Unternehmenstrends im Blick – Vorteile und Defizite

| Redaktion 
| 11.10.2023

Es gibt viele Strategien und Trends die Unternehmensstruktur und Mitarbeiterführung betreffend, die die letzten Jahre wahrscheinlich schon jedem Unternehmer begegnet sind. Doch ist der Hype um flache Hierarchien, Home-Office und Vier-Tage-Woche gerechtfertigt oder werden traditionellere Modelle auch weiterhin die Norm sein?

Egal wo man hinsieht, es herrscht ein ständiger Kampf zwischen Traditionalisten und Reformern. Während überall von Digitalisierung gesprochen wird, entstehen gleichzeitig Gegenbewegungen wie die „Offliner“ welche sich nach ruhigeren Zeiten ohne den Druck von Social-Media sehnen. Während die Möglichkeiten von CGI immer größere und beeindruckendere Filme entstehen lassen, verzichten andere Regisseure ganz bewusst auf diese Hilfsmittel und wenden sich wieder den praktischen Effekten zu. Und auch im Sport wird man nicht verschont. Während die einen den Fußball gerne noch moderner hätten und auf Smart-Stadion und KI-Kommentatoren befürworten, ist anderen schon der Videoassistent zu viel und sie sehnen sich nach einem unverfälschten Erlebnis. Oft haben beide Seiten gute Argumente, bis sich aber eine Seite klar durchgesetzt hat, kann es mitunter dauern. 

Bei Fragen der Unternehmensführung ist es nicht anders. Viele Trends tauchen in den letzten Jahren auf, die für sich in Anspruch nehmen, die Arbeitswelt dauerhaft zu revolutionieren. Und da sich die unterschiedlichen Generationen in der Art unterscheiden, unter welchen Bedingungen sie arbeiten wollen, erscheint es vielen Unternehmern realistisch, die neusten Vorschläge zumindest einmal auszuprobieren. Aber natürlich möchte niemand aufs falsche Pferd gesetzt haben, und einmal geänderte Regelungen wie etwa in Bezug auf Home-Office oder flexible Arbeitszeiten lassen sich oft nur unter lautstarkem Protest der Mitarbeiter zurücknehmen. Es lohnt sich daher ein paar der aktuelleren Trends einmal genauer anzuschauen. 

Die Vier-Tage-Woche

Während für die Generation der Baby-Boomer die Frage nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance meist keine Rolle spielte, sind Millennials und Gen Z für mehr Freizeit sogar bereit auf Gehalt zu verzichten. Es ist auch in der Forschung unumstritten, dass ein ausgeruhter Mitarbeiter produktiver ist als ein auf den Burn-Out zu Rasender. Daher verwundert es nicht, dass Forderungen nach der Vier-Tage-Woche lauter werden. 

Die Idee dahinter ist, dass Mitarbeiter einen Teil der Arbeitszeit sowieso mit „trödeln“, also erst einmal unproduktiven Tätigkeiten, verbringt. Das ist soweit natürlich normal, die wenigsten können stundenlang konzentriert und ohne Unterbrechungen arbeiten. Wer jedoch das Angebot bekommt, bei vollem Gehalt einen ganzen Tag weniger arbeiten zu müssen, sofern das gleiche Arbeitspensum erreicht wird, wird sich die Idee zumindest einmal durch den Kopf gehen lassen. 

Adobe.stock © Studio Romantic
Adobe.stock © Studio Romantic

In der Praxis gibt es aber trotzdem Probleme. Nicht jeder Beruf ist für die Vier-Tage-Woche geeignet, etwa im Dienstleistungsbereich. Eine Bedienung in einem Restaurant zum Beispiel, die einen Tag weniger kommt, hinterlässt nicht nur eine unbesetzte Schicht, sie wird es kaum schaffen, den fehlenden Tag auf das Arbeitspensum anderer Arbeitstage aufzuteilen. Ähnlich verhält es sich mit der Sicherheitskraft oder dem Lokführer. Ergo muss der Arbeitgeber in diesem Fall mehr Personal einstellen, ohne unbedingt von gesteigerter Produktivität zu profitieren. 

Und selbst für den optimalen Fall, dass sowohl Arbeitstätigkeit als auch die Arbeitsmenge es möglich macht, in die Vier-Tage-Woche zu wechseln, bedeutet dies noch nicht, dass die Work-Life-Balance besser dasteht. Denn eine Verminderung der Arbeitszeit bei gleichbleibender Arbeitslast kann schnell zu sehr viel Stress führen. Sollte Arbeit etwa liegenbleiben, können Überstunden die Folge sein, oder sogar noch schlimmer, die Angestellten nehmen die Arbeit mit nach Hause und arbeiten dort weiter, um die Aufgaben dennoch zu erledigen. Schon jetzt arbeiten einige heimlich zu Hause, um etwa Projekte fertigzustellen. Dieses Problem könnte sich verschärfen und negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden haben. 

