Brain Drain: Wenn Unternehmer auswandern
Neue Heimat, neues Business: Wie Unternehmer im Ausland durchstarten

| Redaktion 
| 12.08.2025

Bürokratie, Steuern, Politik – immer mehr deutsche Unternehmer suchen ihr Glück jenseits der Landesgrenzen. Was sie dort finden, ist oft mehr als nur Sonne und neue Märkte: weniger Regulierung, digitale Verwaltungen, niedrigere Kosten – und manchmal ein völlig neues Lebensgefühl. Doch der Weg in die Ferne birgt auch Risiken, die leicht unterschätzt werden.

Immer mehr deutsche Unternehmer, Selbstständige und hoch qualifizierte Fachkräfte kehren ihrer Heimat den Rücken. Was früher vor allem Ruheständler oder Saisonkräfte betraf, ist heute ein Trend in den Führungsetagen und Gründerkreisen: der Wegzug aus Deutschland – und der Neustart in einem anderen Land. Die Motive reichen von politischer Unzufriedenheit über Steuer- und Bürokratiefrust bis hin zur Suche nach einem freieren, unternehmerfreundlicheren Lebensumfeld.

Laut Statistischem Bundesamt haben 2024 fast 270.000 Deutsche das Land verlassen – knapp doppelt so viele wie noch 2010. Besonders stark vertreten: Menschen zwischen 25 und 49 Jahren, also im Kern ihrer beruflichen Leistungsphase. 2025 könnte sogar ein neuer Rekord erreicht werden, wie das Handelsblatt berichtet. Für Unternehmen bedeutet das: Know-how, Innovationskraft und Führungserfahrung wandern ab – oft dauerhaft.

Was in Deutschland am meisten stört

Die Beweggründe sind vielfältig, folgen aber einem wiederkehrenden Muster. Unternehmer klagen über eine immer dichter werdende Regulierungslandschaft, über steuerliche Belastungen, langsame Digitalisierung und komplizierte Verwaltungswege. Manche fürchten auch einen politischen Rechtsruck oder erleben die gesellschaftliche Stimmung als zunehmend negativ.

Ein Beispiel: Das Unternehmerpaar Julia und Philipp Ramjoué zog 2024 von Bayern nach Tansania. Dort bauen sie nun energieautarke Häuser und ein Safari-Business auf. Ihre Motivation: weniger Druck, geringere Lebenshaltungskosten, mehr Gestaltungsfreiheit. "In Deutschland ist das Leben zu kostenintensiv für Dinge, die es am Ende gar nicht wert sind", sagt Philipp Ramjoué dem Handelsblatt.

Neue Märkte, neue Chancen

Andere zieht es innerhalb Europas weiter: Die Ex-Bankerin Evgenia Pyak fand in Spanien nicht nur ein wärmeres Klima, sondern vor allem eine offenere Gesellschaft. Der IT-Spezialist Günter Lintzen lobt Dänemark als Musterbeispiel für digitale Verwaltung und unternehmerfreundliche Abläufe – dort dauerte seine Firmenanmeldung keine 30 Sekunden.

Auch in der Tech-Branche wächst die Bereitschaft, Standorte ins Ausland zu verlegen. Der Hamburger Softwareunternehmer Mark Pohlmann kritisiert, dass der europäische Regulierungsrahmen Innovationen im Bereich Künstliche Intelligenz abbremst. Großbritannien lockt ihn mit einem flexibleren Ansatz – und ohne den AI Act der EU.

Risiken nicht unterschätzen

Der Neustart in der Ferne bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Die deutsche Wegzugsteuer kann für Unternehmensanteile erhebliche Summen fällig machen, ohne dass tatsächlich ein Verkauf stattfindet. Dazu kommen Unterschiede in Rechtssystemen, Marktzugang, Infrastruktur oder medizinischer Versorgung. Wer auswanderungswillig ist, sollte daher nicht nur vom "Weg-von-Gefühl" getrieben sein, sondern ein "Hin-zu"-Konzept entwickeln – mit klarer Marktstrategie, Netzwerkaufbau und Risikopuffern.

Der anhaltende Exodus macht deutlich: Es geht nicht nur um Löhne, sondern um Rahmenbedingungen. Flexible Arbeitsmodelle, digitale Prozesse, weniger Bürokratie und ein offenes gesellschaftliches Klima können helfen, Top-Talente im Land zu halten. Wer als Unternehmer den Schritt ins Ausland wagt, sollte gleichzeitig prüfen, wie er die Brücke zum deutschen Markt hält – etwa durch Remote-Strukturen oder hybride Standorte.

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