Ostdeutsche sind in Führungspositionen nach wie vor Mangelware

In den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medien sind teilweise sogar Rückgänge zu verzeichnen.

Fast 32 Jahre ist die deutsche Wiederverreinigung mittlerweile her und immer noch sind Ostdeutsche in Führungspositionen Mangelware. Bezogen auf ihren Bevölkerungsanteil sind sie sowohl in gesamtdeutschen Führungspositionen als auch in Ostdeutschland selbst stark unterrepräsentiert.

Ein in den letzten Jahren erwartetes Nachrücken Ostdeutscher in Elitepositionen und ein Ansteigen der Anteile fand in vielen der untersuchten gesellschaftlichen Bereiche nicht statt, zeigt eine aktuelle Datenerhebung von MDR und der Universität Leipzig. Sie beschreibt Karrierewege sowie Repräsentanz von Ostdeutschen in bundesdeutschen Elitepositionen.

Großes Potenzial wird zu wenig genutzt

"Ostdeutsche sind in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Das muss sich, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, ändern. Denn es geht dabei um Teilhabechancen und darum, ob ostdeutsche Sichtweisen und Erfahrungen in Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden", konstatierte Carsten Schneider, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, vor wenigen Tagen im Berliner "Haus der Bundespressekonferenz", wo die Studienergebnisse präsentiert wurden.

Es gehe auch um das große Potenzial der Ostdeutschen, das zu wenig genutzt werde, so Schneider weiter. Die Ampel-Koalition habe vereinbart, die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen zu verbessern und für die Ebene des Bundes bis Ende 2022 ein Konzept vorzulegen.

Auf fachliche Qualifikation als wesentliches Auswahlkriterium setzen

Während in den Bereichen Justiz und Wissenschaft, in denen die fachliche Qualifikation ein wesentliches Auswahlkriterium ist, ein Nachrücken Ostdeutscher in Elitepositionen festzustellen ist, sind in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medien teilweise Rückgänge zu verzeichnen.

  • Politik: In den Landesregierungen lagen die Anteile Ostdeutscher in den Jahren 1991, 2004 und 2016 bei mindestens 70 Prozent, aktuell liegen sie bei nur noch 60 Prozent. Unter den Staatssekretär:innen ist der Anteil seit 2016 stetig gestiegen auf nunmehr 52 Prozent.

  • Wirtschaft: In der Leitung der 100 größten ostdeutschen Unternehmen ist der Anteil Ostdeutscher von 52 Prozent (2004) und 45 Prozent (2016) auf 27 Prozent gesunken. Auf der Stellvertreter:innenposition liegt er bei 20 Prozent.

  • Wissenschaft: 17 Prozent der Hochschulrektor:innen bzw. -präsident:innen der größten ostdeutschen Hochschulen haben eine ostdeutsche Herkunft. Unter den Kanzler:innen sind es 50 Prozent. Die Werte sind im Zeitvergleich stabil. An der Spitze ostdeutscher Forschungsinstitute stieg der Anteil Ostdeutscher von 15 auf 20 Prozent.

  • Justiz: In der gesamten Richter:innenschaft oberster ostdeutscher Gerichte stieg der Anteil Ostdeutscher stetig auf mittlerweile 22 Prozent nach 13 Prozent im Jahr 2016. Unter den ermittelten Vorsitzenden Richter:innen ging er von knapp 6 auf 4,5 Prozent zurück.

  • Medien: In den Chefredaktionen der großen Regionalzeitungen ging der Anteil Ostdeutscher von 62 Prozent (2016) auf 43 Prozent zurück. In der jeweiligen Verlagsleitung stieg er von 9 auf 20 Prozent. In den Führungsgremien der drei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die ihr Sendegebiet ganz oder teilweise in Ostdeutschland haben, stieg der Anteil Ostdeutscher stetig an, auf mittlerweile 31 Prozent.

Finger in die Wunde gelegt

"MDR und die Universität Leipzig legen mit der Datenauswertung den Finger in eine Wunde, die viele Ostdeutsche noch immer schmerzt. Umso mehr, weil ihr Anteil auf Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Medien 30 Jahre nach der Wende sogar wieder zurückgeht", sagt der Leiter der Wirtschaftsredaktion des MDR Achim Schöbel. (as)

www.ostdeutscheswirtschaftsforum.de

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