CSDDD: Kritik am EU-Lieferkettengesetz
Widerstand aus der Wirtschaft wächst

| Redaktion 
| 13.02.2024

Produkte, die hierzulande verkauft werden, sollen nicht auf die Arbeit von Kindern zurückgehen oder die Umwelt schädigen. Gegen die grundsätzlichen Absichten des neuen EU-Lieferkettengesetzes gibt es wenig Widerspruch – die deutsche Wirtschaft scheint dennoch gespalten.

Seit letztem Jahr gilt hierzulande das "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten". Es verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten unter anderem, für die Einhaltung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette zu sorgen und entsprechende Beschwerdemöglichkeiten einzurichten. Sie sollen dadurch ihrer "globalen Verantwortung" besser nachkommen und Kinderarbeit, Ausbeutung oder anderweitige Diskriminierung bekämpfen.

Mit Beginn dieses Jahres gilt das Gesetz auch für Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. In den Worten der Bundesregierung dient es außerdem dem "Umweltschutz, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. So wird die Umweltzerstörung in den Blick genommen, etwa illegale Abholzung, Pestizid-Ausstoß, Wasser- und Luftverschmutzung."

Europa will sich verpflichten

Bereits im Februar 2022 hat die Europäische Kommission "eine Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung" vorgelegt, die dem deutschen Pendant in ihrer Absicht und den damit verbundenen Auflagen sehr ähnlich ist. Unter dem offiziellen Titel Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD, soll das das EU-Lieferkettengesetz "sowohl menschenrechtliche als auch umwelt­bezogene Sorgfaltspflichten" definieren und für Unternehmen in Mitgliedstaaten verbindlich machen.

Vom Rohstoffabbau bis zur Entsorgung ihrer Produktionsabfälle sollen Firmen "künftig Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten" müssen.

Vergangenen Dezember einigten sich EU-Ratspräsidentschaft und EU-Parlament vorläufig und wähnten "CSDDD kurz vor der Ziellinie", doch die für letzte Woche geplante Abstimmung der Mitgliedstaaten wurde kurzfristig verschoben: Durch Einspruch seitens der FDP wackelt die Zustimmung der Bundesregierung derzeit; insgesamt kristallisiert sich keine Mehrheit unter den Nationen heraus.

Widerstand kommt nicht überraschend

Die Freien Demokraten wittern Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen und scheinen damit zahlreichen Wirtschaftsvertretern aus der Seele zu sprechen. Schon Anfang des Monats unterstützte der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) im Kern zwar eine einheitliche europäische Regelung zugunsten von Menschen und Umwelt, bemängelte aber das Fehlen einer "maßvollen und praxistauglichen Regelung, die von allen EU-Mitgliedsstaaten mitgetragen wird und Unternehmen nicht überfordert."

Dem VdU zufolge habe bereits die nationale Lieferkettenregelung offenbart, dass vom Gesetz betroffene Unternehmen ihre Pflichten mitunter "in Form von 'Code of Conducts´ oder Regressklauseln" kurzerhand auf Lieferanten abwälzen würden. Bei diesen wiederum handele es sich häufig um kleine und mittelständische Unternehmen, für die es bürokratisch aufwändig und gerade im Falle kleinteiliger Produkte schlicht unmöglich sei, "alle Vorlieferanten dieser Komponenten genau zu überprüfen". Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) äußerte dahingehend Bedenken.

Wirtschaft scheint gespalten

Wie mehrere Medien berichten, sind am Dienstag weitere Stimmen gegen CSDDD erhoben worden. Ein Zusammenschluss aus insgesamt acht Wirtschaftsverbänden (unter ihnen BGA, Gesamtmetall, Stiftung Familienunternehmen und Politik oder VCI) hat eine Mitteilung veröffentlicht, die dem auch schon beim VdU angeschlagenen Ton entspricht – die im Kern gute Regelung sei praktisch "schlicht nicht umsetzbar" und enthalte handwerkliche Mängel, die zum Rückzug deutscher wie europäischer Unternehmen führen könnten. Marktteilnehmer mit geringeren Standards würden dann ihren Platz einnehmen und "dem eigentlichen Ziel der EU-Lieferkettenrichtlinie einen Bärendienst erweisen."

Die Verbände begrüßen die Enthaltung der Bundesregierung und appellieren, dass diese beibehalten wird. Sie fordern praxisnahe Nachbesserungen am geplanten Gesetz, das neben Menschenrechten ebenso die legitimen Interessen auf Unternehmensseite schützt. Auch der Zusammenschluss sieht insbesondere den Mittelstand durch die angedachten Regelungen gefährdet.

Gleichzeitig werden entsprechende Sorgen keineswegs lückenlos von in Deutschland agierenden Unternehmen geteilt: Bayer, Aldi Süd, Mars oder Tchibo gehören zu den insgesamt 18 Wirtschaftsgrößen, die ihre Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz in seiner bisher geplanten Form gemeinsam verkündet haben. Eigenen Angaben zufolge unterliegen die Unternehmen längst UN- oder OECD-Standards und glauben daran, "dass Wettbewerbsvorteile auf Kosten von Mensch und Umwelt endlich unterbunden werden", wenn - oder falls? - CSDDD in Kraft tritt.

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