Kaum ein Motiv fasziniert die Öffentlichkeit so sehr wie der Sturz eines mächtigen Menschen. Er lässt uns teils wie Helden verehrte Persönlichkeiten kritisch hinterfragen und führt uns vor Augen, dass selbst größter Erfolg und Ruhm nicht vor Strafe schützen – insbesondere, wenn das Vergehen mit dem lieben Geld zu tun hatte. Die Beispiele ziehen sich von der Politik über die Wirtschaft bis in den Sport.
Ruhm, Einfluss, Reichtum, Gefängniszelle: Trotz sehr unterschiedlicher Lebensgeschichten und Berufsfelder eint Nicolas Sarkozy, René Benke, Boris Becker und Uli Hoeneß, dass sie einst an der Spitze ihrer Profession standen, nur um sich irgendwann in einer Strafvollzugsanstalt wiederzufinden.
Natürlich ist es jeweils nicht grundlos zum erzwungenen Umzug gekommen – und in allen vier Fällen spielte Geld eine zentrale Rolle. Alle haben den Umgang mit öffentlicher Erwartung auf ähnliche Weise unterschätzt und für Misstrauen gesorgt, wo früher Anerkennung stand.
Gleichzeitig vermitteln unsere beiden deutschen Kandidaten ihren französischen und österreichischen Listengenossen auch ein wenig Hoffnung: Selbst nach dem Sturz aus großer Fallhöhe kann man sich durchaus wieder aufrappeln.
Nicolas Sarkozy – Vom Präsidenten zum Verurteilten
Nicolas Sarkozy galt in Frankreich lange als Inbegriff des politischen Aufstiegs. Als Präsident der Grande Nation von 2007 bis 2012 inszenierte er sich als Macher, der Reformen durchsetzen und das Land wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch neu positionieren wollte. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt blieb er eine prägende Figur der Konservativen, mit engen Verbindungen zu Wirtschafts- und Machteliten. Gleichzeitig war er seitdem Gegenstand diverser Ermittlungsverfahren, mehrere davon im Zusammenhang mit Spendengeldern.
Im September dieses Jahres wurde Sarkozy schließlich vom langen Arm der Justiz eingeholt: Ein Pariser Gericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft, davon drei ohne Bewährung. Ihm wird zur Last gelegt, Teil einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit mutmaßlich illegaler Wahlkampffinanzierung aus Libyen gewesen zu sein. Durch das Urteil ist er der erste französische Ex-Präsident, der tatsächlich eine Haftstrafe antreten muss.
Sarkozy weist die Anschuldigungen zurück und spricht von einem politisch motivierten Verfahren. Als er im September von seinem Pariser Wohnsitz in die Haftanstalt fuhr, organisierten seine erwachsenen Kinder eine Demonstration mit politischen Befürwortern Sarkozys, die ihm Mut zusprechen sollten. Dennoch markiert das Urteil einen Einschnitt und einen Bruch mit dem Bild des unantastbaren Staatsmanns.
René Benko – Symbol eines fragilen Systems
Der österreichische Investor René Benko ist regelmäßigen Leadersnet-Lesern wohlbekannt. Mit der Signa Holding baute er eines der größten privaten Immobilienimperien Europas auf, zu dessen bekanntesten Projekten das Berliner KaDeWe, die Galeria-Kaufhauskette und zahlreiche Prestigeobjekte in europäischen Großstädten, etwa der Elbtower, zählten. Benko selbst galt vielen dabei als Symbol einer neuen Generation von Unternehmern, die Finanzkraft und architektonischen Anspruch miteinander verbinden.
Doch mit dem wirtschaftlichen Einbruch seiner Gruppe 2023 zerfiel auch Benkos persönlicher Mythos. Anfang dieses Jahres wurde er verhaftet; Mitte Oktober verurteilte ihn das Landesgericht Innsbruck wegen betrügerischer Insolvenzdelikte schließlich zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. Laut Anklage soll Benko versucht haben, Vermögenswerte aus dem Firmenkonglomerat zu verschieben, um Gläubiger zu benachteiligen.
Weitere Prozesse im Signa-Verfahrenskomplex dürften folgen. Unabhängig vom Ausgang steht René Benkos Name derzeit synonym für den spektakulären Zusammenbruch eines Systems, das jahrelang auf Wachstum und Fremdfinanzierung gesetzt hatte – und dessen Risiken offenbar unterschätzt wurden.
Boris Becker – Neubeginn nach dem Nullpunkt
Boris Becker ist bis heute eine der bekanntesten deutschen Sportpersönlichkeiten. Sein Sieg in Wimbledon 1985 machte ihn mit 17 Jahren zum Symbol für Disziplin und sportliche Zielstrebigkeit. Nach dem Ende seiner Karriere blieb Becker in der Öffentlichkeit präsent – als Trainer, Kommentator und Werbeträger.