Das Home-Office

Auch das Home-Office verspricht eine bessere Work-Life-Balance. Gerade Pendler, die viel Zeit mit der Anfahrt verbringen, sparen durch Home-Office teils zweistellige Stunden an Fahrtwegen ein. Anstatt sich frühmorgens hektisch für den Büroalltag vorzubereiten, reicht zu Hause manchmal auch die Katzenwäsche aus. Entspannt eine Tasse Kaffee machen und danach zum Computer, viel mehr Vorbereitung braucht es daheim oft nicht. Ähnlich wie bei der Vier-Tage-Woche sollen hier die Arbeitgeber ebenfalls von entspannteren Mitarbeitern profitieren.

Aber beim Home-Office gibt es ebenso Fallstricke. Es besteht die Gefahr, dass gerade Mitarbeiter, die in kleinen Wohnungen wohnen, nun keine Trennung mehr zwischen privaten und geschäftlichen Räumen machen können. Wenn das Schlafzimmer gleichzeitig Büro ist, wirken sich Probleme bei der Arbeit deutlich stärker aus. 

Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass die fehlende Trennung dazu einlädt mehr Zeit zu vertrödeln. Immerhin sind die Ablenkungsmöglichkeiten zahlreicher als im Büro. Da ebenso niemand über die Schultern sieht, ist die Überwindung zum Checken der E-Mails oder zum Surfen im Internet deutlich leichter.

Nicht zu unterschätzen ist auch die soziale Komponente, die durch diese Arbeitsweise verloren geht. Nicht selten kommen bei Gesprächen am Kaffeeautomaten wichtige Ideen zustande und für das Büroklima ist der direkte Mensch zu Mensch Kontakt auch zuträglich. Gerade im Silicon Valley, einst Vorreiter in Sachen Home-Office, wird daher schon zurückgerudert. So hat Elon Musk 2022 nach der Pandemie die Belegschaft wieder in die Büros beordert. Doch nicht jeder übernimmt direkt eine so harte Haltung, viele Arbeitgeber präferieren ein teilzeitiges Home-Office Modell, bei dem der Beschäftigte zwei Tage von daheim aus arbeiten kann.

Flache Hierarchien

Adobe.stock © fizkes
Adobe.stock © fizkes

Jedes Unternehmen hat eine Struktur, diese ist zwangsläufig hierarchisch aufgebaut. Ein Chef trifft die Entscheidungen und gibt diese einem Teamchef weiter, der sie wiederum an das Team weitergibt. Doch in manchen Unternehmen hat der Mittelbau über die Jahre solche Ausmaße angenommen, dass er träge in der Kommunikation sowohl nach unten als auch nach oben geworden ist. Die Bindung zum Unternehmen leidet auch dadurch, dass die Teams oft isoliert arbeiten und meist nur eine vage Ahnung davon haben, was anderswo gerade aktuell ist.

Flache Hierarchien versuchen es besser zu machen. Der Mittelbau wird geschrumpft, so ist die Distanz zwischen den Mitarbeitern und der Führungsebene nicht mehr zu groß. Es können leichter Ideen oder Verbesserungsvorschläge weitergetragen werden. Gleichzeitig werden die einzelnen Teams auf eine Stufe gehoben, das Erreichen von gemeinsamen Zielen soll etwaigen Konkurrenzkampf ersetzen. Es wird Personen mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit und Initiative einfacher gemacht, sich im Unternehmen einzubringen.

Aber nicht für jeden Betrieb ist es möglich, flache Hierarchien zu entwickeln. Desto größer ein Unternehmen wird, desto notwendiger ist eine funktionierende Befehlskette, die auch Standortübergreifend arbeiten kann. Natürlich fehlen durch weniger Mittelbau auch Aufstiegschancen für Mitarbeiter. Je flacher die Hierarchie wird, umso schwieriger wird es, Mitarbeiter langfristig zu halten. Wer keine Karrieremöglichkeiten sieht, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit nach einem anderen Arbeitgeber suchen.

Ob sich diese Konzepte in Zukunft durchsetzen werden, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Es stimmt, dass mit diesen Strategien Probleme einhergehen. Andererseits ist auf die geänderten Prioritäten der Gen X und Z Rücksicht zu nehmen, wenn man Nachwuchs für den Betrieb bekommen möchte. Gerade wenn die älteren Beschäftigten in den Ruhestand gehen, und neue nachrücken müssen, können diese Strategien Pull-Faktoren für den Betrieb sein. Doch die Firmenwelt ist stets im Wandel und die meisten Unternehmen sind durchaus in der Lage, etwaige unpassende Konzepte zu korrigieren, wie etwa im Silicon Valley.

Letztendlich ist die Frage, ob ein traditionelles Unternehmenskonzept, ein modernerer Aufbau oder eine Mischung aus beidem, welcher Weg passt, sollte erst nach gründlicher Überlegung entschieden werden. Wichtig ist, sich genau über die Vor- und Nachteile zu informieren, mit der Belegschaft den Bedarf zu erörtern und sich auch selbst zu fragen, welche Strategie zur eigenen Führung passt. So verhindert man, einfach blind neuen Trends zu folgen oder allzu starrsinnig an Etabliertem festzuhalten.

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