Miss Germany CEO im Interview
Max Klemmer: „Wir wollen einen positiven Impact auf die Gesellschaft schaffen“

| Dagmar Zimmermann 
| 11.01.2024

Max Klemmer hat mit seinem Unternehmen „Miss Germany Studios“ die Wahl zur Miss Germany auf links gedreht. Im Gespräch mit LEADERSNET erklärt er, warum er weibliche Führungskräfte in sein Unternehmen integrieren möchte, wie ihn sein Advisory Board berät und was Besucher:innen beim Finale am 24. Februar im Europa-Park Rust erwartet.

LEADERSNET:  Weg vom Schönheitswettbewerb hin zu Female Empowerment – und immer noch strahlt Miss Germany eine Faszination aus. Wie gelingt das?

Max Klemmer: Durch eine geschickte Kombination aus Historie und Innovation haben wir einen sensiblen Transformationsprozess durchlaufen und gezeigt, dass es möglich ist, eine Tradition in die Zukunft zu führen. Obwohl wir erkannt haben, dass sich die Zeiten geändert haben und der Wettbewerb in seiner bisherigen Form nicht mehr zeitgemäß war, haben wir nicht alle alten Zöpfe abgeschnitten. Wir schaffen es, das Markenbewusstsein zukunftsorientiert weiterentwickeln, weil uns der Track Record viel Vertrauen entgegenbringt und die inhaltliche Neuausrichtung mit einem ganz hohen, produktionellen und menschlichen Anspruch einhergeht.

LEADERSNET: Ein Prozess, der nicht einfach war.

Max Klemmer: Korrekt. Mein Vater und ich hatten sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie man Dinge betrachtet und umsetzt. Er und mein Großvater haben das Unternehmen auf eine andere Weise vorangetrieben, als ich es heute tue. Dies ist sicherlich auch historisch bedingt, weil das Verständnis von Unterhaltung kurz dem Krieg ein anderes war als es heute ist. Damals war Unterhaltung oft auch eine Flucht vor der Realität. Hinzu kommt, dass ich mit einem anderen Frauenbild aufgewachsen bin. Zwei Beispiele dafür, warum es zwischen meinem Vater und mir nicht gut harmoniert hat und ich seine Anteile gekauft habe.

LEADERSNET: Sie haben 2023 ein Advisory Board gegründet, in dem unter anderem Annahita Esmailzadeh, Dr. Irène Kulibi und Christian Hahn (Deutsche Telekom AG) sind. Warum?

Max Klemmer: Das ist der Vergangenheit geschuldet. Sie hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich eine gewisse Last mit mir herumtrage, die ich von meinem Großvater und meinem Vater geerbt habe. Ich hatte das Gefühl, dass wir immer in einer Art „Bubble“ geblieben sind. Als momentan alleiniger Geschäftsführer hoffe ich, dass sich das bald ändern wird und wir vor allem weibliche Geschäftsführerinnen in unser Unternehmen integrieren können. Schon heute möchte ich keine Scheuklappen tragen und es ist wichtig, dass ich in dem jetzigen Prozess nicht denke, dass ich alles weiß, sondern dass ich Impulse, Anregungen und Kritik von anderen Menschen erhalte, die bereits an den Punkten sind, an die ich gelangen möchte. Das Board bietet die Möglichkeit, genau diese Rückmeldungen und Anregungen zu erhalten, die mir helfen, nicht den Blick für das Wesentliche zu verlieren. So kann ich die unterschiedlichen Mitglieder des Boards zu ihrer Expertise fragen. Mir ist es wichtig, dass das Board inhaltlich vielfältig besetzt ist, damit ich das Wissen aus verschiedenen Bereichen abfragen kann, und nicht nur auf Experten aus einem bestimmten Bereich zurückgreife. Auch wenn ich dann natürlich Gefahr laufe, Gegenwind zu bekommen – aber das tut gut, um das Unternehmen voranzubringen.

LEADERSNET: Sie haben es eben kurz angedeutet: Sie wollen die Geschäftsführung erweitern?

Max Klemmer: Ja, es ist perspektivisch auf jeden Fall auf unserer Agenda, Geschäftsführerinnen und Gesellschafterinnen zu etablieren. Das Unternehmen war über drei Generationen nur in männlicher Hand, das möchte ich mit der Neuausrichtung aufbrechen. Als wir 2019 angefangen haben, haben wir uns eine 3-, eine 5- und eine 7-Jahresfrist gesetzt. Drei Jahre, um den Übergang zu bewältigen, um standhaft zu bleiben und um das Rebranding erfolgreich umzusetzen. Fünf Jahre, um die Ernsthaftigkeit und Authentizität unserer Bemühungen zu untermauern. Und sieben Jahre, um die Marke vollständig neu zu positionieren, sodass alle, die mit „Miss Germany“ in Berührung kommen, von unserem neuen Ansatz überzeugt sind. Danach planen wir, den Fokus auch auf die Integration von Frauen in die Geschäftsleitung zu legen.

LEADERSNET: Welche Neuerungen gibt es 2024?

Max Klemmer: Erstmals haben wir eine Dame im Rollstuhl, die mithilfe von Orthesen laufen kann, obwohl sie normalerweise im Rollstuhl sitzen würde. Das Thema Iran und Frauenrechte im Allgemeinen ist für uns von großer Bedeutung. Wir präsentieren Unternehmerinnen, die als Vorbilder in Beruf und Karriere dienen. Zudem legen wir einen starken Fokus auf das Thema Bildung und eine Lehrerin, die das Schulsystem vorantreiben möchte. Jede Frau hat eine einzigartige Geschichte zu erzählen, die es wert ist, gehört zu werden. Unsere Mission ist es, die Geschichten aufzudecken, die bisher möglicherweise übersehen wurden, und den Frauen eine Stimme zu verleihen, indem wir sie identifizieren und über verschiedene Formate einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Auch im Finale am 24. Februar 2024 im Europa-Park in Rust werden wir diese Geschichten, Persönlichkeiten und Charaktere präsentieren. Übrigens: Bereits seit 2019 haben wir die Altersbeschränkungen erhöht, 2022 haben wir sie ganz aufgehoben.

