Neue Regierung ist vereidigt
Friedrich Merz nimmt historischen Umweg ins Kanzleramt

| Redaktion 
| 06.05.2025

Wie vorgesehen ist Friedrich Merz am Dienstag zum zehnten Bundeskanzler gewählt worden. Allerdings musste der CDU-Politiker auf dem Weg ins Amt einen historischen Dämpfer verkraften: Im ersten Wahlgang fehlte ihm trotz Mehrheit seiner Koalition die nötige Zustimmung; erst ein zweiter Durchlauf am Nachmittag brachte die Entscheidung. Der unerwartet spannende Ablauf wirft neue Fragen zur Stabilität der Regierung auf.

Friedrich Merz schrieb eifrig Notizen, als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner am Dienstagmorgen das weitgehend als Formsache angesehene Ergebnis im Bundestag verkündete: 310 Ja-Stimmen standen gegen 307 Nein-Stimmen; es gab drei Enthaltungen und eine ungültige Stimme – damit fehlte Merz die Unterstützung von sechs Personen, um zum Bundeskanzler ernannt zu werden.

Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, dass der designierte Kanzler im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit verpasst. Nach der Schlappe verließ Merz relativ schnell den Schauplatz, ehe im Bundestag eifrig erarbeitet wurde, ob es noch am selben Tag zu einem zweiten Wahlgang kommen sollte.

Kabinett Merz startet mit Misstrauen und Unsicherheit

Gleichzeitig begann das Rätselraten, wer für den unerwarteten Wahlausgang verantwortlich sein könnte. Gemeinsam verfügt die Koalition aus CDU, CSU und SPD im Bundestag über 328 Abgeordnetensitze, sodass Friedrich Merz bei einem geschlossenen Abstimmungsverhalten mit einer relativ sicheren Wahl im ersten Durchgang hätte rechnen dürfen.

Die geheime Natur der Abstimmung verhindert nähere Rückschlüsse auf die Abweichler. In der Union wurde spekuliert, dass SPD-Abgeordnete womöglich die Unterstützung für Merz verweigert hätten, was aus Reihen der Sozialdemokraten jedoch umgehend dementiert wurde.

CSU-Chef Markus Söder zeigte sich enttäuscht und attestierte einen „Schaden für unser Land und unsere Demokratie. […] Wir brauchen Stabilität wie nie und konnten sie heute nicht erzielen.“

Insbesondere die Oppositionsparteien gingen mit der Schlappe im ersten Wahlgang hart ins Gericht. "Herr Merz sollte direkt abtreten und es sollte der Weg geöffnet werden für Neuwahlen in unserem Land", befand Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion.

"Friedrich Merz bekommt die Quittung für seinen wiederholten Wortbruch. Selbst seine eigene Koalition traut ihm die Kanzlerschaft nicht zu“, schrieb Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek auf X. "Merz ist nicht in der Lage, Brücken zu bauen, und erfüllt damit nicht einmal die Minimalanforderungen an einen Regierungschef. Das unterstreicht der heutige Tag noch einmal deutlich."

Entscheidung erst am Nachmittag

Nach hektischen Beratungen einigten sich Union, SPD, Grüne und Linke darauf, den zweiten Wahlgang noch am selben Tag um 15:15 Uhr abzuhalten. Dies erforderte eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, wozu überraschenderweise auch die Unterstützung der Linken beitrug – der CDU-Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen Zusammenarbeit mit der Linkspartei wurde in Anbetracht der Dringlichkeit außenvorgelassen.

In der Zwischenzeit konnte offenbar die erforderliche Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn am Nachmittag erhielt Friedrich Merz 325 von 618 abgegebenen Stimmen. Während sich sein Umfeld applaudierend erhob, blieb Merz zunächst (mutmaßlich enorm erleichtert) sitzen und nahm die Wahl wenig später an.  

Am späten Nachmittag überreichte der geduldig wartende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Friedrich Merz die Ernennungsurkunde, ehe der zehnte Bundeskanzler wenig später offiziell im Bundestag vereidigt wurde. Anschließend folgten die Minister seines Kabinetts.

Dabei wandte sich Steinmeier auch mit eigenen Worten an die neue Regierung: "Es ist, ich sage das so klar, im Interesse unseres Landes, dass Sie Erfolg haben. Ich wünsche Ihnen Mut und Maß, Geduld in der Auseinandersetzung, Entschlossenheit im Handeln, Klarheit im Ziel und das stete Bewusstsein für das, was uns alle verbindet: Die Verantwortung für die Demokratie und das Wohl derer, in deren Namen Sie handeln."

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