"Uns war es wichtig, mit einer radikal innovativen Lösung etwas völlig Neues zu schaffen"

"Air Up"-Gründerin Lena Jüngst spricht im LEADERSNET-Interview über die Idee, die hinter ihrem Unternehmen steckt und wie das weltweit erste Trinksystem, das Wasser durch Duft aromatisiert, eine Rolle in der Nachhaltigkeit spielen könnte.

Die Idee von "Air Up" ist so abwegig wie genial: Das Team rund um Gründerin Lena Jüngst hat ein Trinksystem entwickelt, bei dem dem Riechzentrum des Menschen vorgegaukelt wird, dass Wasser einen Geschmack hat. Es handelt sich dabei um die sogenannte Technologie des retronasalen Riechens. Via eines Duft-Pods, der auf einer Flasche angebracht wird, werden dem darin enthaltenen Leitungswasser beduftete Luftblasen beigefügt, die im Rachen zum Riechzentrum aufsteigen und vom Gehirn als Geschmack interpretiert werden.

Die Idee klingt nicht nur auf dem Papier gut, sondern scheint auch hervorragend anzukommen. Das Start-up aus München konnte zahlreiche prominente Investoren von seiner Idee überzeugen. So haben sich unter anderem Ralf Dümmel, Frank Thelen, Mila Kunis, Ashton Kutcher aber auch der Getränkekonzern Pepsi Anteile an dem deutschen Unternehmen gesichert. Mit mehr als zwei Millionen verkauften Flaschen und einem Umsatz von 90 Millionen Euro im vergangenen Jahr – heuer sollen es sogar doppelt so viele werden – scheinen alle Zeichen auf Erfolg zu stehen. LEADERSNET hat sich mit Gründerin Lena Jüngst über ihr Unternehmen unterhalten.

LEADERSNET: Woher kam die Idee für "Air Up" und wie lange hat es gedauert, bis das Trinksystem schließlich bereit für den Markt war?

Lena Jüngst: Mein Co-Gründer Tim Jäger und ich haben damals beide Produktdesign an der FH in Schwäbisch Gmünd studiert. Im Sommer 2016 haben wir gemeinsam an unserer Bachelorarbeit mit dem Thema "Neuroscience meets design" gearbeitet. Dabei haben wir uns mit dem Thema retronasales Riechen, also der Aufnahme von Duft über den Mund- und Rachenraum, der vom Gehirn als Geschmack wahrgenommen wird, beschäftigt. Und dann kam der entscheidende neue Gedanke: Wie cool wäre es, wenn wir uns nicht mehr zwischen Gesundheit und Geschmack entscheiden müssten? Damit war ein radikal innovatives Produkt geboren. Wir waren einfach völlig freie Studenten und hatten keine Hemmungen, radikal neue Lösungen zu durchdenken. Für die Bachelorarbeit haben wir dann einen ersten funktionalen Prototyp gebaut, bevor wir uns beide erst einmal anderen beruflichen Herausforderungen widmeten. Zur Gründung von "Air Up" kam es dann drei Jahre später (2019), nachdem unser heutiger COO Fabian Schlang, ein Koch und Lebensmitteltechnologe, die Initialzündung gab, unsere Idee weiterzudenken.

LEADERSNET: Wie funktioniert "Air Up"?

Lena Jüngst: "Air Up" ist das weltweit erste Trinksystem, das Wasser nur durch Duft aromatisiert. Im Vergleich zu anderen Lifestyle Getränken oder "Near Water"-Produkten geben wir aber keine Zusätze ins Wasser. Es ist also ein bisschen wie Magie: man setzt einen mit natürlichen Aromen befüllten Pod auf das Mundstück unserer Flasche. Sobald man an unserem Strohhalm saugt, zieht man mit dem Wasser auch aromatisierte Luft in den Rachenraum. Von dort aus gelangen die Duftmoleküle in unser Riechzentrum und werden als Geschmack wahrgenommen. Kurzum: Unser Gehirn denkt, wir schmecken Kirsche, Limette oder Apfel, dabei nehmen wir ausschließlich pures Wasser zu uns. Das ist nicht nur gut für unsere Gesundheit: Aufgrund der Wiederverwendbarkeit unseres Systems und der Pods reduzieren wir beim Getränkekonsum auch den negativen Einfluss auf die Umwelt.