LEADERSNET: 2027 feiern Sie „100 Jahre Miss Germany“. Haben Sie schon Pläne für das Jubiläum?

Max Klemmer: Wir planen ein größeres Special, in dem wir auf die Historie und die Entwicklung zurückblicken werden. Ich finde es besonders spannend, dass wir in Deutschland ein Vorbild sein können, indem wir den Miss-Contest neu erfinden und ihn als Exportschlager etablieren, beispielsweise in Lateinamerika oder anderen Ländern, wo der klassische Schönheitswettbewerb mit Bikini und äußerlichen Merkmalen noch stark im Vordergrund steht. Dort könnte das Thema gesellschaftlicher Wandel weitergedacht werden, indem Frauen aufgrund ihrer inneren Werte und nicht aufgrund ihres Aussehens als Vorbilder angesehen werden.

LEADERSNET: Wie finden Sie in Zeiten einer Rezension starke Partner und Sponsoren?

Max Klemmer: Das ist tatsächlich eine schweres Pflaster. Dennoch haben wir den Rückhalt von starken Partnern wie dem Europa-Park und anderen, die an unsere Vision und Mission glauben. Der inhaltliche Filter ist die eine Seite, warum sich Unternehmen für uns entschieden, auf der anderen Seite sind Unternehmen wirtschaftlich orientiert, und die Zahlen müssen stimmen, damit sie Budgets und Mittel für uns einsetzen – da kann die Intension von „Miss Germany“ noch so schön und gut sein… Die Reichweite, die wir erzielen, ist wichtig, um unsere Partner zu überzeugen. Wir haben eine gute Balance gefunden, um all das zu bewerkstelligen, und betrachten nüchtern, was wir verbessern müssen. Dabei haben wir den strategischen Weitblick, um die richtigen Partner zu gewinnen und Prioritäten zu setzen – auch langfristig gesehen. Ganz nüchtern betrachtet ist es: Durchhaltevermögen, Standfestigkeit und Klinken putzen. Corona war für uns als klassisches Event-Unternehmen schon nicht einfach, dann der Ukraine-Krieg, die allgemeine wirtschaftliche Lage… Dass wir alles schaffen, ist der Teamleistung zu verdanken, wir ziehen alle an einem Strang und haben einen langen Atem. Von jetzt auf gleich kann man ein Projekt wie „Miss Germany“ nicht umdrehen.

LEADERSNET: Was sind Ihre wichtigsten Kanäle, um für Reichweite zu sorgen?

Max Klemmer: Wir nutzen klassische Presseberichterstattung, wie beispielsweise Printmagazine und TV. Gleichzeitig setzen wir auch auf Social Media: Auf LinkedIn verfolgen wir B2B-Strategien verfolgen. Auf Instagram zeigen wir beispielsweise, dass nicht immer alles reibungslos verläuft. Wir legen Wert auf eine Nahbarkeit.

LEADERSNET: Sie haben eine große Metamorphose hinter sich. Wie viel hat sie das gekostet – monetär und mental?

Max Klemmer: Sehr viel. Mental gesehen gab es zwei Komponenten: Extern wurde ich oft gefragt, warum ich alles auf den Kopf stelle und warum ich auf den Diversity-Zug aufspringe. Intern war das Thema in der Familie nicht einfach: Man ist 24 Stunden am Tag zusammen und merkt, dass alles in eine komplett konträre Richtung läuft. Eine große, menschliche Herausforderung. Mein Vater und ich haben sehr unterschiedliche Ansichten, die einfach nicht übereinander passen. Nur, weil es ein Familienunternehmen ist, heißt das nicht, dass man es für immer miteinander betreiben muss.

LEADERSNET: Bedeutet konkret?

Max Klemmer: Man muss sich nüchtern hinsetzen und sich fragen: Passt das eigentlich und tut das dem Unternehmen und den Mitarbeitenden gut? Was wollen wir erreichen? Es war ein emotionaler Prozess. Auch finanziell war es in den letzten drei, vier Jahren ein Kraftakt: Die Unternehmensanteile meines Vaters abkaufen, ausbleibende Sponsoring-Erlöse, ich habe persönlich sehr viel investiert. Aber ich will auf lange Sicht das Unternehmen transformieren und ich möchte ein positives Beispiel sein, dass Wirtschaftlichkeit mit inhaltlich positiven Werten vereinbar ist und einen positiven Impact auf die Gesellschaft hat. Meiner Meinung nach muss in Zukunft jedes Unternehmen und jedes Produkt so umgeshiftet werden, dass es den Konsument:innen inhaltlich gefällt.

LEADERSNET: Schaffen Sie es heute, Berufliches und Privates am Familientisch besser zu trennen?

Max Klemmer: Ja, es bringt einfach nichts mehr, wenn man komplett konträr denkt, das Finale im Europa-Park besucht meine Familie natürlich.

LEADERSNET: Wie definieren Sie heute Schönheit für sich?

Max Klemmer: Ich glaube, Schönheit ist Individualität, ich mag es, wenn ein Mensch Ecken und Kanten hat.

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