Longevity und Anti Aging
Langlebigkeit als Obsession: Wollen die Reichen ewig leben?

| Natalie Oberhollenzer 
| 09.06.2025

Wohlhabende Menschen investieren Milliarden in Behandlungen, die das Altern stoppen sollen – mit erprobten, aber auch zweifelhaften Methoden. Die Spanne reicht von Hightech-Forschung bis Hokuspokus. Lukrativ ist das Geschäftsfeld allemal - und es wird in den kommenden Jahren der am stärksten wachsende Lifestyle-Sektor sein, prognostizieren Experten.

Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Film: Bluttransfusionen, Infusionen mit Zellbausteinen oder Sauerstofftherapien unter Überdruck. Was früher allenfalls als spleenig galt, ist heute ein wachsender Milliardenmarkt. Die Reichen dieser Welt wollen nicht mehr nur länger leben – sie wollen dem Tod ein Schnippchen schlagen. Und sie investieren gewaltige Summen, um genau das zu tun.

Wissenschaftlich ist längst belegt, dass Wohlstand das Leben verlängert. Eine im Februar im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie bestätigt: Wer reich ist, lebt im Schnitt länger. Doch in den letzten Jahren hat sich dieser Zusammenhang noch einmal verschärft – durch eine neue, deutlich sichtbarere Bewegung. Unternehmer pumpen Geld in Labore, Start-ups und Hightech-Kliniken, um das Altern zu verlangsamen, den Körper zu optimieren – und die biologische Uhr möglichst zurückzudrehen.

Langlebigkeit als Luxusversprechen

"Longevity" – also Langlebigkeit – ist das neue Zauberwort der Wellness-Industrie. Hotels wie das Longevity Health & Wellness Hotel in Portugal oder die Longevity Lounge der Londoner Klinik Cloud Twelve setzen ganz bewusst auf das Label. Angeboten werden dort Helme zur angeblichen Konzentrationssteigerung, Sauerstoffkuren, DNA-Analysen, Eiskammern oder NAD+-Infusionen – alles mit dem Versprechen, jünger, fitter und leistungsfähiger zu bleiben.

Manches davon ist medizinisch fundiert, vieles beruht auf halbgaren Studien oder reiner Esoterik. Und fast alles ist teuer – was es automatisch zur Spielwiese der Superreichen macht. Statt sich mit klassischen Gesundheitstipps wie Bewegung, Ernährung oder ausreichend Schlaf zu begnügen, setzen Millionäre auf molekulare Verjüngung.

Der Mann, der ewig leben will

Einer der prominentesten Vertreter dieser Bewegung ist der Tech-Millionär Bryan Johnson. 2023 sorgte er mit der sogenannten "Rejuvenation Olympics" für Schlagzeilen: ein Wettbewerb unter Reichen, bei dem es darum geht, die biologische Alterung zu stoppen – oder gar rückgängig zu machen. Johnson selbst testete an sich diverse Methoden, darunter eine Bluttransfusion von seinem jugendlichen Sohn. Netflix widmete ihm die Dokumentation "Don’t Die: Der Mann, der ewig leben will."

Auch andere Superreiche mischen mit. Amazon-Gründer Jeff Bezos investierte in das Biotech-Unternehmen Altos Labs, das mit Stammzellen experimentiert. Peter Thiel und Sam Altman stecken ihr Geld in Firmen wie Unity Biotechnology und Retro Biosciences. Letztere will 2025 klinische Studien für Alzheimer-Medikamente starten – mit Unterstützung von Promis wie John Legend, Pedro Pascal und Zac Efron.

Viel Pseudowissenschaft und Marketing-Märchen

Was auf den ersten Blick wie Fortschritt klingt, ist aus Sicht vieler Wissenschaftler mit Vorsicht zu genießen. Zwar gibt es seriöse Forschung zur Verlängerung gesunder Lebensjahre, etwa in der Genetik oder Organregeneration. Doch viele Behandlungen sind bislang kaum erprobt, Tests nicht validiert – und Erfolge oft anekdotisch. Kritiker warnen vor Pseudowissenschaft und Marketing-Märchen.

Hinzu kommt ein methodisches Problem: Die meisten Selbstversuche – wie die von Bryan Johnson – lassen sich nicht reproduzieren. Sie gelten nur für genau eine Person mit genau einem Körper. Und das widerspricht einem der Grundprinzipien der Wissenschaft.

Vom Statussymbol zum Lebensziel

Trotz aller Zweifel boomt der Markt. Laut Market Research Future lag das globale Volumen der Langlebigkeitsforschung 2024 bei 21,3 Milliarden Dollar. Bis 2035 könnte es sich verdreifachen. Die Branche profitiert von einem gesellschaftlichen Wandel: Wer früher mit Termindruck und Dauerstress prahlte, postet heute Schlafstatistiken aus der Smartwatch oder zeigt die neueste Detox-Kur – als wären es Accessoires von Prada.

Das Streben nach ewigem Leben ist zur Lifestyle-Frage geworden. Die Reichen können sich solche Spielereien leisten. Ob es am Ende auch hilft, bleibt offen. Ein wenig jedenfalls, wie es aussieht.

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV