10 Jahre nach dem Abgasbetrug
VW Dieselskandal kostet Milliarden und endet nicht

Zehn Jahre nach dem Ausbruch des VW-Dieselskandals zeigen sich die Folgen noch immer – juristisch, wirtschaftlich und reputativ. Während Ex-Manager vor Gericht stehen, verliert der Dieselantrieb an Marktanteil und das Image deutscher Ingenieurskunst bleibt beschädigt. Ein Rückblick auf ein Kapitel, das die Automobilwelt nachhaltig veränderte.

 Am 18. September 2015 wurde bekannt, dass der Volkswagen-Konzern über Jahre hinweg Diesel-Fahrzeuge mit illegaler Software ausgestattet hatte, um Abgastests zu manipulieren. Was als Umweltbetrug begann, entwickelte sich zum größten Skandal der deutschen Automobilindustrie – mit Kosten in Milliardenhöhe, massiven Konsequenzen für das Management und weitreichenden Auswirkungen auf die gesamte Branche.

Manipulierte Werte und zerplatzte Träume

Im Nachhinein erscheint die IAA 2015 in Frankfurt als Wendepunkt. Ausgerechnet zur weltweit wichtigsten Automesse veröffentlichte die US-Umweltbehörde EPA ein Schreiben, in dem sie VW systematischen Abgasbetrug vorwarf. Der Konzern hatte Motorsteuerungen so programmiert, dass die Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand die Grenzwerte einhielten. Auf der Straße jedoch stießen sie bis zu 40 Mal mehr Stickoxide aus.

Betroffen waren weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge, davon 2,5 Millionen in Deutschland. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten: Rückrufe, Nachrüstprogramme, ein beispielloser Imageschaden – und ein Führungswechsel an der Spitze. CEO Martin Winterkorn trat wenige Tage später zurück, ebenso zahlreiche weitere Vorstände. Audi-Chef Rupert Stadler kam sogar in Untersuchungshaft. Der Skandal traf nicht nur VW, sondern strahlte auf die gesamte deutsche Automobilbranche aus und führte auch bei anderen Herstellern zu intensiven Überprüfungen der Abgastechnik.

In den USA wurden Sammelklagen eingereicht, Milliardenstrafen verhängt und das Vertrauen in deutsche Marken auf Jahre erschüttert. VW wurde in der Folge zum Sinnbild für eine Industrie, die sich lange auf alte Technologien verlassen hatte und nun zum Umdenken gezwungen wurde.

Milliardenkosten und der politische Rückhalt

Laut Konzernangaben summierten sich die Kosten auf über 33 Milliarden Euro – für Rückstellungen, Bußgelder, Vergleiche und juristische Verfahren. Der Reputationsverlust war jedoch unbezahlbar, vor allem in den USA, wo das Label "Made in Germany" lange als Gütesiegel galt. Auch andere Hersteller gerieten infolge des Skandals ins Visier der Behörden, die gesamte Branche verlor Vertrauen – nicht nur bei Konsument:innen, sondern auch in der Politik.

Ein prominentes Beispiel: Angela Merkel sprach 2018 auf dem Deutschlandtag der Jungen Union von "Lüge und Betrug" innerhalb der Industrie – ein ungewohnt scharfer Ton aus dem Kanzleramt. Zugleich beschleunigte der Skandal die Transformation: VW investierte massiv in Elektromobilität, auch um das beschädigte Image zu reparieren. Doch wie Autoexperte Stefan Bratzel sagt: "Die 33 Milliarden Euro hätte VW für die Antriebswende gut gebrauchen können."

Gleichzeitig sah sich die Politik gezwungen, strengere Emissionsgrenzwerte einzuführen. Die Europäische Union verschärfte ihre Prüfverfahren und führte den sogenannten WLTP-Zyklus ein, der realitätsnähere Verbrauchs- und Emissionswerte liefern soll. Für die Industrie bedeutete das: mehr technische Herausforderungen, höhere Investitionen – aber auch ein beschleunigter Wandel hin zu nachhaltigen Antriebslösungen.

Strafprozesse und sinkende Dieselquote

Die juristische Aufarbeitung ist auch ein Jahrzehnt später nicht abgeschlossen. In mehreren Ländern laufen weiterhin Verfahren gegen frühere VW- und Audi-Manager. Erst vor wenigen Wochen verurteilte das Landgericht Braunschweig vier ehemalige Führungskräfte, zwei davon zu mehrjährigen Haftstrafen, zwei auf Bewährung. Besonders im Fokus: der damalige Entwicklungsleiter für Dieselmotoren – er erhielt viereinhalb Jahre Haft. Gegen Rupert Stadler wurde eine Bewährungsstrafe ausgesprochen, gegen die er Revision eingelegt hat. Martin Winterkorn hingegen blieb aufgrund gesundheitlicher Gründe bisher von einem Prozess verschont.

Laut eines Berichts von BR24  beschäftigen sich auch Zivilgerichte weiter mit dem Skandal. Zehntausende Käufer klagten erfolgreich auf Schadensersatz. Die Musterfeststellungsklage endete in einem Vergleich. Und es geht weiter: Für den 12. Januar 2026 ist der zweite große Audi-Prozess angesetzt, in dem vier Ex-Manager unter anderem wegen Betrugs und strafbarer Werbung angeklagt sind.

Rechtswissenschaftler:innen sehen im Dieselskandal ein Präzedenzfall für Verbraucherrechte und Konzernverantwortung. Die Prozesse beeinflussen nicht nur juristische Standards, sondern prägen auch das Verhältnis zwischen Industrie und Gesellschaft neu. Gleichzeitig wachsen die Erwartungen an eine konsequente Regulierung – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Nicht zuletzt veränderte der Skandal auch das Käuferverhalten: Laut Kraftfahrt-Bundesamt fiel der Dieselanteil bei Neuzulassungen in Deutschland von fast 50 Prozent im Jahr 2015 auf nur noch 13 Prozent im August 2025. Alternative Antriebe – insbesondere batterieelektrische Modelle – legen hingegen stark zu. Der Dieselmotor, einst Rückgrat deutscher Mobilität, scheint zunehmend ein Auslaufmodell zu sein.

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