Die Reiselust steigt trotz Inflation

| Alexander Schöpf 
| 02.01.2023

Der Rotstift ist aber mit im Gepäck: Sieben von zehn wollen sparen, indem sie weniger reisen, den Aufenthalt verkürzen oder auf Aktivitäten und Komfort verzichten.

Die aktuellen Preissteigerungen bereiten sehr vielen Menschen Sorgen und das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf den Konsum und die Urlaubspläne der Deutschen: Eine deutliche Mehrheit will beim Reisen kürzertreten, indem sie etwa nicht mehr so weit, kürzer, seltener oder günstiger verreisen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland unter 1.000 Menschen in Deutschland zwischen 18 und 65 Jahren. PwC vergleicht zudem die aktuellen Erkenntnisse mit den Ergebnissen einer gleich angelegten Befragung von Ende April 2022.

Steigende Preise, schwindende Zuversicht

Knapp die Hälfte der Befragten stuft ihre finanzielle Situation als schlecht ein – im Frühjahr war es noch rund jede:r dritte. Die Hoffnung, dass sich die eigene Finanzlage in den kommenden sechs Monaten verbessert oder zumindest nicht verschlechtert, teilen aktuell 58 Prozent. Im April zeigten sich noch 67 Prozent der Befragten optimistisch. Die hohe Inflation treibt die große Mehrheit der Befragten nach wie vor um: 84 Prozent zeigen sich wegen steigender Preise besorgt – nahezu unverändert seit April.

Der erklärte Sparwille der Deutschen ist bei allen Individual- und Pauschalreisen im In- und europäischem Ausland leicht rückläufig – verbleibt aber auf einem hohen Niveau: Mehr als 70 Prozent der bekennenden Pauschalreisenden denken darüber nach, günstiger, kürzer oder gar nicht zu verreisen. Auch wenn der Rotstift bei Individualreisen ins Ausland weniger als im Frühjahr angesetzt wird, sucht die große Mehrheit Wege, die Reise günstiger zu gestalten.

Grafik: Umfrage zum Reiseverhalten
© PwC Deutschland

Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland, erklärt: "Unsere Befragung zeigt: Der Sparwille bei der Urlaubsplanung folgt nicht der steigenden Inflation – er ist in der Tendenz sogar leicht rückläufig. Das unterstreicht einmal mehr, welchen Stellenwert der Urlaub für die Menschen in Deutschland besitzt. An welcher Stelle die Urlaubsreisenden Kosten sparen wollen, sollten nicht nur die Anbieter von Reisen, sondern auch Veranstalter von Events und anderen Urlaubsaktivitäten wachsam verfolgen."

Reisetyp, Unterkunft und Transportmittel auf dem Prüfstand

Übernachtungen im Hotel werden gegenüber dem Frühjahr unverändert von 69 Prozent der Gäste als Einsparziel gewertet. Bei Ferienanlagen mit Freizeit- oder Wellnessangebot denken weniger Reisende über einen Verzicht nach (-8 Prozentpunkte), aber auch private Übernachtungsmöglichkeiten (-6 Prozentpunkte) und Camping (-4 Prozentpunkte) erholen sich gegenüber der Einschätzung im April leicht. Trotzdem: Eine deutliche Mehrheit denkt weiterhin über Einsparungen bei der Wahl der Unterkunft nach.

Mit Blick auf das Transportmittel würden die Befragten insbesondere bei Flugreisen kürzertreten: Rund 69 Prozent der potenziellen Fluggäste wollen weniger fliegen. Das sind etwas weniger als im April (73 Prozent). Bei der Nutzung von Schiff (69 Prozent) und Bahn (60 Prozent) ist dieselbe Tendenz zu erkennen. Der PKW steht trotz gestiegener Treibstoffkosten deutlich weniger auf der roten Liste (56 Prozent).

Urlaub im eigenen Land wird beliebter

Urlaub im eigenen Land ist aktuell für 62 Prozent der Menschen eine Option (+7 Prozentpunkte). Die gestiegene Reiselust ist jedoch mit Kürzungen im Detail verbunden. So würden aufgrund der bereits wahrgenommenen und prognostizierten Preissteigerung zwei Drittel der Befragten ihre Kurzurlaube innerhalb Deutschlands – etwa Städtetrips für Museums- oder Konzertbesuche sowie andere kulturelle Veranstaltungen – einschränken. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als im Frühjahr. Auch geben 60 Prozent an, den Komfort und den Umfang der Aktivitäten zu reduzieren.

Auf der anderen Seite könnten sich 36 Prozent der Befragten vorstellen, bewusst längere Urlaube oder eine "Workation" (eine Reise, die Urlaub und Arbeit verbindet – Anm. d. Red.) in Deutschland zu machen, um Energiekosten in der eigenen Wohnung zu sparen. Ein längerer Aufenthalt im Ausland aus den genannten Gründen ist immerhin für 19 Prozent eine Option.

Urlaub im Ausland ist für 38 Prozent der Befragten in den nächsten sechs Monaten eine Option (-6 Prozentpunkte gegenüber April). Gleichzeitig wird sich im Ausland aber mehr gegönnt: Mit Blick auf die Unterkunft bevorzugen nur noch 35 Prozent eine Variante mit Selbstversorgung; in der Aprilbefragung waren es noch 17 Prozentpunkte mehr. Auch denken nur noch 37 Prozent der Befragten darüber nach, Kurztrips für Sport und Kultur im Ausland auf die Streichliste zu setzen. Im Frühjahr waren es noch 52 Prozent.

Diese Ausgaben werden gekürzt, um reisen zu können

Um sich auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten Ferien leisten zu können, sind viele Menschen zu Einschränkungen in anderen Bereichen bereit: So gab die Mehrheit an, sich aus diesem Grund bei anderen Anschaffungen einschränken. Ganz vorn stehen Schmuck und Möbel: Hier wollen 66 beziehungsweise 59 Prozent ihre Ausgaben reduzieren, um das Reisebudget nicht kürzen zu müssen. Dicht gefolgt finden sich auf der Liste mit 58 Prozent Events- und Kulturveranstaltungen.

"Die große Bereitschaft, nun zugunsten eines Urlaubs andere Anschaffungen zurückzustellen, dürfte der Umwidmung des eigentlichen Reisebudgets im Pandemiezeitraum geschuldet sein. Aber: Der jetzt mehrheitlich formulierte Verzicht auf Kultur- und Sportveranstaltungen sowie weitere Events sollte die Alarmglocken der Veranstalter ertönen lassen. Hier könnte sich ein Trend abzeichnen, der die Gewöhnung der Zuschauer an digitale Formate wie Streamingdienste oder Videokonferenzen verstärkt und die Eventbranche vor große Herausforderungen stellen dürfte", gibt Ingo Bauer zu Bedenken.

www.pwc.de

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