Schneller, schlauer, leerer?
Warum KI am Arbeitsplatz nicht zur Sinnfalle werden darf

| Redaktion 
| 29.07.2025

Ein Meetingraum irgendwo in Berlin. Das Kreativteam einer Agentur lässt sich von einem Sprachmodell zehn Kampagnenideen ausspucken, innerhalb von drei Minuten. Die Vorschläge sind brauchbar, das Ziel erreicht. Trotzdem herrscht Stille. Kein Schulterklopfen. Kein "Gute Idee!". Niemand fühlt sich wirklich verantwortlich. Effizienz: Ja. Zufriedenheit: Fraglich. Mit dem KI-Turbo ist das Ziel schnell erreicht – aber niemand applaudiert, wenn man dort ankommt.

Was hier in einer Szene verdichtet wird, zeigt sich auch empirisch. Eine groß angelegte Studie des MIT Sloan School of Management und Boston Consulting Group untersuchte 3.500 Wissensarbeiter:innen in KI-gestützten Arbeitsprozessen. Das Ergebnis: Zwar stieg die Qualität der Arbeit deutlich, doch die intrinsische Motivation der Teilnehmenden nahm signifikant ab – vor allem dann, wenn die KI genau jenen Teil der Arbeit übernahm, der zwar anstrengend ist, aber das Gefühl von Wirksamkeit erzeugt. Also genau das, was viele als sinnstiftend erleben.

Freilich will niemand, dass Effizienz durch KI zulasten der Motivation geht. Doch genau das droht derzeit in vielen Unternehmen zu geschehen.

Wenn schneller nicht erfüllter heißt

KI-Systeme schreiben Texte, analysieren Daten, entwerfen Produktideen. Alles schneller, oft sogar besser – jedenfalls aus Sicht der Prozesse. Doch was passiert, wenn wir den Weg zum Ziel nicht mehr selbst gehen? Wenn Maschinen die kognitive Schwerarbeit leisten und wir nur noch kontrollieren, was sie liefern?

"Mit KI verhält es sich wie mit Proteinshakes", sagt etwa die Datenschutz- und KI-Expertin Paula Cipierre im manager magazin. "Es mag effizient sein, eine schnelle Mahlzeit auf dem Sprung zu sich zu nehmen. Aber ein Shake ersetzt nicht die Vielfalt und Tiefe, die wir eigentlich brauchen.“

Wenn Technologie das Selbst infrage stellt

Hinter der Frage nach Motivation verbirgt sich noch eine tiefere Dimension: Was macht meine Arbeit noch bedeutungsvoll, wenn Algorithmen sie effizienter erledigen als ich? Schreiben, planen, entscheiden – lange galt das als Ausdruck persönlicher Kompetenz. Wird das durch KI ersetzt, droht ein leiser Bedeutungsverlust: Bin ich noch relevant – oder nur noch Nutznießer technischer Überlegenheit?

Auch im Alltag zeigen sich Spuren dieser Entwicklung: Je mehr Entscheidungen wir auslagern, vom Reiseplan bis zur Formulierung, desto stärker sinkt das Erleben von Autonomie. Und gerade diese Fähigkeit, bewusst zu entscheiden und auch zu scheitern, ist zentral für unser Selbstbild. Die Relevanzfrage verschiebt sich: Von "Was kann ich?" zu "Werde ich überhaupt noch gebraucht?"

KI als Assistent, nicht als Dirigent einsetzen

Was kann eine Führungskraft dem entgegensetzen; wie die Motivation der Mitarbeiter:innen gefördert werden? Ein zentraler Hebel liegt in der Reihenfolge der Arbeit: Wer erst selbst denkt und dann KI nutzt, bleibt geistig aktiv. Wer nur noch auswählt, verliert die Bindung an das Ergebnis.

In Workshops, Projektarbeit oder Content-Entwicklung gilt daher: Die initiale Denkleistung sollte beim Menschen liegen – die KI als Sparringspartner oder Assistent und nicht als Dirigent genutzt werden. Auch Feedbackkultur und Teamarbeit spielen eine Rolle, denn Resonanz entsteht durch Austausch, nicht durch Automatisierung.

Je mehr Technologie übernimmt, desto massiver wird die Sinnfrage an Bedeutung gewinnen. Dabei wird aber nicht die effizienteste, sondern die motivierendste Organisation langfristig die besseren Talente binden. Führung bedeutet deshalb nicht nur, Prozesse zu managen, sondern Räume für echte Teilhabe zu schaffen; sowohl intellektuell als auch emotional.

Denn Mitarbeiter:innen kommen nicht ins Büro, um sich mit Algorithmen auszutauschen. Sie kommen, weil sie Resonanz suchen – und das Gefühl, dass ihre Arbeit etwas bewirkt.

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