Microsoft-Managerin im Interview
Magdalena Rogl: "Ohne echte Pausen fehlt die Kraft"

Warum ist Diversität mehr als nur ein PR-Thema? Was bedeutet heute starke, resiliente Führung? Und wie gelingt es, bewusst Pausen zu setzen – in einer Welt, die ständige Aktivität verlangt? Magdalena Rogl, Managerin bei Microsoft, Speakerin und Autorin, spricht im LEADERSNET-Interview offen über ihr Sabbatical, die Kunst des Innehaltens und die Verantwortung von Unternehmen in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen.

Frau Rogl, Anfang Juli starten Sie ins Sabbatical. Nehmen Sie uns ein Stück mit – wie fühlt sich das für Sie an?

Magdalena Rogl: Meine Gefühle sind gemischt. Einerseits freue ich mich sehr und bin neugierig auf das, was kommt. Andererseits habe ich auch großen Respekt – es ist das erste Mal, dass ich wirklich eine Pause mache. Ich arbeite seit meinem 17. Lebensjahr durchgehend, ohne größere Unterbrechung. Gerade weil ich früh Mutter geworden bin, hatte ich nie Elternzeit. Deshalb ist mir bewusst, wie privilegiert diese Auszeit jetzt ist. Ich bin gespannt, was sie mit mir macht.

LEADERSNET: Was beschäftigt Sie im Moment am meisten? Haben Sie Respekt davor, wie Sie die freie Zeit gestalten?

Magdalena Rogl: Die Sorge, dass ich die Zeit nicht füllen kann, habe ich nicht – im Gegenteil. Ich habe viele Projekte, Ideen und ein laufendes Engagement als Speakerin und Autorin. Was mir Respekt einflößt, ist die persönliche Dimension: Ich definiere mich stark über Aktivität und Leistung. Das loszulassen, wird eine Herausforderung. In der Businesswelt ist das ein weit verbreiteter Mechanismus – und es wird spannend, diesen einmal bewusst zu unterbrechen.

LEADERSNET: Sie sprechen Ihr neues Buch an – worum geht es darin?

Magdalena Rogl: Mein erstes Buch heißt Mitgefühl, das zweite trägt momentan den Arbeitstitel Mitverantwortung. Es geht um die Ohnmacht vieler Menschen in Zeiten globaler Krisen – und darum, wie wir Verantwortung im Alltag übernehmen können. Dafür braucht es keine großen Gesten. Vielmehr sind es kleine, alltägliche Handlungen, durch die wir Haltung zeigen können.

LEADERSNET: Diversity-Themen stehen aktuell stark im Fokus. Wie gelingt es Ihnen gerade jetzt, sich aus der aktiven Arbeit zurückzuziehen?

Magdalena Rogl: Das fällt mir nicht schwer, weil ich mich weiterhin ehrenamtlich engagiere – und dort vielleicht sogar näher an den Themen dran bin. Mein Aktivismus endet nicht mit dem Job. Und ich weiß, dass bei Microsoft großartige Kolleg:innen weitermachen. Ich habe Ende Juni noch einen Workshop gehalten, um die Übergabe gut vorzubereiten.

LEADERSNET: Wie gelingt es Ihnen persönlich, bei emotional aufgeladenen Themen Grenzen zu setzen?

Magdalena Rogl: Das ist sehr herausfordernd. Diese Themen lassen sich nicht einfach "abschalten". Mein Coach hat mir einen Satz mitgegeben: "Wenn alles wichtig ist, ist nichts mehr wichtig." Genau darum geht es. Ich möchte durch diese Pause wieder Klarheit, Fokus und Kraft gewinnen – denn wir brauchen einen langen Atem, um wirksam zu bleiben.

LEADERSNET: Wird Ihre Stelle während des Sabbaticals nachbesetzt?

Magdalena Rogl: Nein, sie bleibt zunächst offen. Aber es gibt viele engagierte Kolleg:innen, die die Themen weiterführen werden. Ich bin dabei, alles gut zu übergeben.

LEADERSNET: Ist das Thema Diversität bei Microsoft als US-amerikanischem Unternehmen schwieriger geworden?

Magdalena Rogl: Das Thema ist generell herausfordernder geworden – nicht nur bei Microsoft. Aber ich finde, wir müssen uns im Vergleich nicht verstecken. Besonders unser Umgang mit interner und externer Kommunikation war in letzter Zeit sehr stark. Es geht jetzt darum, Projekte fortzuführen und gleichzeitig die Mitarbeitenden zu schützen.

LEADERSNET: Gab es einen konkreten Moment, in dem Sie entschieden haben: Jetzt brauche ich wirklich Ruhe?

