Die Gründerin und CEO von Bearaby im Interview
Kathrin Hamm: "Auch ein medizinisch inspiriertes Produkt kann kulturelle Strahlkraft entfalten"

Manchmal entstehen die größten Geschäftserfolge aus den intimsten persönlichen Kämpfen. So auch bei Dr. Kathrin Hamm, der gebürtigen Stuttgarterin, die aus ihrer eigenen chronischen Schlaflosigkeit ein international florierendes Unternehmen schmiedete. Was 2018 in einem New Yorker Apartment als verzweifelter Versuch begann, endlich wieder durchzuschlafen, ist heute ein Millionen-Business mit über 350.000 verkauften Gewichtsdecken weltweit.

Bearaby – so der Name ihres Unternehmens – revolutionierte nicht nur einen Nischenmarkt, sondern bewies, dass nachhaltiges Design und therapeutischer Nutzen keine Gegensätze sein müssen. Hamms handgestrickte Gewichtsdecken aus natürlichen Materialien haben das klassische Therapieprodukt aus der Medizin in ein begehrtes Lifestyle-Objekt verwandelt und dabei millionenschwere Umsätze generiert.

Im folgenden Interview mit LEADERSNET erzählt die Gründerin und CEO, wie sie aus einer persönlichen Krise eine globale Marke entwickelte, warum Deutschland der erste internationale Markt für ihre Expansion wurde und welche Lehren sie aus dem Aufbau eines Unternehmens gezogen hat, das Millionen von Menschen zu besserem Schlaf verhilft.

LEADERSNET: War Bearaby ein Produkt der Not – oder gab es schon vorher unternehmerisches Feuer in Ihnen?

Kathrin Hamm: Ich bin nie mit dem Ziel losgezogen, Unternehmerin zu werden – Bearaby entstand aus einem ganz persönlichen Bedürfnis: besser schlafen zu können. Mein Antrieb war, eine Lösung zu finden, die ästhetisch, nachhaltig und funktional ist. Dass daraus ein Unternehmen wurde, war eher Folge als Plan.

LEADERSNET: Aus einem sehr privaten Bedürfnis ist Beeindruckendes entstanden: Sie haben Bearaby 2018 gegründet, heute schlafen über 350.000 Menschen weltweit unter Ihren Decken. Wie fühlt es sich an, wenn ein persönliches Problem plötzlich Teil der Lösung für viele wird?

Kathrin Hamm: Ein Produkt zu entwickeln, das das Leben anderer Menschen konkret verbessert, ist für mich der zentrale Antrieb hinter Bearaby. Es geht nicht nur um besseren Schlaf, sondern um ein ganzheitliches Gefühl von Wohlbefinden – physisch, emotional und mental. Genau dieser Zweck, also etwas zu schaffen, das Menschen im Alltag wirklich hilft, gibt meiner Arbeit Sinn und Richtung. Purpose bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen: für die Wirkung unserer Produkte, für Nachhaltigkeit und für ein besseres Morgen. Und das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

LEADERSNET: Der globale Schlafmarkt hatte 2023 ein Volumen von 63,98 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig leiden allein in Deutschland sechs Millionen Menschen unter Schlafstörungen – Tendenz steigend. Welche Marktlücke haben Sie mit Bearaby erkannt?

Kathrin Hamm: Viele Produkte im Schlafmarkt setzen auf technische Lösungen – ich habe einen ganzheitlicheren Ansatz gewählt. Es ging mir darum, ein Produkt zu schaffen, das nicht nur hilft, sondern auch schön ist, nachhaltig produziert wird und sich wie ein Designobjekt anfühlt. Diese Kombination fehlte.

LEADERSNET: Vor Bearaby war der Gewichtsdeckenmarkt klinisch und unscheinbar. Sie haben das verändert – mit Design, Nachhaltigkeit und einem neuen Anspruch. Wie macht man ein Nischenprodukt zur Lifestyle-Ikone?

Kathrin Hamm: Man braucht den Mut, bestehende Konventionen zu hinterfragen. Der Markt für Gewichtsdecken war lange rein funktional und stark medizinisch geprägt – wir wollten ihn aus dieser Nische herausholen. Unser Ziel war es, ein Produkt zu entwickeln, das nicht nur therapeutisch wirkt, sondern so ästhetisch ist, dass man es sich gern aufs Sofa legt – "couchworthy", wie wir sagen. Dass unsere Decken inzwischen Designpreise gewinnen, auf der Liste von Oprah’s Favorite Things stehen und Teil von Netflix-Produktionen wie Sex and the City waren, zeigt: Auch ein medizinisch inspiriertes Produkt kann kulturelle Strahlkraft entfalten.

