Energieexperte: "Champagnerdiskussion um Wasserstoff ist nicht zielführend"

Michael Sterner von der OTH Regensburg mahnt neue Wege ein, um schnellstmöglich von Kohle, Gas und Öl wegzukommen.

Energiespeicher sind eine der wesentlichen Schlüsseltechnologien für die Energiewende. Um schnellstmöglich von Kohle, Gas und Öl wegzukommen, sind neue Wege gefordert. Eine Champagnerdiskussion um die Nutzung von Wasserstoff sieht Professor Michael Sterner von der OTH Regensburg als Problem an.

"Wir haben immer Energiespeicher genutzt, dabei handelt es sich um die gespeicherte fossile Energie, die die Natur über Millionen Jahre in Form von Kohle, Öl und Gas gebildet hat. Das ist nichts anderes wie uralte Biomasse", so der Energieexperte im VDI-Podcast "Technik aufs Ohr". "Wir müssen schnellstmöglich weg von Kohle, Öl und Gas und uns andere Energiespeicher suchen." Als Beispiel nennt er die Speicherung von Wind- und Solarenergie, wenn "wir keine Sonne haben". 

Energiewende aus Europa heraus nicht leistbar

Deutschland will und muss klimaneutral und unabhängig von fossilen Energieträgern werden. "Die Fläche der Atacama-Wüste würde ausreichen, um uns genügend erneuerbares Gas zu liefern – und zwar zu denselben Preisen, wie wir es aktuell aus Katar importieren", gibt der Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an. Erneuerbare sind nach ihm auf der Welt verfügbar, die Frage sei, wie wir diese verfügbar und transportierbar machen.

"Wir werden die Energiewende allein aus Europa heraus nicht stemmen. Wir hätten zwar die Potenziale, aber nicht die Akzeptanz", schildert Sterner im Podcast. Besonders störend empfindet er die Debatte um die Nutzung von Wasserstoff: "Diese Champagnerdiskussion, dass Wasserstoff so knapp, wertvoll und ineffiezient ist, halte ich für nicht zielführend. Wir wissen, dass wir es in Zukunft brauchen." "Allein für die Stahlerzeugung bräuchten wir 5.000 Windräder, um Wasserstoff herzustellen", führt er weiter aus. Nach ihm müsste die Dimension der großen Herausforderungen in den Fokus rücken: "Wenn wir uns weiter in Grabenkämpfen wie E-Auto versus Verbrenner verlieren, sehen wir die Dimension des Problems nicht."

"Wir brauchen jede Lösung, die da ist, um das ambitionierte 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch zu erreichen", zieht Sterner als Fazit. 

Aktuelle Krise: Möglichkeiten, Gas zu speichern

Im weiteren Verlauf des Podcasts geht es um die aktuellen Möglichkeiten, Gas zu speichern. "Die großen Gasspeicher, die wir haben, sind die Untergrundspeicher", sagt Christian Doetsch, Institutsleiter am Fraunhofer UMSICHT (Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik) und Inhaber des Lehrstuhls für "Cross Energy Systems" an der Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum. In Deutschland haben wir ungefähr eine Kapazität, mit denen man zwei bis maximal drei Wintermonate abdecken kann, führt Doetsch aus. Die Lage im aktuellen Winter ist zunächst beruhigend, denn in Europa sind die Gasbestände sehr hoch – trotz der Lage durch den Ukraine-Krieg."

"Wir bringen über das Gasnetz in Deutschland viermal so viel Energie in der Leistung als über das Stromnetz. Das heißt konkret, dass wir 8.000 Mal so viel Energie darin speichern wie in allen Pumpspeichern und Batterien, die wir haben", ergänzt Sterner. Aufgrund der Weltlage habe das Zusammenspiel zwischen Industrie und Politik schneller als üblich funktioniert, sodass die Gasspeicher voll seien. Michael Sterner gibt allerdings zu bedenken: "Ja, das war super, aber es handelt sich um die Auffüllung mit fossilem Erdgas. Vor allem aus Ländern, die wir nicht gerne als Partner haben." 

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