Autofokus-Brille von IXI
Gleitsichtgestell ade: Finnisches Start-up entwickelt Brille, die automatisch scharf stellt

| Natalie Oberhollenzer 
| 10.06.2025

Während Apple und Meta im vergangenen Jahr um die Vorherrschaft bei Datenbrillen kämpften, verfolgte ein kleines Start-up aus Helsinki ein anderes Ziel: besseres Sehen. Die Firma IXI, gegründet 2021, hat eine Brille mit integrierter Autofokus-Technik entwickelt – und dafür gerade 36 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt.

Das Versprechen: automatische Sehschärfe in jeder Entfernung, ohne optische Kompromisse und ohne sichtbare Zonen wie bei herkömmlichen Gleitsichtgläsern.

"Keiner der großen Techkonzerne löst das eigentliche Problem – nämlich schlechtes Sehen", sagt IXI-Mitgründer Niko Eiden zu The Next Web. Stattdessen konzentrierten sich Unternehmen wie Meta oder Apple auf KI-Assistenten, Social-Media-Funktionen oder immersive Erlebnisse mit Mixed Reality. IXI hingegen entwickelt Technik für Menschen mit Sehschwäche.

Die Brille des Start-ups kommt ohne Kamera, Display oder KI-Funktionen aus. Stattdessen misst ein Sensor im Gestell ununterbrochen, worauf das Auge fokussiert – ob in die Ferne, in den Nahbereich oder irgendwo dazwischen. Auf Basis dieser Daten verändert sich die Struktur von Flüssigkristallen im Brillenglas in Echtzeit. Das Glas passt seinen Brechungswinkel an – und fokussiert automatisch nach. Die Reaktionszeit beträgt etwa 0,2 Sekunden.

"Wir machen mit Brillen, was Kameras längst hinter sich haben – den Schritt von Festfokus zu Autofokus", sagt Eiden, der zuvor für Nokia an Augmented-Reality-Technik gearbeitet hatte und später das XR-Unternehmen Varjo mitgründete.

Nahtlose Sicht über das gesamte Glas hinweg

Ziel sei es, klassische Gleitsicht- und Bifokalbrillen zu ersetzen. Diese bieten zwar mehrere Sehzonen in einem Glas, bringen aber häufig Nachteile mit sich: verzerrte Randbereiche, eingeschränkte Sehfelder und ein oft unangenehmer Übergang zwischen Nah- und Fernsicht. Besonders beim Treppensteigen oder Lesen im Gehen sind sie störend.

IXI verspricht, dieses Problem mit seiner Technik zu lösen. Der Autofokus ermögliche eine nahtlose Sicht über das gesamte Glas hinweg, unabhängig von der Blickrichtung oder Entfernung. Und: Die Technik ist so kompakt, dass sie in ein herkömmliches Brillengestell passt.

Noch ist das Produkt nicht marktreif. Die Brille befindet sich in der Entwicklung, ein offizieller Starttermin steht aus. Herausforderungen gibt es viele: Die Gläser müssen dauerhaft transparent bleiben und die Elektronik muss den ganzen Tag über funktionieren – ohne optische Einbußen. Außerdem gelten strenge medizinische Vorgaben für verschreibungspflichtige Sehhilfen.

Trotzdem glaubt Eiden an den Durchbruch: „Ob wir es sind oder jemand anderes – irgendjemand wird die dynamische Linse zur Realität machen.“ Der Markt ist jedenfalls vielversprechend. Allein 2024 lag der Umsatz der globalen Brillenbranche bei rund 200 Milliarden US-Dollar, das Wachstum beträgt 8 bis 9 Prozent pro Jahr. Der Grund: Immer mehr Menschen sehen schlecht – ein Trend, den Wissenschaftler mit Bildschirmarbeit, schlechten Lichtverhältnissen und mangelnder Bewegung in Verbindung bringen.

Konkurrenz aus Frankreich und Japan

IXI ist nicht allein: Auch das französische Start-up Laclarée und das japanische Unternehmen Elcyo arbeiten an vergleichbaren Technologien. Produkte auf dem Markt gibt es jedoch bislang nicht. IXI will noch dieses Jahr erste Live-Demonstrationen zeigen.

Sollte die Technologie halten, was sie verspricht, könnte sie nicht nur die klassischen Gleitsichtgläser verdrängen – sondern der Brillenindustrie Beine machen. Denn bisher, sagt Eiden, investierten viele Hersteller „mehr in Design und Markenauftritt als in optische Innovation“.

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