LEADERSNET: Ihr Unternehmen erwirtschaftete bereits 2020 über 20 Millionen Euro Umsatz. Für 2025 peilen Sie einen mittleren zweistelligen Millionenumsatz an. Wie beeinflusst das Ihr Denken und Ihre Produktentwicklung?

Kathrin Hamm: Wachstum ist wichtig, aber nur dann gesund, wenn es aus dem Kern heraus entsteht. Wir konzentrieren uns weiterhin darauf, das, was wir am besten können – hochwertige Gewichtsdecken – gezielt weiterzuentwickeln, etwa in neuen Größen oder für Kinder. Jedes Produkt muss funktional sein, nachhaltig produziert werden und echten Schlafnutzen bringen – daran halten wir fest. Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren stark in unsere Lieferkette investiert, sie diversifiziert und langfristige Partnerschaften mit Produzent:innen aufgebaut. Das gibt uns die nötige Stabilität, um nachhaltig und mit Substanz weiterzuwachsen.

LEADERSNET: In den USA sind Sie Marktführerin im Premiumsegment. Warum war ausgerechnet Deutschland – Ihre alte Heimat – der erste internationale Markt?

Kathrin Hamm: Deutschland war für uns ein natürlicher nächster Schritt: kulturell vertraut, mit hoher Affinität für Design- und Nachhaltigkeit. Der deutsche Markt schätzt durchdachte, langlebige Produkte – das passt perfekt zu unserem Ansatz. Gleichzeitig war es mir persönlich wichtig, dorthin zurückzukehren, wo meine eigene Reise begonnen hat. Es war ein Schritt mit Herz und mit Strategie.

LEADERSNET: Sie starteten mit 120.000 Dollar aus Ihrem Rentenfonds und einem erfolgreichen Crowdfunding. Welche Rolle spielen Mut und finanzielle Planung beim Aufbau eines nachhaltigen Unternehmens?

Kathrin Hamm: Mut war die Grundlage für alles – ich habe mein gesamtes Pensionsguthaben genutzt, um Bearaby zu gründen, weil ich überzeugt war, dass es das Richtige ist. Ich glaube fest daran, dass man in den Zwanzigern und frühen Dreißigern nicht alles klar vor sich sehen muss. Neue Dinge auszuprobieren gehört dazu – sei es, ein Jahr auf Bali zu leben, einen Blog zu schreiben oder bei einer NGO mitzuarbeiten. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln, sich auszuprobieren und dem eigenen inneren Kompass zu folgen. Am Ende verbinden sich diese Punkte zu einem Weg, der nicht nur Sinn ergibt, sondern auch tief erfüllt.

LEADERSNET: Ihre Decken bestehen aus atmungsaktiver Bio-Baumwolle, kommen ohne Plastikfüllung aus – und bringen dennoch bis zu 11 Kilo auf die Waage. Warum war Ihnen diese Kombination aus Funktionalität und Nachhaltigkeit so wichtig?

Kathrin Hamm: Weil ich fest daran glaube, dass gutes Design heute ganz selbstverständlich nachhaltig sein muss – ohne Abstriche bei der Funktionalität. Wir wollten von Anfang an beweisen, dass man therapeutischen Nutzen auch mit natürlichen Materialien erreichen kann, ganz ohne Plastikfüllung oder synthetische Zusätze. Unsere Decken sind handgefertigt, atmungsaktiv und bringen ihr Gewicht allein durch innovative Verarbeitung und Materialwahl auf die Waage. Für mich war klar: Wenn wir Menschen zu besserem Schlaf verhelfen wollen, dürfen wir nicht gleichzeitig der Umwelt schaden.

LEADERSNET: Ihre Karriere begann bei der Weltbank. Welche wirtschaftlichen Lektionen haben Sie mitgenommen – und welche mussten Sie neu lernen?

Kathrin Hamm: Meine Zeit bei der Weltbank war extrem international geprägt – ich habe viel über globale Lieferketten gelernt, über Produktionsstandorte und vor allem über die Realitäten, mit denen Unternehmer:innen weltweit zu kämpfen haben. Diese Erfahrungen haben mir ein tiefes Verständnis für wirtschaftliche Rahmenbedingungen, aber auch für unternehmerische Kreativität unter schwierigen Bedingungen vermittelt. Ich hatte früh Einblick in Herstellungsprozesse, konnte Produzenten kennenlernen und sehen, was langfristige Partnerschaften ausmacht. All das hat mir geholfen, Bearaby von Anfang an mit einem globalen, praxisnahen Blick aufzubauen.

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