E-Mobilität, Zölle und Massenabbau
Deutsche Autoindustrie kürzt über 50.000 Jobs

| Redaktion 
| 26.08.2025

Die deutsche Autoindustrie steckt tief in der Krise: Binnen eines Jahres sind über 50.000 Arbeitsplätze verloren gegangen – ein drastischer Rückgang, der selbst hochqualifizierte Fachkräfte zunehmend betrifft. Neben Absatzflaute und E-Mobilitätswandel setzt auch der transatlantische Handelskonflikt die Branche unter massiven Druck.

Die jüngste Analyse der Beratungsgesellschaft EY zeigt ein düsteres Bild für die industrielle Kernbranche Deutschlands. Vor allem die Automobilhersteller und Zulieferer befinden sich auf dem Rückzug: Überkapazitäten, Gewinneinbrüche und geopolitische Spannungen führen zu einem signifikanten Arbeitsplatzabbau – und lassen wenig Raum für Hoffnung auf kurzfristige Erholung. Der aktuelle Trend könnte nicht nur das Fundament einer Schlüsselindustrie ins Wanken bringen, sondern mittelfristig auch den Wohlstand ganzer Regionen gefährden.

Produktionskrise mit Dominoeffekt

Laut einer EY-Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wurden in der deutschen Autoindustrie innerhalb von zwölf Monaten rund 51.500 Stellen gestrichen – das entspricht fast sieben Prozent der Gesamtbelegschaft. Kein anderer Industriesektor ist ähnlich stark betroffen. Insgesamt schrumpfte die Zahl der Industriebeschäftigten auf 5,42 Millionen, ein Rückgang von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dabei handelt es sich nicht nur um kurzfristige Einschnitte: Seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 gingen über 245.000 Industriearbeitsplätze verloren – eine Entwicklung, die Kritiker bereits als beginnende Deindustrialisierung einstufen. Besonders betroffen sind Standorte in strukturschwächeren Regionen, in denen die Automobilindustrie ein wesentlicher Arbeitgeber ist. Kommunale Wirtschaftsförderer warnen vor einem sozialen Ungleichgewicht, wenn dringend benötigte Ausgleichsmaßnahmen ausbleiben.

US-Zölle und Fernost-Konkurrenz verschärfen den Druck

Einen wesentlichen Teil der Misere schreibt EY dem stockenden Exportgeschäft zu. "Der massive Rückgang der Exporte in Richtung USA hat die deutsche Industrie zuletzt empfindlich getroffen", erklärt Jan Brorhilker, Managing Partner bei EY. Die von Donald Trump verhängten Zölle belasten deutsche Produkte nach wie vor, auch wenn auf EU-Ebene Verhandlungen über rückwirkende Zollsenkungen laufen. Gleichzeitig schwinden die Absatzchancen in China, wo deutsche Hersteller wie VW und Mercedes-Benz zunehmend von lokalen Wettbewerbern unter Druck geraten.

Wie das Handelsblatt berichtet, haben sowohl große Hersteller als auch Zulieferer umfassende Sparmaßnahmen angekündigt. Porsche will seine Batterie-Tochter Cellforce weitgehend einstellen. Bosch, ZF und Continental ziehen ebenfalls Konsequenzen – vor allem in den Bereichen Management, Forschung und Entwicklung, die stark in Deutschland verankert sind. Auch Personal aus der Qualitätssicherung, Produktplanung und Logistik ist laut Branchenkreisen zunehmend von Verlagerungen betroffen.

Zudem wächst der politische Druck auf die Branche, sich schneller auf klimafreundlichere Antriebstechnologien umzustellen. Fördergelder, die noch vor wenigen Jahren großzügig bereitgestellt wurden, fließen heute zielgerichteter – was Investitionen verzögert und Planungsunsicherheit erhöht. Besonders kleinere Zulieferer, die sich noch in frühen Phasen der Transformation befinden, geraten zunehmend ins Hintertreffen.

Weniger Perspektiven für Akademiker:innen

Neben der Autoindustrie zeigen auch andere Sektoren wie Maschinenbau (–17.000 Jobs) und Metallerzeugung (–12.000 Jobs) rückläufige Beschäftigungszahlen. Kaum betroffen ist derzeit nur die Chemie- und Pharmabranche. Besonders prekär: Die Krise betrifft nicht nur einfache Produktionsjobs, sondern zunehmend akademische Berufsbilder. Brorhilker warnt: "Wir werden eine steigende Arbeitslosigkeit bei Hochschulabsolventen sehen – etwas, was es in Deutschland lange nicht gab."

Der Markt für junge Ingenieur:innen wird schwieriger. Neueinstellungen bei führenden Industrieunternehmen sind rückläufig, Praktika und Traineeprogramme werden gekürzt, Entwicklungsteams ausgedünnt. "Die Automobilindustrie und der Maschinenbau stellen heute deutlich weniger junge Menschen ein als in den vergangenen Jahren", so Brorhilker weiter. Auch das mittlere Management ist nicht mehr vor Umstrukturierungen sicher – ganze Ebenen werden in manchen Konzernen gestrichen oder ins Ausland verlagert.

In der Folge wächst der Druck auf Hochschulen, ihre Curricula praxisnäher und flexibler zu gestalten. Studiengänge mit Fokus auf Elektromobilität, Digitalisierung oder KI gewinnen an Bedeutung, während klassische Maschinenbau- oder Fahrzeugtechnikstudiengänge unter rückläufigen Bewerberzahlen leiden. Die langfristige Frage bleibt: Wie gelingt es, Talente im Land zu halten, wenn attraktive Karrierewege zunehmend ins Ausland oder in andere Branchen führen?

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