La Beauté von Louis Vuitton
140 Euro für einen Lippenstift: Louis Vuitton testet die Schmerzgrenze aus

| Natalie Oberhollenzer 
| 21.09.2025

Louis Vuitton hat den Schritt in die Kosmetik gewagt – und verlangt dabei Preise, die selbst im Luxussegment auffallen. Die Marke setzt auf ein kalkuliertes Spiel mit Exklusivität, Handwerk und Markenmythos. Wird die Strategie dem Label neue Märkte öffnen – oder bleibt die Linie ein teurer Versuch? Experten sprechen von einer heißen Wette.

Als Louis Vuitton unlängst seine erste Kosmetiklinie "La Beauté" auf den Markt brachte, war das Echo garantiert. Lippenstifte für rund 160 Dollar, Lidschattenpaletten für 250 Dollar – Preise, die selbst im Premiumsegment herausragen. Die Kampagne dazu: spektakuläre Bilder von Starfotograf Steven Meisel, Pat McGrath als kreative Leitfigur, Models in cineastischen Landschaften. Alles orchestriert wie ein Haute-Couture-Defilee, nur eben für Make-up.

Die Strategie wirkt auf den ersten Blick folgerichtig. Louis Vuitton hat sein Image stets über Handwerk, Heritage und Exklusivität gepflegt – von Koffern über Lederwaren bis zu Parfums. Mit "La Beauté" dehnt die Marke dieses Universum nun in einen Bereich aus, der eigentlich auf hohe Stückzahlen und schnelleren Konsum ausgelegt ist. Make-up verkauft sich öfter, wird nachgekauft und verspricht eine andere Art von Kundenbindung. Damit folgt Vuitton einem Weg, den Konkurrenten wie Chanel, Dior oder jüngst Hermès erfolgreich vorgezeichnet haben.

Der Lippenstift als sammelwürdiges Objekt

Doch Louis Vuitton geht weiter. Statt sich im Preisrahmen der Konkurrenz zu bewegen, setzt das Unternehmen die Latte bewusst höher. Der Lippenstift wird nicht als Accessoire verstanden, sondern als sammelwürdiges Objekt – verpackt in von Designer Konstantin Grcic entworfene Gehäuse, mit Parfumakkorden aus dem Hause Jacques Cavallier Belletrud. Refill-Systeme und personalisierte Vanity-Cases unterstreichen die Exklusivität.

 
 
 
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Die Marketingkampagne ist gelungen. Sie verleiht der Kosmetiklinie dieselbe Aura wie den Taschen und Koffern der Maison. Hochglanz, Kunstanspruch, Heritage – das Storytelling ist konsistent. Medienresonanz und Social-Media-Hype waren Louis Vuitton damit sicher. Doch wie nachhaltig sich dieses Momentum in Verkaufszahlen übersetzen lässt, ist unklar.

Analysten sehen die Linie als "neue Computerplattform" der Beauty-Welt – ein Signal, dass Vuitton mehr will als bloß ein weiteres Parfumregal. Gleichzeitig warnen sie: Der Preis schließt weite Teile der Kundschaft aus. Während Chanel und Dior Lippenstifte zwischen 40 und 60 Euro verkaufen und Hermès mit rund 70 Euro schon an die Luxusgrenze stößt, liegt Vuitton mehr als doppelt so hoch. Das könnte viele Konsumenten abschrecken, die zwar Luxusmarken schätzen, aber beim Make-up weniger kompromissbereit sind.

Zwischen mutigem Wurf und kalkuliertem Risiko

Unternehmensstrategisch ist der Schritt nachvollziehbar. Beauty ist einer der wenigen Bereiche, in denen Luxusmarken ihr Geschäft verbreitern können, ohne den Nimbus des Exklusiven zu verlieren. Kosmetikprodukte öffnen die Marke für neue Käuferschichten, ohne das Prestige zu verwässern – zumindest, solange Qualität und Design den hohen Anspruch erfüllen. Doch die Linie muss diesen Anspruch auch einlösen. Haptik, Pigmentierung, Haltbarkeit – all das steht nun unter verschärfter Beobachtung. Sollte die Qualität nicht über jeden Zweifel erhaben sein, droht die Erzählung vom "Kunstobjekt zum Auftragen" zu bröckeln.

Der Launch ist konsequent inszeniert: teuer, kunstvoll, markentreu. Vuitton will das Projekt ernsthaft ausbauen. Ob es ein "großer Wurf" sein wird, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Derzeit wirkt "La Beauté" wie eine Mischung aus mutigem Vorstoß und kalkuliertem Risiko. Marcel Speiser von der Schweizer Handelszeitung spricht bei dem Ganzen von einer heißen Wette mitten in der großen Luxuskrise: Entweder er rechtfertigt weitere Preisanstiege für die anderen noch teureren Waren im Sortiment der Marke, oder er verschreckt einen Teil der Kundschaft mit einem irrationalen Angebot.

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