen 2018 und 2024. Das Ergebnis: Der Anteil sogenannter Mid-Size-Körper stieg von 0,55 % im Jahr 2018 auf 4,7 % im Jahr 2024. Plus-Size-Körper? Fehlanzeige. Trotz aller Body Positivity-Diskussionen dominieren schlanke Frauen weiterhin die Titelseiten – die Vielfalt bleibt limitiert. "Cover sind mehr als nur Bilder – sie prägen unsere Vorstellung davon, wer schön, erfolgreich und sichtbar ist", betont Marie-Sophie von Bibra, DACH-Geschäftsführerin bei Readly.

Die visuelle Dominanz schlanker Körper zeigt sich insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Influencer-Kampagnen und digitale Retusche verstärken den Druck, einem immer schmaleren Ideal zu entsprechen. Die verstärkte Präsenz von Mid-Size-Models auf Covern ist deshalb ein erster, wenn auch kleiner Schritt hin zu mehr Repräsentation. Was auffällt: Viele dieser Covern zeigen Models mit realistischeren Proportionen, jedoch meist weiterhin im klassischen, westlichen Beauty-Standard verhaftet.

Die Ergebnisse der Analyse wurden medienwirksam veröffentlicht und stützen sich auf eine detaillierte Auswertung visuell klassifizierter Körperformen sowie eine repräsentative Online-Befragung.

Gesellschaftlicher Wunsch nach Vielfalt

Begleitend zur Cover-Analyse ließ Readly durch Ipsos über 1.000 Personen in Deutschland befragen. Das Meinungsbild ist klar: 62 % der Befragten halten die Body Positivity-Bewegung für wichtig. Ebenso viele wünschen sich mehr Vielfalt unter öffentlichen Persönlichkeiten – nicht nur in Magazinen, sondern auch in Werbung, Politik und Popkultur. Nur 14 % der Befragten haben kein Problem mit retuschierten Bildern – ein klares Votum für mehr Authentizität.

Bemerkenswert ist, dass die Akzeptanz für körperliche Diversität mit dem Alter steigt. In der Gruppe der Über-45-Jährigen lag die Zustimmung zur Body Positivity bei über 70 %. Auch geschlechterspezifische Unterschiede wurden sichtbar: Frauen wünschen sich überproportional häufiger mehr Vielfalt in der medialen Repräsentation. Dies deutet auf eine nach wie vor ungleiche emotionale Belastung durch visuelle Normen hin.

Melodie Michelberger, Influencerin und Body Positivity-Aktivistin, bringt es auf den Punkt: "Wer ständig nur dieselben Körpertypen auf Covern sieht, lernt, dass andere Körper nicht dazugehören. Diese Einseitigkeit ist kein Versehen – sie ist Ausschluss mit Ansage." Sie fordert nicht nur mehr Sichtbarkeit für verschiedene Körperformen, sondern auch ein Umdenken in den Redaktionen: "Diversität beginnt mit Entscheidungsmacht über Bildauswahl und Narrativ".

 
 
 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Dinner Convos by @ElenaCarriere (@dinnerconvos)

Ambivalenz in der medialen Darstellung

Der gesellschaftliche Wandel scheint ambivalent. Während Readlys Daten leichte Fortschritte im Printbereich zeigen, erleben alte Ideale eine Renaissance: In sozialen Netzwerken, bei Influencern und sogar auf internationalen Laufstegen feiert der "Size Zero"-Look sein Comeback. Manche Beobachter:innen sprechen gar von einer Wiederkehr des "Heroin Chic" der 90er-Jahre.

"Die Zahlen zeigen deutlich: Die Menschen wünschen sich mehr Echtheit und Sichtbarkeit – nicht nur auf Social Media, sondern auch in klassischen Medienformaten wie Magazinen", sagt Marie-Sophie von Bibra.

Das Spannungsfeld zwischen medialem Ideal und gesellschaftlicher Erwartung bleibt bestehen. Einerseits fordern Konsument:innen mehr Vielfalt, andererseits dominieren nach wie vor konforme Körperbilder die Bildsprache – insbesondere dort, wo Reichweite und wirtschaftlicher Erfolg von vermeintlich perfekten Inszenierungen abhängen. Die Medienbranche steht somit vor der Herausforderung, nicht nur Vielfalt zu zeigen, sondern sie auch glaubwürdig zu leben.

Dass in der Readly-Analyse kein einziges Plus-Size-Model auftaucht, zeigt: Die Richtung mag stimmen, doch der Fortschritt bleibt zaghaft. Wirkliche Veränderung braucht nicht nur Repräsentation, sondern auch strukturelle Transformation.

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV