Anpassungsdruck in der deutschen Industrie
Sparprogramme auf breiter Front: Wie Deutschlands Industriefirmen sich neu aufstellen

| Redaktion 
| 07.04.2025

Die deutsche Industrie steht vor einem tiefgreifenden Umbau. Statt auf kurzfristige Maßnahmen zu setzen, streichen Unternehmen tausende Stellen, automatisieren Prozesse – und investieren in den Rückbau ihrer eigenen Strukturen.

Hohe Personalkosten, steigende Materialpreise und geopolitische Unsicherheiten belasten die Industrie in Deutschland massiv. Besonders die Aussicht auf neue US-Zölle erhöht den wirtschaftlichen Druck. Laut einer aktuellen Umfrage der Managementberatung Horvath, veröffentlicht im Handelsblatt, haben ein Drittel der befragten Industriefirmen bereits ein Sparprogramm umgesetzt – ein weiteres Drittel bereitet entsprechende Maßnahmen vor. Hier sechs Bereiche, in denen der Rotstift angesetzt wird – und wie.

1. Verwaltungsbereiche im Fokus

Viele Unternehmen setzen bei der Effizienzsteigerung zunächst an der Zentrale an. In wirtschaftlich erfolgreichen Jahren wurden hier oft Ressourcen aufgebaut – jetzt erfolgt die Korrektur. Die Deutsche Bahn plant bis 2027 den Abbau von 10.000 Stellen in Verwaltung und Vertrieb. Auch Bayer, Audi und Adidas reduzieren administrative Strukturen, lösen Hierarchien auf und verlagern Entscheidungsbefugnisse stärker in die Regionen. Ziel: schlankere Prozesse und weniger Komplexität.

2. Auch die Produktion bleibt nicht verschont

Im Unterschied zu früheren Konsolidierungsphasen nehmen Unternehmen nun auch die Fertigung in den Blick. Volkswagen kündigt den Abbau von bis zu 35.000 Stellen an, ZF plant Einschnitte von bis zu 14.000 Arbeitsplätzen. Der Grund ist strategischer Natur: Die Firmen gehen nicht mehr von einer vorübergehenden Konjunkturschwäche aus, sondern von einer strukturellen Transformation. Investitionen in neue Technologien erfordern Kostenoptimierungen über alle Bereiche hinweg.

3. Kurzarbeit verliert an Bedeutung

Während der Finanzkrise und der Corona-Pandemie war Kurzarbeit ein zentrales Mittel zur Krisenbewältigung. Heute greifen nur noch wenige Unternehmen darauf zurück. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Februar 2025 knapp 70.000 Menschen in Kurzarbeit – ein stabiler, aber im historischen Vergleich niedriger Wert. Die Unternehmen stellen sich offenbar auf einen langfristigen Wandel ein und wählen andere Wege der Kapazitätsanpassung.

4. Freiwillige Trennung statt Kündigung

Trotz Sparzwang setzen viele Konzerne auf sozialverträgliche Lösungen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen möglichst vermieden werden – etwa durch Aufhebungsverträge oder natürliche Fluktuation. Dabei kommen teils großzügige Abfindungsangebote zum Einsatz: Mercedes-Benz bietet bis zu 500.000 Euro, Bayer zahlt bis zu 52,5 Monatsgehälter. Parallel setzen Unternehmen auf reduzierte Boni und eingeschränkte Gehaltserhöhungen, um Personalkosten langfristig zu senken.

5. Vorruhestand als Entlastungsmodell

Eine zentrale Rolle spielt der vorzeitige Ruhestand für Mitarbeiter ab 57 Jahren. Viele Unternehmen bieten Altersteilzeitmodelle an, bei denen bis zum regulären Renteneintritt finanzielle Übergangsregelungen greifen. Vor allem die geburtenstarken Jahrgänge ermöglichen hier eine gezielte Personalanpassung. Die Zahl der Frührentner in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen – von 179.000 im Jahr 2019 auf 279.000 im Jahr 2023.

6. Technologie ersetzt Aufgabenbereiche

Die digitale Transformation treibt den Wandel zusätzlich voran. Viele Unternehmen investieren in Automatisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – insbesondere im Backoffice und in administrativen Einheiten. Laut Horvath-Umfrage planen 50 Prozent der befragten Firmen, Prozesse in Verwaltung und Produktion zu automatisieren. 60 Prozent nutzen bereits KI oder befinden sich in der Umsetzungsphase.

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