LEADERSNET: Sustainable Growth ist das Leitthema der Anuga 2025. Warum gerade dieser Fokus?
Jan Philipp Hartmann: Die Anuga 2025 setzt mit dem Leitthema "Sustainable Growth" einen klaren Fokus auf nachhaltiges Wachstum als zentrale Herausforderung und Chance für die gesamte Lebensmittelbranche. Dabei verstehen wir unter "Sustainable Growth" ein ganzheitliches Wachstum, das ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Es geht nicht nur darum, die Umweltbilanz zu verbessern, sondern auch faire Arbeitsbedingungen zu schaffen und wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Nachhaltigkeit ist längst kein "Nice-to-have" mehr, sondern ein entscheidender Treiber für Innovationen, Geschäftsmodelle und Verbraucherentscheidungen.
LEADERSNET: Wie spiegelt sich das auf der Messe wider?
Jan Philipp Hartmann: Auf der Messe zeigen wir, wie dieser Wandel praktisch umgesetzt werden kann: vom Einsatz nachhaltiger Rohstoffe über ressourcenschonende Produktion und innovative Verpackungslösungen bis hin zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung. Auch Kreislaufwirtschaft, regenerative Landwirtschaft und nachhaltige Lieferketten spielen eine entscheidende Rolle.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt die globale Vernetzung für die Weiterentwicklung der Messe?
Jan Philipp Hartmann: Die Internationalisierung ist für uns von zentraler Bedeutung. Sie macht die Anuga nicht nur zur weltweit führenden Food-&-Beverage-Messe, sondern auch zu einem globalen Marktplatz, der Hersteller, Handel, Start-ups und Innovationstreiber zusammenbringt. Uns ist dabei wichtig, dass wir unserem Kern treu bleiben: Die Anuga ist in erster Linie eine Plattform für den Handel – aber sie wird zunehmend auch von anderen Playern genutzt, die die Branche nachhaltig prägen.
LEADERSNET: Und das in einer Zeit, in der wir in multiplen Krisen stecken…
Jan Philipp Hartmann: Gerade in einer Zeit, die von geopolitischen Spannungen, volatilen Märkten, gestörten Lieferketten und dem dringenden Bedarf an nachhaltigen Lösungen geprägt ist, brauchen Unternehmen Orientierung und Inspiration. Die Anuga schafft diesen Raum. Wir vereinen unterschiedlichste Perspektiven, Märkte und Innovationen und ermöglichen den Dialog zwischen allen relevanten Akteuren. Mit unseren Auslandsveranstaltungen, etwa in Brasilien, Asien oder Italien, bringen wir die Anuga zudem direkt in wichtige Zielmärkte und schaffen so zusätzliche Brücken. Dadurch wächst die Anuga immer stärker zu einer globalen Community zusammen, die weit über die Messetage in Köln hinaus wirkt.
LEADERSNET: Wie haben sich Aussteller- und Besucherstrukturen in den letzten Jahren verändert?
Jan Philipp Hartmann: Die Anuga ist heute internationaler, vielfältiger und dynamischer als je zuvor. Auf Ausstellerseite sehen wir eine deutliche Zunahme von Unternehmen aus Schwellenländern und aufstrebenden Märkten, die neue Produktideen und spannende Innovationen mitbringen. Gleichzeitig wächst der Fokus auf Nachhaltigkeit, Gesundheit und Digitalisierung – Aussteller präsentieren heute viel mehr als nur Produkte, sie zeigen ganzheitliche Lösungen und zukunftsweisende Konzepte. Bei den Besuchern kommen neben klassischen Einkäufern aus Handel und Gastronomie immer mehr Entscheider:innen aus den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und Produktentwicklung. Der internationale Anteil wächst stetig, was den Austausch noch lebendiger macht und neue Impulse bringt. Hinzu kommt die zunehmende Digitalisierung: Immer mehr Teilnehmer:innen nutzen unsere Plattformen und die Anuga-App, um gezielt Kontakte zu knüpfen, Termine zu vereinbaren und ihren Messebesuch effizienter zu gestalten.
LEADERSNET: Wie messen Sie eigentlich den Erfolg einer Messe dieser Größenordnung?
Jan Philipp Hartmann: Die Besucher- und Ausstellerzahlen sind uns als Wirtschaftsunternehmen natürlich ein zentraler Indikator. Für 2025 steuern wir auf die größte Anuga aller Zeiten zu, die Nachfrage ist so hoch, dass wir schon Monate vor der Veranstaltung Wartelistenplätze vergeben. Aber reine Zahlen sind nicht alles. Mindestens genauso wichtig ist für uns die Zufriedenheit unserer Aussteller und Besucher:innen. Wir führen deshalb regelmäßig Befragungen durch und stehen während der gesamten Messe in engem Austausch mit den Teilnehmer:innen. Uns interessiert, wie die Qualität der Kontakte und Geschäftsabschlüsse wahrgenommen wird, wie die Innovationskraft der Aussteller eingeschätzt wird und ob das Eventprogramm überzeugt. Dieses Feedback ist für uns essenziell, denn es zeigt, dass die Anuga mehr ist als eine klassische Handelsmesse: Sie ist ein Innovations- und Wissenshub, der die gesamte Branche inspiriert und vorantreibt.
LEADERSNET: Welche Trends sehen Sie als besonders zukunftsweisend?
