Anke Helle und Mateja Mögel im Interview
"Je stärker gerade KI Einzug erhält, desto relevanter wird Print"

| Dagmar Zimmermann 
| 23.09.2025

Anke Helle und Mateja Mögel leiten die freundin seit Jahren im Doppelspitzen-Modell – und entwickeln die Marke konsequent weiter. Im Interview mit LEADERSNET sprechen sie über die wachsende Bedeutung eigener Events, den Umgang mit KI und Social Media, Empowerment als Leitgedanke des aktuellen Sonderhefts und die Frage, wie es gelingt, neue Zielgruppen zu erreichen, ohne die Wurzeln der Marke zu verlieren.

LEADERSNET: In einer Welt voller Screens, KI und endlosem Scrollen: Ist Print wirklich tot – oder ist freundin das perfekte Gegenbeispiel?

Anke Helle: Wir glauben ganz und gar nicht, dass Print tot ist – im Gegenteil. Je stärker um Aufmerksamkeit gebuhlt wird und nicht zuletzt je stärker gerade KI Einzug erhält, desto relevanter wird Print. Aufmerksamkeit ist heute das höchste Gut. Unsere jüngste Studie zeigt: Die freundin wird im Schnitt 148 Minuten pro Ausgabe gelesen. 148 Minuten konzentrierte Beschäftigung – das schafft man auf dem Handy kaum.

Dieses bewusste Eintauchen gelingt fast nur mit einem Printmagazin: Kein Second Screen, keine Ablenkung, volle Fokussierung. Auch Werbung entfaltet hier eine ganz andere Wirkung. Im TV stolpere ich oft zufällig in Inhalte hinein, zu deren Zielgruppe ich zum Teil nicht mal gehören – und kann mich der Botschaft kaum entziehen. Im Print dagegen entscheide ich selbst, wohin ich schaue – ich setze mich bewusst damit auseinander.

Mateja Mögel: Aufmerksamkeit ist die entscheidende Währung: Wem schenken wir sie, wann und wie? Genau hier liegt die Stärke von Print. Heute überlegen sich Menschen viel bewusster als früher, wofür sie ihre Aufmerksamkeit einsetzen. Und wenn sie sie schenken, dann ganz bewusst – ein klarer Vorteil für Print.

LEADERSNET: Seit wenigen Tagen liegt Ihr aktuelles Magazin "freundin Job & Finanzen" am Markt – ein Sonderheft, das bereits zum vierten Mal erscheint. Wie entscheiden Sie, welche Inhalte die Aufmerksamkeit Ihrer Leserinnen wirklich verdienen?

Mateja Mögel: Es ist eine Mischung aus Bauchgefühl und Gespür für Bedürfnisse: Wir merken, welche Themen gerade wichtiger werden – und greifen sie auf. So sind das Coaching-Heft und inzwischen auch schon zum vierten Mal das Job-und Finanzen-Heft entstanden. Unsere Leserinnen sagen oft: "Es ist, als würdet ihr mir in den Kopf schauen." Genau das ist unser Anspruch: Inhalte zu schaffen, die bewegen – die unterhalten, berühren und klüger machen. Dieses intuitive Gespür kann keine KI ersetzen.

LEADERSNET: Parallel zum Launch des neuen Heftes haben Sie ein Event mit Judith Williams veranstaltet. Auch darüber hinaus bekommt die Marke freundin immer mehr Sichtbarkeit außerhalb von Print. Wie wichtig sind eigene Formate und Events für Sie?

Mateja Mögel: Sehr wichtig. Wir testen gerade neue Formate. Unser Launch-Event zum Heft mit Judith war großartig – davon wollen wir mehr. Sehr erfolgreich ist auch der freundin-Brunch, der sich parallel zum Magazin entwickelt hat. Wir hosten Events für Marken und laden gezielt reichweitenstarke Persönlichkeiten ein. Unsere Events sind im Grunde dasselbe Storytelling, nur in einem anderen Rahmen: Panels mit uns, Expertinnen und Experten und Kunden – mal gebucht, mal eigens initiiert.