LEADERSNET: An welche Zielgruppe richtet sich "Air Up" am ehesten?

Lena Jüngst: Unsere wichtigste Zielgruppe ist die Generation Z, also die 18- bis 25-Jährigen. Das sind junge Menschen wie wir, die sich Gedanken machen, wie die Welt von Morgen aussieht und wie unser heutiger Konsum uns und unsere Umwelt nachhaltig beeinflussen wird. Sie sind überzeugt, dass sich die großen Herausforderungen, wie zum Beispiel der Klimawandel, nicht durch ein "Weiter so" lösen lassen – es braucht ein neues Denken, starke Entscheidungen und Innovationen. Gleichzeitig wollen unsere Kund:innen nicht auf einen bestimmten Lifestyle verzichten.

Das alles haben wir mit dieser Zielgruppe aber auch mit Konsument:innen anderer Altersgruppen gemeinsam. Wir wollen mit unserem Produkt einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Konsum emotional attraktiv machen. Entsprechend trifft auch die Tatsache, dass es mit air up leichter fällt und auch Spaß macht, jeden Tag ausreichend Wasser zu trinken, bei vielen auf Begeisterung. Wir haben ein Produkt für alle geschaffen, das den Wunsch nach einer Balance zwischen Genuss, Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein vereint.

LEADERSNET: Aus welchem Grund haben Sie sich für Duftpods und nicht etwa für Brausetabletten entschieden?

Lena Jüngst: Das war für uns ehrlicherweise nie eine Option. Uns war es wichtig, mit einer radikal innovativen Lösung etwas völlig Neues zu schaffen – etwas, das die Bedürfnisse der Konsument:innen und die des Planeten in den Fokus rückt. Es macht uns daher auch wirklich stolz, dass man mit "Air Up" puren Trinkgenuss erlebt, ohne dabei Zucker oder andere Zusätze zu sich zu nehmen.

LEADERSNET: Wie werden die unterschiedlichen Geschmäcker für die Pods ausgewählt?

Lena Jüngst: Um ein möglichst breites und tiefgehendes Verständnis von den Wünschen unserer Konsument:innen aufzubauen, führen wir bei der Kreation unserer Aromen Marktforschungen durch, die die Grundlage für die weitere Entwicklung liefern. Sehen wir bei den dabei eingesendeten Geschmacksvorschlägen von Kund:innen, dass eine Geschmacksrichtung besonders häufig genannt wird, gehen wir anschließend in die weitere Planung.

LEADERSNET: Wie vermarkten Sie Ihr Produkt?

Lena Jüngst: Unser Produkt ist sowohl online in unseren heute insgesamt neun Webshops als auch offline bei unseren ausgewählten Vertriebspartnern erhältlich. Einen Auszug unseres Portfolios finden Kund:innen zusätzlich auf Amazon. Der Fokus liegt für uns jedoch ganz klar auf unserem eigenen Webshop.

LEADERSNET: Wie haben Sie vor, sich am Getränkemarkt zu etablieren?

Lena Jüngst: Mithilfe einer radikal-innovativen Lösung, die Menschen dabei hilft, ihr bisheriges Konsumverhalten zu hinterfragen und endlich genügend Wasser zu konsumieren, ohne dabei auf den Geschmack und Abwechslung verzichten zu müssen.

LEADERSNET: Sie werden immer wieder mit der Start-up-Show "Höhle der Löwen" in Verbindung gebracht. Was hat es damit auf sich?

Lena Jüngst: Das ist tatsächlich ein oft gehörtes Missverständnis. Wir waren nämlich nie bei "Höhle der Löwen". Allerdings haben wir die aus dem TV bekannten Investoren Frank Thelen und Ralf Dümmel im Jahr 2018 als Kapitalgeber für uns und unsere Innovation gewinnen können.