Fehlgeschlagene Investitionen und hohe Lebenshaltungskosten trugen trotzdem zu finanziellen Schwierigkeiten bei, die das skandalgeprüfte Tennis-Idol 2022 an den Tiefpunkt trieben: Ein Gericht in London verurteilte ihn zu einer Haftstrafe.
Becker hatte während seines laufenden Insolvenzverfahrens Vermögenswerte verschwiegen und Gelder nicht ordnungsgemäß angegeben. Er verbrachte rund acht Monate im Gefängnis, bevor er nach Deutschland zurückkehrte. Dort wurde er 2002 bereits wegen Steuerhinterziehung mit einer Bewährungsstrafe belegt.
In Interviews spricht Becker offen über die Haftzeit und die Folgen seines Fehlverhaltens. Sein im September veröffentlichtes Buch "Inside: Gewinnen - Verlieren - Neu beginnen" beschreibt die psychische Belastung der Gefängniszeit und seinen Versuch, ein normales Leben zurückzugewinnen.
Der öffentliche Umgang mit ihm ist ambivalent: Obwohl sich Becker nicht selten Spott ausgesetzt sieht, scheint ihm selten ernsthafte Antipathie entgegenzuschlagen – was ihn als Interviewpartner, Preisträger oder Testimonial weiterhin bedenkenlos infrage kommen lässt.
Uli Hoeneß – Präsident, Häftling und zurück
Uli Hoeneß prägte den FC Bayern München seit den späten 1970ern über Jahrzehnte als Manager und Präsident, nachdem er als aktiver Spieler unter anderem die Weltmeistertrophäe in den Himmel recken durfte. Unter seiner Führung entwickelte sich der Stern des Südens zu einem wirtschaftlich und sportlich dominierenden Unternehmen mit weltweitem Renommee.
Mit seiner unverblümten Art avancierte er zur vielleicht polarisierendsten Figur der deutschen Fußballgeschichte. Legendär sind beispielsweise seine Äußerungen zum "verschnupften" Christoph Daum, die seinerzeit skandalöse Enthüllungen lostraten. Hoeneß hielt mit seiner Meinung nur selten hinter dem Berg, wofür er von Fans verehrt und von Gegnern mitunter verachtet wurde. Als regelrecht unantastbare Größe im Geschäft galt er allen.
Im Jahre 2014 änderte sich das Bild schlagartig: Hoeneß wurde wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Unabhängig von seiner Tätigkeit beim FC Bayern spekulierte Hoeneß seinerzeit intensiv an der Börse; häufig war von einer Art Spielsucht die Rede. Nach 21 Monaten kam er frei und brachte den Rest der Strafe auf Bewährung erfolgreich hinter sich.
Der Ex-Torjäger hatte bereits als Freigänger in der Bayern-Jugendabteilung gearbeitet, was ihm den Wiedereinstieg erleichterte. Im November 2016 wurde er erneut FC-Bayern-Präsident und führte den Klub abermals zu zahlreichen Titeln.
Heute, mit 73 Jahren, ist Hoeneß Ehrenpräsident des Rekordmeisters und engagiert sich in der Jugendförderung oder politisch (CSU). Er lebt vergleichsweise zurückgezogen, genießt die Nähe zur Familie und hat öffentlich über seine Haft als Wendepunkt im Leben reflektiert. Vielen gilt er als Paradebeispiel für einen Mann, der aus seinem Tiefpunkt gestärkt hervorging.
Menschliche Grenzen im System namens Erfolg
Sarkozy, Benko, Becker und Hoeneß demonstrieren, wie nah Zenit und Tiefpunkt beieinanderliegen, wenn es um Geld, Macht und öffentliche Wahrnehmung geht. Alle vier Männer bewegten sich über Jahre auf einem Terrain, auf dem die Grenze zwischen Ehrgeiz und Selbstüberschätzung immer stärker verschwimmt.
Gemeinsam ist ihnen weniger das konkrete Vergehen als viel eher der Mechanismus dahinter: Mit dem Erfolg steigt nicht nur der Druck, sondern auch die Versuchung, Regeln als dehnbar zu betrachten. Was einst als Zeichen von Durchsetzungsstärke wahrgenommen wurde, wird im Rückblick oft als Kontrollverlust sichtbar.
Insofern sind ihre Fälle keine Lehrstücke über Gier, sondern über menschliche Grenzen in jenem System namens Erfolg. Denn wer viel davon hat, glaubt leicht, auch mehr riskieren zu dürfen – bis die Realität eine andere Sprache spricht.
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