Die Themen sind so vielfältig wie unsere Leserinnen: Von Gebärmutterhalskrebsimpfung bis Sextoys, von Brot über Schuhe bis Fashion. Marken inszenieren erklärungsbedürftige Produkte, nutzen unsere Reichweite und gewinnen Sichtbarkeit. Und auch Influencer:innen kommen gerne – nicht zuletzt, weil sie es schätzen, am Ende auch im Print stattzufinden.

LEADERSNET: Wollen Sie die Events weiter skalieren?

Mateja Mögel: Ja, absolut! Am liebsten würden wir ganze Stadien mit unseren Themen füllen. (lacht) Wir sehen, wie gut die Formate ankommen – und da gibt es noch viel Potenzial.

LEADERSNET: Sie haben gerade über neue Formate und Events gesprochen, die der Marke zusätzliche Sichtbarkeit geben. Gleichzeitig steht freundin seit Jahrzehnten für eine klare Identität. Wie gelingt es Ihnen, diese Tradition zu bewahren und dabei neue Zielgruppen zu erreichen?

Anke Helle: Events und neue Formate helfen uns natürlich, die Marke sichtbarer zu machen. Aber im Kern knüpfen wir an unsere Wurzeln an: Die freundin gibt es seit 1948 – gegründet in einer Zeit, in der Frauen auf sich allein gestellt waren und dieses Land wieder aufbauten. Damals brauchten sie eine Freundin. Die erste Ausgabe war voller Geschichten, voller Rat, Tat und Inspiration – genau das, was Frauen damals suchten.

Heute knüpfen wir daran an. Wir haben unsere Kernkompetenz geschärft: Was muss eine Freundin heute leisten? Sie begleitet, gibt Orientierung, inspiriert – warmherzig, offen und nahbar. Wir haben nichts neu erfunden, wir sind nur zurückgekehrt zu unserem Ursprung, zu unserem Warum. Der Name ist und bleibt unser größtes Geschenk.

Mateja Mögel: Wir haben unsere Markenkompetenz geschärft und weiterentwickelt – im selben Tempo, in dem sich Frauen verändern. Heute positionieren wir uns über LinkedIn auch als Stimme für Führungskräfte. Frauen werden sichtbarer, und wir begleiten sie mit Themen, die weit über Mode, Beauty und Kochen hinausgehen: Psychologie, Gesellschaft, Gesundheit, Finanzen. So öffnen wir uns neuen Zielgruppen und wachsen mit ihnen.

LEADERSNET: Damit sind wir auch bei den Inhalten: Die freundin deckt heute eine enorme Bandbreite an Themen ab – von Job und Finanzen bis Psychologie und Gesellschaft. Wie wichtig ist es dabei, Frauen wirklich an der Basis abzuholen?

Mateja Mögel: Frauen sind oft generalistischer unterwegs – und das ist keineswegs ein Nachteil. Sie mussten schon immer viele Dinge gleichzeitig meistern. Genau das spiegelt sich in unserem Ansatz wider: Wir holen sie thematisch breit ab, und das ist unsere Stärke. Wir bedienen alle Bereiche, die für Frauen relevant sind – von Karriere und Geld über Psychologie bis hin zu Gesundheit und Lifestyle.

Anke Helle: Uns ist wichtig, Inhalte so zu vermitteln, dass sie wirklich ankommen. Eine Missy-Leserin muss man Gleichberechtigung nicht mehr erklären. Bei unserer Leserin ist aber an vielen Stellen großer Wissensdurst – gerade weil wir die Masse erreichen. Sie erwarten, dass wir Themen im richtigen Kontext einbetten. Genau deshalb werden unsere Inhalte angenommen: Wir holen Frauen dort ab, wo sie stehen, und geben ihnen Orientierung.

LEADERSNET: Wie sehr sind Sie heute noch Journalistinnen – und wie sehr schon Projektmanagerinnen?

Anke Helle: Unser Job hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und erweitert. Ich führe Interviews und Themenkonferenzen, moderiere Veranstaltungen, gebe Feedback an Kolleginnen und treffe Anzeigenkunden. Bin ich noch reine Journalistin? Im Herzen: Immer. Denn wir arbeiten journalistisch – wir stellen Fragen, suchen Geschichten und prüfen, was wirklich relevant ist.