Magdalena Rogl: Ja, mehrere. Es war oft eine Mischung aus beruflichem und privatem Druck. Dank meiner Therapeutin konnte ich einen Burnout verhindern, aber es gab trotzdem Momente, in denen ich handlungsunfähig war. Ich hatte Schlafprobleme, Panikattacken – das war gefährlich. Jetzt möchte ich bewusst gegen dieses Immer-Weiter-Machen ansteuern.

LEADERSNET: Sie sagen: "Wer keine echten Pausen macht, riskiert Resilienz und Führungsstärke." Was steckt dahinter?

Magdalena Rogl: Wer immer nur funktioniert, verliert die Verbindung zu sich selbst. Ohne echte Pausen fehlt die Kraft, empathisch und wirksam zu führen. Für mich heißt Resilienz nicht, dauerhaft standzuhalten, sondern sich bewusst Zeit zu nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen. Der Ursprung des Wortes – resilire, zurückspringen – beschreibt es gut.

LEADERSNET: Was bedeutet für Sie heute starke und resiliente Führung?

Magdalena Rogl: Es beginnt mit Selbstbeziehung: Selbstreflexion, Selbstmitgefühl und Empathie. Aber Empathie funktioniert nur, wenn man mit sich selbst verbunden ist. Wenn ich ständig im Funktionsmodus bin, bin ich in Gesprächen nicht wirklich präsent. Resilienz bedeutet für mich, Pausen zu machen, Kraft zu schöpfen – um dann klar, empathisch und menschlich zu führen.

LEADERSNET: Brauchen Unternehmen mehr Mut zur Pause oder eher neue Führungskonzepte?

Magdalena Rogl: Beides. Oft hinterfragen wir Meetings zu wenig – brauchen wir dieses Meeting wirklich? Bei Microsoft gibt es zum Beispiel Learning Days ohne Meetings. Solche Formate schaffen Raum für Lernen und Entwicklung. Gerade bei sensiblen Themen wie Inklusion ist es wichtig, Zeit zum Nachdenken und Austauschen einzuplanen.

LEADERSNET: Was sind aus Ihrer Sicht besonders wirkungsvolle Diversity-Maßnahmen?

Magdalena Rogl: Vielfalt bei den Formaten ist entscheidend. Manche lernen durch Vorträge, andere im Dialog. Besonders effektiv finde ich Community-Formate – sie sind niederschwellig und ermöglichen echten Austausch. Es braucht keine großen Budgets, sondern Räume, in denen Menschen voneinander lernen können. Es geht immer darum, Brücken zu bauen.

LEADERSNET: "Wirtschaftliche Tragfähigkeit und Werte schließen sich nicht aus", schreiben Sie. Wie kann man beides vereinen?

Magdalena Rogl: Unternehmen brauchen wirtschaftliche Stabilität – das ist klar. Aber Vielfalt und Inklusion zahlen langfristig auf den Unternehmenserfolg ein. Das ist durch viele Studien belegt. Es braucht jedoch Ausdauer. Diversity ist kein Schnellgewinn – der Mehrwert zeigt sich mit der Zeit.

LEADERSNET: Braucht es dafür ein klares Reporting?

Magdalena Rogl: Ja, unbedingt. Ich finde es wichtig, Aktivitäten messbar zu machen. Nicht nur das Gefühl zu haben, etwas Gutes zu tun – sondern Wirkung zu sehen. Wenn Diversity klar mit Business-KPIs verknüpft ist, wird es automatisch als strategisch relevantes Thema anerkannt.

LEADERSNET: Müssen wir in diesem Zusammenhang Leistung neu definieren?

Magdalena Rogl: Ja, definitiv. Bei Microsoft arbeiten wir mit dem Modell der "Three Circles of Impact". Es geht nicht nur darum, was ich selbst erreicht habe, sondern auch, wo ich andere unterstützt habe – und wo andere mich unterstützt haben. Leistung ist nie rein individuell. Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung sind zentral.

LEADERSNET: Was haben Sie über sich selbst gelernt – in Ihren vielen Rollen als Führungskraft, Speakerin, Mutter?

Magdalena Rogl: Dass es nicht auf das ankommt, was ich schon weiß – sondern auf meine Lernfähigkeit. Lange dachte ich: Ich bin "nur" Kinderpflegerin, ohne Abitur, ohne Studium. Aber ich habe gelernt, dass ich offen, lernbereit und entwicklungsfähig bin – und das zählt. Gerade im Diversity-Bereich ist das zentral: Wir sind nie fertig, sondern immer Lernende.

LEADERSNET: Wenn Sie in die Glaskugel blicken: Wo sehen Sie sich im Sommer 2026?

Magdalena Rogl: Ich wünsche mir, dass sich nicht allzu viel verändert hat – dass mein Leben erfüllt bleibt, ich inspiriert bin, mit neuer Energie an meinen Projekten arbeiten kann. Und dass ich weiter lerne – über mich selbst, über andere, über die Welt.

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