Telegram-Erfinder Durow: Der Möchtegern-Neo der Tech-Welt

Der Telegram-Gründer Pawel Durow inszeniert sich gerne als Kämpfer für die digitale Freiheit. Dass er eine Plattform für Extremisten geschaffen hat (und Daten doch an Behörden weitergibt), darüber redet er lieber nicht.

Er lässt sich kaum blicken, gibt keine Interviews, lebt asketisch und hält offenbar viel von seinem Waschbrettbauch: Pawel Walerjewitsch Durow ist der Gründer des umstrittenen Messengerdienstes Telegram oder, wie er selbst sagt "Architekt" des mittlerweile über 700 Millionen Nutzer zählenden Netzwerks. Der ursprünglich aus St. Petersburg stammende Programmierer ist dem Magazin Forbes zufolge 17 Milliarden schwer. Er selbst sieht sich aber offenbar weniger als wohlhabender Tekkie, sondern als Verfechter von Privatsphäre und Meinungsfreiheit.

Held der Schwurbler und Verbrecher

Als diesen Helden, der er gerne wäre, sehen ihn auch viele andere. Allerdings handelt es sich dabei um Verschwörungstheoretiker, Coronaleugner und allerhand anderer Schwurbler, Extremisten aller Coleur und Kriminelle wie Frauen-, Waffen- und Drogenhändler. Für all diese Verbrecher und Hass-Prediger hat er ein riesiges, angeblich abhörsicheres Forum geschaffen.

Schon vorher, im Jahr 2006 tüftelt er gemeinsam mit seinem Bruder Nikolai an einem Facebook-Klon. VKontakte („In Kontakt“, später vk.com) etabliert sich in Russland schnell als meistgenutzte Social Media-Seite. Bald bekam er wegen der Privacy Policy des Online-Netzwerks mit dem Inlandsgeheimdienst FSB Probleme – woraufhin er beschloss einen sicheren digitalen Kommunikationskanal zu bauen: Die Idee zu Telegram war geboren.

Briefkastenfirma in Dubai

2014, ein Jahr nachdem der neue Messenger an den Start ging, verließ Durow Russland und eröffnet ein Telegram-Büro in Dubai. Seitdem verläuft sich seine Spur. Er lebt als digitaler Nomade, sieht sich als „Weltbürger“ und arbeitet mit einem engen Zirkel an Vertrauten weiter an der Plattform. In Dubai wurde schon lange kein Telegram-Mitarbeiter mehr gesichtet. Anfragen oder Lösch-Aufforderungen gehen in der Regel ins Leere. Nur mehr über Telegram, Twitter oder Instagram gibt Durow hin und wieder Informationen preis. Zuletzt etwa kritisiert er Apples „obskures“ Zurückhalten von Updates. Er äußert sich zur Rolle Telegrams im Ukraine-Krieg (er warnt gewissermaßen vor Fake-Nachrichten in seinen eigenen Dienst) und er gibt bekannt, dass er nun eine Zeit lang auf Essen verzichten möchte. Dadurch erhofft er sich einen Kreativitätsschub… oder möglicherweise sogar eine Erleuchtung?

Das Gesetz gilt auch für Telegram

Sein Versprechen, "nicht ein Byte" an auf dem Dienst generierten Nutzerdaten weiterzugeben, konnte er übrigens nicht halten. Recherchen des Norddeutschen Rundfunks ergaben, dass Telegram in Deutschland in 25 Fällen Daten an das Bundeskriminalamt (BKA) weitergegeben hat. In knapp 400 Fällen sind Inhalte gelöscht worden. Am Ende musste der Möchtegern-Neo dann doch nachgeben.

www.telegram.org

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