Die "Global Workforce of the Future"-Studie 2025 der Adecco Group liefert ein differenziertes Bild der zunehmenden KI-Nutzung in Unternehmen weltweit. Besonders in Deutschland ist die Technologie als produktiver Helfer angekommen – gleichzeitig bleibt der tatsächliche Produktivitätsgewinn oft hinter den Erwartungen zurück.
Wie nutzen Unternehmen KI wirklich?
Laut der Erhebung, für die 37.500 Beschäftigte aus 31 Ländern befragt wurden, nutzen deutsche Arbeitnehmer:innen KI bereits intensiv: 90 Prozent sehen in ihr einen echten Fähigkeitsverstärker. Tätigkeiten, die früher als unlösbar galten, werden durch KI nun realisierbar. Durchschnittlich sparen Beschäftigte in Deutschland rund 113 Minuten pro Tag ein – weltweit liegt der Schnitt bei zwei Stunden.
Doch: Wird diese Zeit wirklich sinnvoll genutzt? Laut Studie bleibt der Produktivitätsgewinn in vielen Unternehmen unsichtbar. Die Differenz zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Wirkung verweist auf eine strategische Leerstelle. Viele Unternehmen implementieren KI-Tools, ohne Prozesse, Rollenbilder oder Zielsysteme zu überdenken. Auch gesundheitliche Folgen durch veränderte Belastungen bleiben oft unbeachtet – wie sich etwa am Rekord-Krankenstand in Deutschland ablesen lässt.
Hinzu kommt: In vielen Fällen fehlen klare Prioritäten, wie die durch KI gewonnene Zeit tatsächlich eingesetzt werden soll. Statt Innovation oder strategischer Arbeit wird häufig der Verwaltungsaufwand weitergeführt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die digitale Transformation oft nur auf Tool-Ebene betrieben wird – ohne strukturelle Begleitung durch Führungskräfte und Personalentwicklung.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung?
Trotz hoher Zustimmung zur Technologie herrscht Unsicherheit:
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93 Prozent der deutschen Beschäftigten erwarten, dass KI neue Jobs schafft.
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44 Prozent sorgen sich um Datenschutz und Datensicherheit.
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Ein Drittel nutzt die gewonnene Zeit für die gleichen Aufgaben wie zuvor.
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41 Prozent sehen klaren Weiterbildungsbedarf im Umgang mit KI.
Ohne strategische Schulungsinitiativen und klare Rahmenbedingungen bleibt das Potenzial unausgeschöpft. Zudem herrscht häufig Unklarheit über die tatsächlichen Auswirkungen von KI auf individuelle Tätigkeiten. Unternehmen unterschätzen offenbar den Kommunikationsbedarf: Mitarbeitende benötigen konkrete Einblicke, wie KI ihre tägliche Arbeit verändert und welchen Mehrwert sie schaffen kann.
Eine besondere Rolle spielen dabei mittlere Führungsebenen. Sie sind oft Bindeglied zwischen strategischer Entscheidung und operativer Umsetzung – und genau hier fehlt es laut Studie häufig an Handlungsspielraum und Klarheit über Verantwortlichkeiten. Wer führt KI-Projekte? Wer entscheidet, wie und wo KI im Arbeitsalltag sinnvoll eingesetzt wird?
Wie werden Mitarbeitende zukunftsfit?
Der Anteil sogenannter "zukunftsfitten" Beschäftigten – also jener mit ausgeprägten digitalen Kompetenzen – wird sich laut Studie von elf Prozent (2024) auf 37 Prozent (2025) mehr als verdreifachen.
Damit das gelingt, braucht es mehr als Technik:
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Schulungen zur Förderung digitaler Kompetenzen
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Klare strategische Ziele und Kommunikation
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Sinnstiftende Aufgaben, die Bindung fördern
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Karriereperspektiven, die Entwicklung ermöglichen
Gerade in Zeiten rascher technologischer Entwicklung steigt der Wunsch nach Orientierung. Unternehmen, die in Weiterbildungsprogramme investieren, profitieren von höherer Loyalität und Innovationskraft. "KI ist mittlerweile fester Bestandteil des Arbeitsalltags und der Optimismus der Beschäftigten über ihr Potenzial wächst. Doch Technologie allein reicht nicht aus, um Wandel zu gestalten – der Mensch bleibt das Herzstück jeder Transformation", so Denis Machuel, CEO der Adecco Group.
Auch das Verständnis für den eigenen Beitrag im Unternehmen fördert zukunftsfittes Denken: Wer weiß, welchen Wert die eigene Tätigkeit im Gesamtkontext hat, entwickelt schneller Eigeninitiative und zeigt höhere Veränderungsbereitschaft – zwei Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche KI-Integration.
Welche Rolle spielt KI im Management?
"Im Moment messen wir Effizienz in Minuten statt in Wirkung", warnt Peter Blersch, Country President Adecco Group DACH. Die technologische Basis sei vorhanden – nun müssten Unternehmen Arbeitsmodelle, Leistungskennzahlen und Mitarbeiterentwicklung neu denken.
Besonders bei Entscheidungen zeigt sich Zurückhaltung:
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Manager:innen sind offener gegenüber KI-Agenten
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Beschäftigte bevorzugen menschliches Urteilsvermögen in Karrierefragen
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KI sollte als ergänzender Partner verstanden werden, nicht als Ersatz
Führungskräfte stehen vor der Aufgabe, Vertrauen in technologische Prozesse aufzubauen und ethische Leitlinien für den KI-Einsatz zu etablieren. Dies betrifft nicht nur operative Abläufe, sondern auch strategische Fragen: Wie kann KI dabei helfen, Ziele schneller zu erreichen? Welche Aufgaben lassen sich sinnvoll automatisieren – und welche erfordern weiterhin menschliches Fingerspitzengefühl?
Zudem braucht es transparente Kommunikation. Nur wenn Mitarbeitende verstehen, wie Entscheidungen im Zusammenspiel von Mensch und Maschine getroffen werden, kann Akzeptanz entstehen. Erfolgreiches KI-Management bedeutet also auch: Prozesse erklären, Verantwortlichkeiten definieren und Feedback-Schleifen etablieren.
Fazit: KI braucht menschliche Strategie
Führungskräfte müssen den Wandel aktiv gestalten. KI bietet große Chancen – aber nur, wenn sie strategisch eingebettet, sinnvoll eingesetzt und durch Weiterbildung begleitet wird. Der Mensch bleibt das zentrale Element jeder digitalen Transformation.
Wer die durch KI gewonnene Zeit nicht nutzt, verspielt Potenzial – und riskiert, dass Automatisierung zur bloßen Effizienzillusion verkommt. Nur wenn KI als Hebel für Wertschöpfung, Innovation und Mitarbeiterbindung begriffen wird, kann sie ihre Wirkung voll entfalten.
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