Fiktive Bestseller empfohlen
Chicago Sun-Times: Wie man KI lieber nicht einsetzt

| Redaktion 
| 22.05.2025

In Form einer "Summer Reading list for 2025" hat die Chicago Sun-Times ihrer Leserschaft kürzlich Lektüretipps gegeben. Dabei wurden 15 ganz und gar reale Autoren versammelt – allerdings existiert lediglich ein Drittel der genannten Romane tatsächlich. Die Zeitung verweist auf einen Content-Zulieferer; der wiederum hat den verantwortlichen Freelancer schleunigst entlassen.

Was steht für diesen Sommer auf Ihrer Leseliste? Die US-amerikanische Zeitung Chicago Sun-Times hat ihren Lesern jüngst eine ganze Hand voll an Empfehlungen für literarische Momente in der Sonne auf den Weg gegeben.

Wer sich auf die Lektüre bislang unbekannter Werke wie "The Last Algorithm" von Andy Weir (bekannt etwa durch "Der Marsianer") oder "The Rainmakers" des diesjährigen Pulitzer-Preisträgers Percival Everett gefreut hat, musste jedoch bald feststellen, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht:

Ein Großteil der "Summer Reading list for 2025" setzt sich aus frei erfundenen Titeln renommierter Autoren zusammen. Wie das Tech-Portal ArsTechnica zusammenfasst, existieren lediglich fünf der fünfzehn vorgeschlagenen Romane tatsächlich in der angegebenen Form. In manchen Fällen wurden bekannte Buchnamen kurzerhand neuen Autoren zugeschrieben.

"Kreativer" KI-Content wurde ungeprüft übernommen

"Zu unserer großen Enttäuschung wurden in dieser Liste Bücher empfohlen, die es gar nicht gibt", gibt die Chicago Sun-Times auf BlueSky bekannt. Weiterhin wird auf das Presse-Statement zur Angelegenheit verwiesen, in dem die Zeitung erklärt, dass man sich zur Supplementierung der eigenen Arbeit auf die Dienste eines Content-Partners namens King Features verlassen habe.

 
 
 
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In der Mitteilung heißt es: "King Features hat mit einem Freiberufler zusammengearbeitet, der einen KI-Agenten für die Erstellung dieses Sonderteils eingesetzt hat. Er wurde in unsere Zeitung eingebunden, ohne von unserer Redaktion geprüft zu werden, und wir präsentierten den Abschnitt, ohne darauf hinzuweisen, dass er von einer Drittorganisation stammte."

Mittlerweile hat sich King Features eigenen Angaben nach vom betreffenden "Autor" getrennt und bedauert, dass "einige wenige" Verlagspartner mit der Beilage beliefert worden seien.

Das sagt der Urheber

Gegenüber 404 Media hat sich der Mann hinter dem umstrittenen Beitrag, Marco Buscaglia, unumwunden geäußert. "Ich verwende manchmal AI für den Hintergrund, aber ich schaue mir das Material immer zuerst an. Diesmal habe ich das nicht getan, und ich kann nicht glauben, dass ich es übersehen habe, weil es so offensichtlich ist. Keine Ausreden", wird Buscaglia zitiert. "Das geht zu 100 Prozent auf meine Kappe und ist mir komplett peinlich."

ArsTechnica beschreibt einen solchen Vorfall als "confabulation". Gemeint ist das Phänomen, dass KI-Systeme und insbesondere Large Language Models falsche oder erfundene Informationen als wahrheitsgemäß ausgeben. Dieser Fehler kann auftreten, wenn die KI etwa aufgrund von Lücken oder Unregelmäßigkeiten in den Trainingsdaten falsche Schlussfolgerungen zieht.

"Wir befinden uns in einer Zeit des großen Wandels im Journalismus und in der Technologie, und gleichzeitig wird unsere Branche weiterhin von geschäftlichen Herausforderungen bedrängt", resümiert man bei der Chicago Sun-Times. "Dies sollte ein Lernmoment für alle journalistischen Organisationen sein: Unsere Arbeit wird geschätzt - und ist wertvoll - wegen der Menschlichkeit, die dahinter steht."

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