Jan Philipp Hartmann: Ganz vorne stehen alternative Proteine – ob pflanzenbasiert, mikrobiell, zellkultiviert oder hybrid. Das Thema gewinnt weltweit enorm an Bedeutung, weil Verbraucher:innen zunehmend nach nachhaltigen, gesunden und gleichzeitig genussvollen Alternativen zu klassischen tierischen Produkten suchen. Um diesen Entwicklungen noch mehr Raum zu geben, haben wir die Anuga Alternatives ins Leben gerufen – eine neue Fachmesse, die 2025 erstmals Teil der Anuga sein wird. Dort präsentieren Unternehmen Innovationen aus pflanzlichen Proteinen, Algen, Pilzen oder zellbasiertem Fleisch.
LEADERSNET: Was begeistert Sie hier am meisten?
Jan Philipp Hartmann: Besonders beeindruckend ist, wie vielfältig und kreativ die Produktentwicklungen geworden sind – von klassischen pflanzenbasierten Fleischalternativen bis hin zu hybriden Produkten, die konventionelle und pflanzliche Zutaten kombinieren. Diese Innovationen sprechen eine breite Konsument:innengruppe an, die nachhaltiger essen möchte, aber trotzdem nicht auf Geschmack und Genuss verzichten will. Auch fermentierte Produkte wie Kimchi oder neu interpretierte pflanzliche Lebensmittel gewinnen enorm an Bedeutung, da sie nicht nur geschmacklich überzeugen, sondern auch einen gesundheitlichen Mehrwert bieten.
LEADERSNET: Wie beeinflusst Digitalisierung den Messebetrieb?
Jan Philipp Hartmann: Sehr stark. Die Digitalisierung hat die Anuga in einen hochgradig vernetzten Marktplatz verwandelt. Mit der Anuga-App können Besucher:innen und Aussteller ihren Messeaufenthalt heute viel effizienter planen und gestalten – vom Ticketmanagement über interaktive Hallenpläne bis hin zu personalisierten Empfehlungen. Besonders spannend ist das Networking: Teilnehmer:innen können Profile anlegen, Interessen hinterlegen und gezielt die passenden Kontakte finden. Über QR-Codes lassen sich Kontaktdaten einfach austauschen, Termine direkt buchen und Leads unkompliziert exportieren. So beginnt der Austausch längst vor der eigentlichen Messe und setzt sich auch danach fort.
LEADERSNET: Warum setzen Sie weiterhin auf den physischen Messebesuch?
Jan Philipp Hartmann: Digitale Formate sind wichtig, um Trends zu diskutieren und Netzwerke das ganze Jahr über zu pflegen. Aber das Erlebnis vor Ort kann nichts ersetzen. Gerade im Food-Segment spielt das sinnliche Erleben eine zentrale Rolle: Produkte müssen gesehen, gerochen, geschmeckt werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie groß die Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen ist. Deshalb setzen wir klar auf die physische Messe als Herzstück der Anuga und ergänzen sie durch hybride Elemente, um Reichweite und Dialog zu erweitern.
LEADERSNET: Wie setzt die Anuga das Thema Nachhaltigkeit ganz konkret auf dem eigenen Messegelände um?
Jan Philipp Hartmann: Wir haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um unseren ökologischen Fußabdruck deutlich zu reduzieren. Auf dem Dach von Halle 11 betreiben wir die größte innerstädtische Photovoltaikanlage Kölns und erweitern diese bis Ende des Jahres auf eine Kapazität von drei Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Auch bei der Wärmeversorgung setzen wir neue Maßstäbe: Gemeinsam mit unseren Partnern E.ON und RheinEnergie stellen wir bis 2028 auf fossilfreie Energie aus dem Grundwasser um. Darüber hinaus sorgen modernisierte Lüftungsanlagen und LED-Beleuchtung dafür, dass wir den Stromverbrauch in den Messehallen um bis zu 50 Prozent senken können. Unser digitales Logistiksystem eSlot steuert die An- und Abfahrten von rund 50.000 Lkw pro Jahr, um Emissionen, Staus und Lärm zu reduzieren. Lebensmittelreste spenden wir an die Tafel, Bodenbeläge werden recycelt, und unser Ziel ist es, bis 2030 mindestens 80 Prozent der verwendeten Materialien wiederzuverwenden.
LEADERSNET: Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Lebensmittelbranche in den nächsten zehn Jahren?
Jan Philipp Hartmann: Ich wünsche mir, dass Innovation und Nachhaltigkeit noch enger zusammenwachsen. Es wäre großartig, wenn neue Technologien und alternative Rohstoffe dabei helfen, hochwertige Ernährung für alle Menschen zugänglich zu machen – ressourcenschonend, fair und transparent. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass Konsument:innen frei entscheiden können, wie sie sich ernähren wollen. Insgesamt wünsche ich mir, dass die Lebensmittelbranche als Treiber für positive Veränderungen wahrgenommen wird – mit innovativen Lösungen, die den Menschen und die Umwelt gleichermaßen in den Mittelpunkt stellen.
LEADERSNET: Was macht Ihnen bei der Arbeit an einer Messe dieser Größenordnung am meisten Freude?
Jan Philipp Hartmann: Das Schönste ist für mich das Gefühl, Teil einer globalen Gemeinschaft zu sein. Weltweit arbeiten so viele Menschen mit Leidenschaft daran, die Anuga möglich zu machen – das eigene Team in Köln ebenso wie unsere Auslandsvertretungen und Partner auf der ganzen Welt. Zu sehen, wie all diese Puzzleteile zusammenkommen, ist faszinierend. Der größte Moment ist aber, wenn am ersten Messetag die Tore öffnen. Plötzlich wird alles lebendig: Menschen begegnen sich, Ideen werden geteilt, Geschäfte angebahnt, Innovationen entdeckt. Dieser Augenblick, in dem die monatelange Arbeit sichtbar wird, ist einfach unbezahlbar.
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