KI-Einsatz - Risiko - Digitale Überforderung
Stress durch KI: Wie Unternehmen den "AI Burnout" vermeiden

Während Chatbots Kundenanfragen beantworten und generative Tools Quartalsberichte samt Präsentationen liefern, scheint der Traum vom entlasteten Arbeitstag greifbar nahe. Doch die Realität sieht vielerorts anders aus: Statt weniger Stress bringt der KI-Einsatz neue Herausforderungen – und birgt psychische Risiken. In den USA kursiert bereits ein Begriff dafür: AI Burnout.

Burnout durch Technologie? Studien zeigen, dass KI-Tools nicht nur Arbeit abnehmen, sondern auch neue Belastungen schaffen – vor allem, wenn Erwartungen und Realität auseinanderklaffen. "Viele haben tatsächlich das Gefühl, dass sie damit Routinetätigkeiten auslagern können", sagt die Grazer Arbeitspsychologin Bettina Kubicek im Gespräch mit dem Standard. Doch Entlastung bedeute nicht automatisch Erleichterung. Wer mit KI arbeitet, muss sich auch mit ihren Ergebnissen auseinandersetzen – und das oft zusätzlich zum Tagesgeschäft. Eine Umfrage der Plattform Upwork zeigt: Drei Viertel der Befragten empfinden KI-Tools als zusätzlichen Stressfaktor. Fast zwei Drittel glauben sogar, dass durch KI ihr Burnout-Risiko steigt.

Wenn Arbeit an Sinnhaftigkeit verliert

Besonders brisant: Während viele Beschäftigte unter Druck geraten, sehen Führungskräfte oft nur die Vorteile. Laut einer Accenture-Studie befürchten nur 37 Prozent der Managerinnen und Manager, dass KI zur Überlastung führen könnte – bei den Angestellten sind es 60 Prozent.

"Dass es vermehrt zu klinischem Burnout kommt, ist eher unwahrscheinlich", so Kubicek. Aber: "Es ist möglich, dass eher leichte Burnout-Beschwerden wie Erschöpfungszustände zunehmen." Denn wenn Entscheidungen, Kreativität und Problemlösung an Algorithmen ausgelagert werden, verliere Arbeit an Sinnhaftigkeit – ein zentraler Faktor für psychisches Wohlbefinden.

Technologie ersetzt keine Wertschätzung

Auch der soziale Aspekt gerät unter Druck. Laut einer Umfrage der Plattform Indeed hält jede vierte befragte Person KI mittlerweile für kompetenter als Kolleg:innen. 36 Prozent holen Feedback nur noch von Algorithmen ein. Die Folge: weniger Austausch, mehr Isolation, schlechterer Schlaf, mehr Alkohol nach Feierabend – so das Ergebnis einer Studie von 2023.

Dabei ist der Begriff "AI Burnout" für Kubicek ein Buzzword: "Es ist nicht die Technologie an sich, die sich positiv oder negativ auf Burnout-Beschwerden auswirkt, sondern, wie die Technologie Arbeitsbedingungen und Erwartungen verändert." Entscheidend seien der Kontext und die Art der Einführung.

Dass KI oft unter dem Vorwand eingeführt wird, Prozesse zu verschlanken, sieht auch Eugenia Stamboliev, Medien- und Technikphilosophin, kritisch: "Wir sehen, dass wir zwar effizienter werden, aber nicht weniger arbeiten." Zudem würden neue Technologien immer schneller in den Arbeitsalltag integriert: "Beim Buchdruck hat es Jahrhunderte gedauert. Bei KI sprechen wir von wenigen Jahren."

Wandel ohne Anleitung überfordert Teams

Diese Geschwindigkeit überfordert viele Unternehmen – und ihre Mitarbeitenden. "Viele Teams fühlen sich von der rasanten Entwicklung überrollt", sagt Patrick Swanson, Ex-Social-Media-Chef der ZiB und Gründer des KI-Unternehmens Verso im Silicon Valley. Seine Kritik richtet sich an das Management: "Nur zu sagen, ihr müsst jetzt alle KI nutzen und mehr liefern, ist nicht der Weg."

Was es stattdessen brauche? Struktur, Schulung – und realistische Erwartungen. Denn klar ist: KI kann entlasten. Aber nur, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird. Oder wie Kubicek es formuliert: "Wir können KI so einsetzen, dass sie die Anforderungen erhöht und das Wohlbefinden beeinträchtigt. Wir können sie aber auch so integrieren, dass sie die Menschen sinnvoll unterstützt."

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