Nach der Schule taucht der 16-jährige Max in virtuelle Welten ab. Er sitzt nicht vor dem Fernseher, scrollt nicht durch Social Media und liest keine Online-Magazine. Stattdessen trifft er in Spielen wie "Roblox", "Fortnite" oder "Minecraft" Freunde, chattet mit ihnen und tritt mit Marken in Kontakt. Virtuelle Welten sind längst mehr als nur Spiele: sie sind zu sozialen Erlebnisräumen geworden. Sie haben vor allem auf die Generationen Z und Alpha eine hohe Anziehungskraft.
Die Spielerzahlen sind beeindruckend. Laut Statista ist "Minecraft" aktuell das beliebteste Videospiel in Deutschland. Die Plattform gibt an, monatlich über 200 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zu haben. "Roblox" verzeichnet inzwischen über 111 Millionen täglich aktive Nutzerinnen und Nutzer und auch "Fortnite" erreicht monatlich weit über 100 Millionen Menschen weltweit. Damit eröffnen sich für Marken neue Wege, um mit Zielgruppen in Kontakt zu treten, die über klassische Kanäle kaum noch erreichbar sind.
Wer als Marke in diese virtuellen Welten einsteigen will, darf sie jedoch nicht nur als weiteren Werbekanal betrachten. Um dort erfolgreich zu sein, ist es entscheidend, die Besonderheiten jeder Plattform zu verstehen. Dabei gilt es zu analysieren, wie und wo sich die Zielgruppe bewegt, was sie begeistert und wie sie interagiert. Denn virtuelle Welten haben ihre eigene Kultur, eigene Regeln und eine eigene Sprache.
Virtual Worlds – Möglichkeiten jenseits klassischer Werbung
- Branded Virtual Worlds und nutzergenerierte Inhalte: Anstelle klassischer Werbespots entstehen spielbare Produkte, virtuelle Stores und Events, die von der Community mitgestaltet werden. Die Marke wird so vom reinen Absender zum aktiven Mitspieler.
- Langfristiges Engagement: Erfolg entsteht durch langfristige Content Strategien mit regelmäßigen Updates, neuen Quests und saisonalen Aktionen und nicht durch kurzfristige Einzelmaßnahmen. So profitieren Marken von wiederkehrenden Nutzerinnen und Nutzern und einer hohen Bindung.
- Neuer Content: Neben Reichweite und Markenbekanntheit rücken digitale Items, nutzergenerierte Inhalte und die Verknüpfung von physischen und digitalen Angeboten in den Fokus.
So nutzen Marken die Möglichkeiten digitaler Erlebnisräume
Die Praxis zeigt, dass es ganz unterschiedliche Ansätze gibt, um mit der Zielgruppe in virtuellen Welten zu interagieren. Zudem hängt der Erfolg davon ab, wie gut Marken die Plattformmechanik und die Interessen der Community verstehen.
Cosnova macht mit dem eigens entwickelten "Kingdom of Essentia" auf Roblox die Kosmetikmarke essence erlebbar. Nutzerinnen und Nutzer interagieren mit der Markenwelt durch Mini-Games und Tycoon-Elemente. Darüber hinaus kommuniziert Cosnova Themen wie Diversität und Anti-Mobbing. Durch saisonale Inhalte, eigene Währungen und wiederkehrende Updates wird die Community immer wieder aktiviert. Hier steht die langfristige Bindung im Vordergrund, sodass die Marke Teil der Community wird, statt nur Produktwerbung zu betreiben.
Einen anderen Ansatz verfolgt IKEA: Mit dem Roblox-Spiel "The Co-Worker" hat der Einrichtungskonzern das Thema Recruiting auf spielerische Weise neu gedacht. In einem virtuellen IKEA können die Spielerinnen und Spieler verschiedene Berufsfelder der Möbelkette erleben und in die Rolle von Mitarbeitenden schlüpfen. Besonders aufmerksamkeitsstark war die Vergabe von zehn bezahlten virtuellen Stellen.
Ein PR-Coup, der zu über 178.000 Bewerbungen und einem deutlichen Anstieg der realen Bewerbungen führte. Das Beispiel zeigt, wie Employer Branding und Recruiting in Virtual Worlds funktionieren können, wenn die Arbeitsrealität kreativ gamifiziert und die Medienlogik der Plattform mitgedacht wird.

Bild: Build a Rocket
Auch die Filmreihe "WOODWALKERS" und die Deutsche Fußball Liga (DFL) zeigen, wie sich Markenwelten und Storytelling in virtuellen Welten verlängern lassen. "WOODWALKERS" setzte auf ein eigenes Roblox-Spiel, in dem Fans in die Rolle der Hauptfigur schlüpfen und spielerisch die Welt des Films entdecken konnten.
