Die Koalition hat sich auf ein Reformpaket geeinigt, das unter anderem die sogenannte Aktivrente enthält. Laut einem Bericht von ntv soll die Maßnahme vor allem den Verbleib älterer Menschen im Erwerbsleben fördern und steuerliche Anreize für längeres Arbeiten schaffen. Diese Maßnahme zielt darauf ab, ältere Menschen länger im Berufsleben zu halten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ab Januar 2026 sollen Rentner:innen unter bestimmten Bedingungen bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei dazuverdienen dürfen – ein Systemwechsel mit sozialpolitischer Sprengkraft.
Beschäftigung im Alter soll attraktiver werden
Die Aktivrente ist als Antwort auf die demografische Entwicklung gedacht: In den kommenden 15 Jahren werden laut Statistischem Bundesamt rund 13,9 Millionen Erwerbstätige das Rentenalter erreichen. Um dem drohenden Arbeitskräftemangel zu begegnen, sollen ältere Menschen durch steuerliche Entlastungen motiviert werden, länger zu arbeiten.
Konkret sieht die Regelung vor, dass Personen im Ruhestand, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei dazuverdienen können – vorausgesetzt, sie arbeiten weiterhin sozialversicherungspflichtig. Auch Überstunden über das reguläre Vollzeitmaß hinaus sowie die Aufstockung von Teilzeit auf Vollzeit sollen steuerfrei bleiben. Zudem fällt die Aktivrente nicht unter den Progressionsvorbehalt.
Zusätzlich plant die Bundesregierung Informationskampagnen, um die Vorteile der Aktivrente sichtbar zu machen und Unternehmen sowie ältere Beschäftigte umfassend zu beraten. Dabei sollen insbesondere kleine und mittelständische Betriebe unterstützt werden, um altersgerechte Arbeitsplätze zu schaffen und flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten.
Ein weiterer Bestandteil der Maßnahme ist die stärkere Verzahnung mit Weiterbildungsangeboten: Wer über die Regelaltersgrenze hinaus tätig bleiben will, soll künftig leichter Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erhalten. So soll sichergestellt werden, dass auch ältere Arbeitnehmer:innen ihre Kompetenzen an den aktuellen Bedarf des Arbeitsmarkts anpassen können.
Kritik an Ausschluss von Selbstständigen
Während Angestellte von der neuen Regelung erheblich profitieren könnten, sind Selbstständige außen vor – und das sorgt für scharfe Kritik. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden gerade Unternehmer:innen und Freiberufler:innen häufig auch im Alter weiterarbeiten. Ihre systematische Ausgrenzung von der Aktivrente könnte verfassungsrechtlich problematisch sein.
"Es ist kaum vermittelbar, dass dieselben Einkommen unterschiedlich behandelt werden – nur abhängig von der Art der Beschäftigung", heißt es in der Analyse. Zudem kritisieren Expert:innen, dass viele ältere Menschen aus gesundheitlichen oder familiären Gründen gar nicht in der Lage seien, weiterzuarbeiten – und daher leer ausgingen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die fehlende Berücksichtigung von Care-Arbeit. Menschen, die im Ruhestand Angehörige pflegen oder sich ehrenamtlich engagieren, haben keine Möglichkeit, von der Aktivrente zu profitieren – obwohl sie einen gesellschaftlich relevanten Beitrag leisten. Hier fordern Sozialverbände Nachbesserungen, um eine gerechtere Verteilung der Vorteile zu erreichen.
Potenzial, aber auch Kosten
Aktuell arbeiten bereits über 313.000 Menschen ab 66 Jahren sozialversicherungspflichtig – Tendenz steigend. Rechnet man Minijobber:innen (645.000) und Selbstständige (272.000) hinzu, wird deutlich, dass die Erwerbsbeteiligung im Rentenalter kein Randphänomen mehr ist.
Finanzpolitisch könnte die Aktivrente zu Steuerausfällen von bis zu 800 Millionen Euro pro Jahr führen. Laut DIW könnten diese jedoch kompensiert werden, wenn etwa 75.000 zusätzliche Rentner:innen durch die Reform motiviert würden, im Arbeitsmarkt zu verbleiben. Langfristig würden auch die Sozialkassen profitieren, da weiterarbeitende Senior:innen Beiträge zahlen und durch die verlängerte Erwerbstätigkeit später in den vollen Rentenbezug gehen.
Für Arbeitnehmer:innen, die über die Regelaltersgrenze hinaus aktiv bleiben, winkt zudem ein Rentenzuschlag: Pro Monat Weiterarbeit erhöht sich der Anspruch um 0,5 Prozent.
Hinzu kommt ein weiterer positiver Effekt: Unternehmen könnten von der Erfahrung und Expertise älterer Beschäftigter profitieren. Insbesondere in wissensintensiven Branchen oder bei Fachkräften mit langjähriger Betriebszugehörigkeit kann der Wissenstransfer zwischen den Generationen zu einem strategischen Vorteil werden.
Allerdings warnt das DIW auch vor einem möglichen Verdrängungseffekt: Wenn ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben bleiben, könnten Jüngere unter Umständen weniger schnell aufsteigen oder Stellen übernehmen. Hier sei ein ausgewogenes Gleichgewicht nötig, um Generationenkonflikte im Arbeitsumfeld zu vermeiden.
Häufige Fragen zur Aktivrente
Wem steht die Aktivrente zur Verfügung?
Personen, die das reguläre Rentenalter erreicht haben und sich für eine sozialversicherungspflichtige Weiterbeschäftigung entscheiden.
Warum ist die Aktivrente nicht für Selbstständige verfügbar?
Die Regelung betrifft ausschließlich sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen. Selbstständige sind derzeit nicht einbezogen, was auf Kritik stößt.
Welche politischen Ziele verfolgt die Aktivrente?
Sie soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken, den Renteneintritt flexibler gestalten und die sozialen Sicherungssysteme stabilisieren.
Gibt es finanzielle Nachteile für den Staat?
Kurzfristig entstehen Steuerausfälle, die jedoch durch höhere Beitrags- und Steuereinnahmen kompensiert werden könnten.
Welche weiteren Effekte werden erwartet?
Ein besserer Wissenstransfer zwischen den Generationen sowie mehr Flexibilität im Übergang zwischen Erwerbstätigkeit und Ruhestand.
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