Mit prasselndem Regen, Glockenschlägen, Donnern und dem düster-verheißungsvollsten Riff, das die Welt bis dahin gehört hatte, beginnt im Februar 1970 eine neue Zeitrechnung: Black Sabbath stellen sich mit dem gleichnamigen Song vom gleichnamigen Album vor.
Das Quartett aus dem englischen Birmingham ist seinerzeit zwar nicht die erste Band, die "harte" Gitarrenmusik spielt – und doch gilt das unvergleichliche Debüt von Sänger Ozzy Osbourne, Gitarrist Tony Iommi, Bassist Geezer Butler und Schlagzeuger Bill Ward aufgrund seiner ungekannten Intensität und Atmosphäre als Geburtsstunde des Metal.
Frontmann Ozzy Osbourne war in den folgenden Jahrzehnten auch auf Solopfaden erfolgreich; die Reality-Show "The Osbournes" brachte ihn zu Beginn des Jahrtausends außerdem noch einmal einer völlig neuen Generation und Zielgruppe nahe. Eine 2019 angekündigte Tour, unter anderem durch Deutschland, musste aufgrund der Corona-Ausnahmezustände und anschließender gesundheitlicher Probleme Osbournes mehrfach verschoben und schließlich abgesagt werden.
Reunion und Abschied in einem
Stattdessen kam die Idee auf, das Schaffen des Sängers und seiner legendären Band mit einem einzigen, gigantischen Abschiedskonzert zu feiern: Unter dem Motto "Back to the Beginning" haben sich die Augen der Metal- und Rock-Gemeinde am Samstag auf das Villa Park Stadion in Aston, Birmingham gerichtet – laut Ehefrau und Managerin Sharon Osbourne keine Meile vom Haus entfernt, in dem ihr Gatte einst wohnte.
Zum ersten Mal seit 20 Jahren würden Black Sabbath dabei in ihrer Originalbesetzung auftreten. Gleichzeitig stellten die Briten klar, dass es sich dabei definitiv auch um den letzten gemeinsamen Gig handelt. Genauso war von vornherein fixiert, dass Black Sabbath kein abendfüllendes Konzert spielen und Ozzy Osbourne auf der Bühne thronen, statt wie früher springen und laufen, würde.
Gewinne gehen an wohltätige Zwecke
Ungeachtet dessen waren die Tickets nach dem Vorverkaufsstart im Februar in wenigen Minuten ausverkauft; im rund 40.000 Personen fassenden Heimstadion des Premiere-League-Clubs Aston Villa durften sich die vier insgesamt 306 Jahre alten Genre-Pioniere also auf ausverkauftes Haus freuen.
Weitere Einnahmen kommen durch den Stream des Events hinzu, den man online für etwa 27 Euro freischalten konnte. Kleiner Wermutstropfen: Um eine wirkliche Live-Übertragung hat es sich nicht gehandelt, da "Back to the Beginning" weit über eine Stunde zeitversetzt gezeigt wurde. Wer sich hinsichtlich gespielter Songs nicht spoilern wollte, hat Social Media währenddessen also lieber gemieden.
Der Aufbesserung der Rock-Rente dient das Großereignis übrigens nicht: Alle Gewinne der Veranstaltung gehen zu gleichen Teilen an die Stiftung Cure Parkinson’s, das Kinderkrankenhaus von Birmingham und das Acorn Kinderhospiz, das auch von Aston Villa unterstützt wird. Sharon Osbourne zufolge wurde eine Band sogar ausgeladen, da sie auf eine rentable Gage gepocht hat – es sei jedoch nicht der Anlass, um an eigene Profite zu denken.
In Anbetracht dessen, dass sowohl Ozzy Osbourne als auch Black Sabbath nur kurze Sets performen würden, war Verstärkung für den Rest des Tages gefragt – und wer dem Ruf gefolgt ist, sagt vermutlich mehr über den Einfluss der Geehrten aus, als jede textliche Abhandlung könnte.
Noch vor dem Startschuss in Birmingham entstanden Gruppenfotos (siehe oben eingebettet), die irgendwann zu den ikonischeren Bildern der Genre-Geschichte zählen dürften und ein wahres Who-is-Who aus über einem halben Jahrhundert Rock und Metal präsentieren.
Genre-Giganten ehren die Pioniere schlechthin
Den angereisten Bands standen dabei jeweils vergleichsweise kurze Timeslots zu, sodass Anwesenden in Birmingham (oder im Stream) in erfreulich rascher Abfolge zeitlose Klassiker um die Ohren gefeuert wurden.