Mit der Roblox Experience "Bundesliga Clubhouse" hat die DFL ein modulares Erlebnis geschaffen und vereint damit verschiedene Spielmodi, Partner-Integrationen und digitale Sammelobjekte. Auf diese Weise bleibt die Bundesliga für junge Zielgruppen global relevant.
McDonald’s wiederum hat den Start des "Minecraft"-Films genutzt, um mit einem limitierten "Minecraft"-Menü die Brücke zwischen physischer und digitaler Welt zu schlagen. Wer das Menü kaufte, erhielt exklusive In-Game-Items und Sammelfiguren. Ein Beispiel für eine sogenannte "phygitale" Kampagne, die den Kaufanreiz im echten Leben mit digitalen Mehrwerten verbindet und so die Zielgruppe auf mehreren Ebenen anspricht.
Erfolgsfaktoren für Marken in Virtual Worlds
Wer in virtuellen Welten erfolgreich sein will, muss sich intensiv mit den jeweiligen Communities auseinandersetzen und bereit sein, sich auf neue Formen der Interaktion einzulassen. Dabei gilt es einige zentrale Punkte zu beachten:
- Plattformverständnis: Jede virtuelle Welt ist anders. Was auf "Roblox" funktioniert, kann in "Fortnite" oder "Minecraft" schnell deplatziert wirken. Nicht nur, weil die Plattformen eine eigene Mechanik haben, sondern auch, weil die Nutzerinnen und Nutzer unterschiedlich ticken. Marken sollten sich daher intensiv mit den Plattformen und den dortigen Kulturen beschäftigen und prüfen, welche zu ihnen passt.
- Miteinander: Marken dürfen Nutzerinnen und Nutzer nicht als reine Empfänger von Werbebotschaften betrachten. Stattdessen sollten sie ihnen Erlebnisse bieten, die zum Mitmachen einladen, etwa durch spielbare Produkte oder unterhaltsame Wettbewerbe.
- Kooperation: Der Erfolg in virtuellen Welten hängt maßgeblich davon ab, wie Marken mit einflussreichen Internetpersönlichkeiten, den sogenannten Creators zusammenarbeiten. Diese entwickeln und verbreiten Inhalte, die von anderen Nutzerinnen und Nutzern als besonders authentisch wahrgenommen werden. Marken, die sie aktiv in die Gestaltung von Projekten einbinden, profitieren von deren Glaubwürdigkeit und erreichen so eine größere und engagierte Zielgruppe.
- Langfristigkeit: Es ist nicht zielführend, in Virtual Worlds auf Einmalaktionen zu setzen. Stattdessen sollten Aktivierungen langfristig angelegt sein, um die Community dauerhaft zu binden. Zum Beispiel mit Content-Roadmaps, regelmäßigen Updates und saisonalen Events.
- Phygitale Brücken und Partnerschaften: Die Verbindung von physischen und digitalen Angeboten, etwa durch Codes, digitale Items oder Partner-Kooperationen, schafft zusätzlichen Mehrwert.
Wie Marken in Virtual Worlds nachhaltig wirken
Virtual Worlds sind keine klassischen Werbeflächen, sondern Erfahrungsräume, in denen Marken Teil der Community werden können. Das setzt aber voraus, dass sie das nötige Verständnis für Plattform, Zielgruppe und Interaktionsmechanik mitbringen.
Wer bereit ist, mit der Zielgruppe auf Augenhöhe zu interagieren und neue langfristige Formate auszuprobieren, kann in Virtual Worlds Aufmerksamkeit gewinnen und echte Beziehungen aufbauen. Die Zukunft des digitalen Marketings liegt darin, Marken als aktive Mitgestalter und relevante Akteure in den Erlebniswelten der Nutzerinnen und Nutzer zu etablieren, um so nachhaltige Mehrwerte für beide Seiten zu schaffen.
Für Entscheiderinnen und Entscheider bedeutet das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um die Potenziale von Virtual Worlds strategisch zu prüfen und neue Wege zu gehen. Denn die nächste Generation von Kundinnen und Kunden erwartet mehr als Werbung: Sie sucht Erlebnisse, Teilhabe und eine echte Community.
Über den Autor
Alexander Albrecht ist Geschäftsführer der Gaming-Agentur BUILD A ROCKET und seit über 20 Jahren in führenden Positionen im Gaming tätig. Er zählt zu den Branchenkennern in Europa und betreut mit seinem Team unter anderem Kunden wie SAP, KitKat, Ralph Lauren und Uber Eats.
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