LEADERSNET: Mit welchen Herausforderungen sah sich das Unternehmen während der Entwicklungsphase konfrontiert?

Lena Jüngst: Eine Herausforderung stellte während der Entwicklungsphase zum Beispiel das Design der Flasche dar. Damals hatten wir unseren Investor Frank Thelen noch recht frisch an Bord. Er fand, dass es dem damaligen Entwurf noch an Wiedererkennungswert fehlte. Das war im ersten Moment natürlich ein ziemlicher Rückschlag für unser damals noch sehr kleines Team, das bis dahin so leidenschaftlich an dem Produkt und Design arbeitete. Im Nachhinein sehen wir es aber mit Humor und auch als sehr wertvollen Input, der zum heutigen Look and Feel der Marke beitragen hat.

LEADERSNET: Gab es bei der Testung des Produktes Skepsis auf der Seite der Proband:innen, ob die Duftpods wirklich schmecken?

Lena Jüngst: Es ist vielmehr die Neugierde, die hier überwiegt! Schließlich ist ein radikal-innovatives Produkt wie unseres völlig neu für die Tester:innen. Vor dem ersten Sip aus unserer Flasche sind daher viele gespannt und fragen sich: "Funktioniert das wirklich, dass ich nur über Duft Geschmack wahrnehme?"

LEADERSNET: Wie wurde das Produkt von den Proband:innen während der Testphase angenommen?

Lena Jüngst: Wir erhalten wirklich erfreuliches Feedback – auch ständig von unseren Konsument:innen aus der Community. Viele empfehlen uns weiter an ihre Liebsten oder verschenken die Flasche, weil sie dank "Air Up" mehr Spaß am Wassertrinken haben und sich merklich besser fühlen. Das freut uns natürlich und ist die beste Rückmeldung, die wir uns wünschen könnten.

LEADERSNET: Rückblickend betrachtet, gibt es etwas, dass Sie bezüglich des Entwicklungsprozesses anders machen würden?

Lena Jüngst: Müssten wir heute nochmal starten, dann würden wir beim Verkauf unserer Produkte wohl gleich auf unseren eigenen Webshop setzen. Während der Gründungsphase waren wir aber noch davon überzeugt, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn wir möglichst überall zu finden sind und die Leute das Produkt auch austesten können. Das führte dann dazu, dass unser Team anfangs selbst in Baumärkten stand, um unser Produkt direkt am POS (Point of Sale) zu präsentieren. Das war eine Zeit! Wir haben dann aber recht schnell bemerkt, dass das unter anderem zu einem starken Kontrollverlust bei der Positionierung und des Preises des eigenen Produkts führen kann. Das wollten wir auf keinen Fall riskieren und haben schnell einen Strategiewechsel vorgenommen, der sich ausgezahlt hat.

LEADERSNET: Was wünschen Sie sich aus unternehmerischer Sicht für die Zukunft des Unternehmens? Haben Sie vor weitere Geschmäcker für "Air Up" zu entwickeln?

Lena Jüngst: Wir wollen definitiv kein Ein-Produkt-Unternehmen bleiben. Dafür haben wir viel zu viel Potential und auch viel zu viele neue Ideen. Unser Produkt ist erfolgreich, weil wir damit eine neue Generation erreichen konnten. Eine Generation, die Erlebnis- und Convenience verwöhnt ist und gleichzeitig Angst vor einem Klimawandel hat und sehr auf ihre Gesundheit achtet. „air up" verknüpft ein emotional attraktives Produkt mit verantwortungsvollem Konsum. Wir sind sicher, dass es noch weitere Produktbereiche gibt, wo man ähnliches schaffen kann. Erst einmal fokussieren wir uns aber darauf, das Produkt näher an unsere Kund:innen zu holen und Transportwege zu verkürzen. Parallel bereiten wir uns gerade auf den US-Launch im Sommer vor. Und neben all dem Wachstum müssen wir uns auch als Unternehmen konsolidieren – Geschwindigkeit ist eben nicht alles. Und schließlich werden wir sicher noch für Überraschungen bei der Flasche und den Pods sorgen. (tk)

www.air-up.com

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