Alle Gruppen brachten neben eigenem Material anlassgerechte Coverversionen mit: Metallica eröffneten mit "Hole in the Sky", Guns N‘ Roses spielten mehr Sabbath-Songs als eigene ("Never Say Die", "Junior's Eyes", "Sabbath Bloody Sabbath"), Slayer gaben "Wicked World" zum Besten, Pantera schlossen mit "Planet Caravan" und "Electric Funeral" und konnten darüber hinaus Schauspieler Jason Momoa mitten ins Moshpit treiben. Tool interpretierten "Hand of Doom", während Gojira "Under the Sun" darboten oder Alice in Chains an "Fairies Wear Boots" erinnerten.
Darüber hinaus hat Rage against the Machine-Gitarrist Tom Morello ein nicht minder prominent besetztes Allstar-Team zusammengestellt, das den Fans neben "Train Kept A-Rollin" mit Steven Tyler (Aerosmith) und Ronnie Wood (Rolling Stones) auch "Bark at the Moon" mit Tobias Forge (Ghost), "Changes" mit Fred Durst (Limp Bizkit), "Mr. Crowley" mit Jack Black oder etwa "Snowblind" mit Billy Corgan (Smashing Pumpkins) geboten hat.
"Crazy Train" und "Paranoid" als finale Nummern
Natürlich waren Rückkehr und Abschied von Ozzy Osbourne und Black Sabbath jedoch oberste Priorität und entsprechend gespannt erwartet. Zunächst stand dabei das Solo-Schaffen des Sängers im Mittelpunkt, der für seinen Auftritt auf einem großen Fledermaus-Thron aus dem Bühnenboden emporfuhr und an der Gitarre von seinem einstigen Bandkopf Zakk Wylde begleitet wurde.
"I Don't Know", “Mr. Crowley”, "Suicide Solution", "Mama, I'm Coming Home" und "Crazy Train" ergeben dabei die wahrscheinlich letzte Solo-Setlist in Ozzy Osbournes insgesamt 57-jähriger Karriere.
Und dann? Eine pechschwarze Bühne, prasselnder Regen, Glockenschläge, Donnern: 55 Jahre später beginnt das Ende wie der Anfang, bis eine Alarmglocke verrät, dass Black Sabbath ihr letztes Konzert nach der Referenz an "Black Sabbath" stattdessen mit "War Pigs" einläuten. "Let me see me your fucking hands!" fordert Ozzy Osbourne typisch direkt, ehe er die Band nicht ausführlicher vorstellt, als nötig ist: "We are Black Sabbath – you are number one."
Es folgt "N.I.B.", bei dem besonders der immer noch beeindruckend fingerfertige Bassist Geezer Butler glänzen darf, bevor Bill Ward "Iron Man" mit der Kick Drum einstampft – inzwischen oberkörperfrei spielend, während Tony Iommi die zentnerschweren Riffs wie gewohnt in schwarzer Lederjacke und mit einem massiven Kreuz behangen in die andächtig-begeisterte Menge schickt.
Mit "This is our final song for… ever" und einer Liebesbekundung an das teils sichtlich emotionale Publikum kündigt Ozzy Osbourne den wohl bekanntesten Song der Gruppe an: "Paranoid" schließt die Karriere der ersten Metal-Band überhaupt offiziell ab; unter einem aufwändigen Feuerwerk über dem Villa Park verabschieden Zehntausende Fans Black Sabbath für immer in den überaus hartverdienten Live-Ruhestand.
Lukrative Tage für Birmingham
Für das britische Birmingham, wo Black Sabbath schon in der Woche vor dem Auftritt zahlreiche Öffentlichkeitstermine wahrgenommen haben, ist "Back to the Beginning" Schlüsselteil einer äußerst lukrativen Phase:
Wie The Independent vorab berichtete, geht die für regionale Investments zuständige West Midlands Growth Company von einem 20-Millionen-Pfund schweren Plus aus, das in erster Linie durch den Fan-Zustrom zum Sabbath-Abschied bedingt ist, der hier als "die größte Heavy-Metal-Show aller Zeiten" bezeichnet wird.
Ganz alleine sind Ozzy, Tony, Geezer und Bill jedoch nicht für den Andrang nach Birmingham verantwortlich: Weitgehend ausgebuchte Hotels und höhere Umsätze vor Ort treiben in diesen Tagen auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen an, darunter ein Konzert von Jeff Lynnes ELO in der Utilita Arena, das Godiva-Festival oder das zweite Cricket-Testspiel zwischen England und Indien im Edgbaston-Stadion.
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