Schlesinger fristlos entlassen: Anwalt erklärt, wann Gier zur Kündigung führt

Gastkommentar von Rechtsanwalt Domenic Böhm zum "rbb-Skandal".

Viele Angestellte, besonders in der Chefetage, lassen sich gern alles von der Firma bezahlen. Aber das hat auch seine Tücken, wie die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger jetzt erfahren musste. Im Februar verzehrte sie satte 1.154,87 Euro mit neun weiteren Gästen. Das private Essen wurde anschließend dem rbb in Rechnung gestellt.

Geschäftsessen werden in der Regel zu hundert Prozent übernommen – wenn es sich denn tatsächlich auch um ein solches handelt. Man sollte sich da schon sicher sein, sonst wird es gefährlich, schließlich nimmt man gerade Firmengeld für privates Vergnügen. Moralisch ist das Verhalten sicherlich verwerflich, aber kann es auch straf- oder zivilrechtlich relevant sein?

Untreue-Vorwürfe wegen falsch abgerechnetem Abendessen

Patricia Schlesinger war Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb). Zuletzt wurde sie 2020 vom Rundfunkrat für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Am 15. August 2022 wurde sie ohne Angabe von Gründen abberufen. Die rechtliche Grundlage gab der § 22 des rbb-Staatsvertrages. Demnach ist die Intendanz nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages. Somit war für die Abberufung keine Begründung nötig.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen gegen Frau Schlesinger aufgenommen. Die Ereignisse im Zusammenhang mit den Untreue-Vorwürfen gegen Frau Schlesinger werden näher hinsichtlich eines Spesenbetrugs untersucht.

Wann handelt es sich um einen Spesenbetrug?

Bei der rechtlichen Aufarbeitung des Skandals geht es im Wesentlichen um ein falsch abgerechnetes Abendessen. Um den Fall korrekt bewerten zu können, stellen sich folgende Fragen: Gab es für das Treffen einen dienstlichen Anlass oder nicht? War die Erstattung der Spesen rechtmäßig oder nicht? Der Abend fand in der Wohnung Schlesingers statt.

Laut Spesenabrechnung wurden mehrere Flaschen Wein und Champagner getrunken. Zu den Gästen gehörte die Polizeichefin von Brandenburg. Wenn es zu dem Treffen einen dienstlichen Anlass gegeben hätte, wäre das Ersetzen der Spesen korrekt. Anders verhält es sich, wenn das nicht der Fall ist. Dann würde es sich um einen sogenannten Spesenbetrug handeln, der verschiedene Folgen hat.

Welche Folgen hat ein Spesenbetrug für einen Arbeitnehmer?

Zunächst ist hier die arbeitsrechtliche Dimension interessant. Ein Spesenbetrug kann zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Neben der Berufung zur Intendantin des rbb hatte Frau Schlesinger auch einen Arbeitsvertrag. Hier geht es nun um die Frage, ob eine Auflösung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt war. Dies hängt vom Umfang des Spesenbetrugs ab, ist aber grundsätzlich denkbar.

Ist der Sachverhalt eines Spesenbetrugs festgestellt worden, hätte dies unter Umständen auch strafrechtliche Auswirkungen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich bei einem gemeinsamen Essen um einen rein privaten Anlass handelt und man sich danach die Ausgaben von der Firma erstatten lässt. Der Strafrahmen für solche Taten liegt bei einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren. Darüber finden im Falle Schlesinger zurzeit weitere Ermittlungen statt.

www.sylvenstein-law.de


 

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Über Domenic Böhm

Domenic Böhm ist Rechtsanwalt und der Partner von Sylvenstein Rechtsanwälte in München. Zusammen mit seinem Partner Dominik Herzog berät und unterstützt er Unternehmer:innen in allen Belangen rund um die Unternehmensführung: von der Erstellung digitaler AGB und Verträge über Themen wie Forderungsmanagement und Medienrecht bis hin zum Arbeitsrecht.

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