Mateja Mögel: Weil wir so viele unterschiedliche Themen bespielen, schauen wir heute ganz anders auf die Welt. Kochen, Reisen, Mode – wir nehmen vieles intensiver wahr, formulieren oft schon im Kopf und sind insgesamt achtsamer. Gleichzeitig macht das eigentliche "Heftmachen" heute oft nur noch einen Teil unserer Arbeit aus – vieles passiert drumherum. Und trotzdem schreiben wir noch. Oft sogar am Wochenende, weil uns manche Themen einfach nicht loslassen. Wir wollen sie dann selbst machen. Genau das ist unser Privileg.

LEADERSNET: Wie steht es um den journalistischen Nachwuchs bei Hubert Burda Media?

Anke Helle: Ich bin Teil der Auswahljury für unsere Journalistenschule – und wir spüren gerade einen echten Aufwind. Dieses Jahr hatten wir so viele Bewerbungen wie schon lange nicht mehr. An einem einzigen Tag haben wir 52 Kandidatinnen und Kandidaten gesehen, von morgens um acht bis abends um fünf, im 45-Minuten-Takt. Am Tag davor standen ein Wissenstest und das Schreiben einer Reportage auf dem Programm.

Das zeigt deutlich: Der Beruf gewinnt wieder an Attraktivität. Vor fünf, sechs Jahren war das noch deutlich schwieriger. Unsere eigenen Volontärinnen sind hoch engagiert, arbeiten mit Leidenschaft und brennen für ihren Job. Dieses ganze Gen-Z-Bashing können wir überhaupt nicht unterschreiben – im Gegenteil, wir können viel von ihnen lernen. Sie haben eine unglaubliche Kamerapräsenz und Natürlichkeit. Sie sind deutlich selbstbewusster, als wir es damals waren – wir mussten uns das erst mühsam erarbeiten.

Außerdem bringen sie heute automatisch ein größeres Rundum-Paket mit: Nicht nur journalistische Kompetenz, sondern auch einen souveränen Auftritt. Für sie ist es selbstverständlich, sich vor der Kamera zu zeigen – und genau das merkt man.

LEADERSNET: Ihr aktuelles Sonderheft freundin Job & Finanzen setzt bewusst auf Empowerment und Eigenverantwortung. Der Titel lautet: "Du hast die Kraft in dir". Wie spiegelt sich dieser Gedanke im Heft wider – und was möchten Sie Ihren Leserinnen vermitteln?

Anke Helle: Unser Fokus liegt auf Lebensnähe und Praxistauglichkeit. Wir wollen Job- und Finanzthemen so erklären, dass man sie wirklich versteht – und direkt umsetzen kann. Von Kommunikationstipps über Resilienzstrategien bis hin zu einem starken Text über Eheverträge und warum es dafür nie zu spät ist: Uns ist wichtig, Emotion und Praxis zu verbinden. Also nicht nur: Was bedeutet das? – sondern auch: Wie spreche ich darüber? und Was muss ich konkret tun?

Mateja Mögel: Der rote Faden des Hefts ist Bestärkung – und genau das spiegelt auch unsere Titelzeile wider: ‚Du hast die Kraft in dir.‘ Es geht darum, Hürden Schritt für Schritt zu nehmen: Du schaffst es, einen Ehevertrag einzufordern. Du schaffst es, zu delegieren, statt alles selbst zu machen. Du schaffst es, mit 30, 40 oder 60 ins Investieren einzusteigen.

LEADERSNET: Empowerment und Eigenverantwortung ziehen sich nicht nur durch Ihre Hefte, sondern auch durch Ihre eigene Arbeit. Wie funktioniert Führung in der Doppelspitze bei Ihnen im Alltag?

Mateja Mögel: Wir arbeiten mit einer gemeinsamen Mailadresse und sind im ständigen Austausch. Wenn wir einmal unterschiedlicher Meinung sind, reden wir kurz, entscheiden gemeinsam und folgen dann dem Gefühl, wem das Thema wichtiger ist. Eitelkeit? Null. Am Ende zählt immer das beste Ergebnis.

Anke Helle: Genau dadurch sind wir schneller und vermeiden Fehler, weil wir sofort zwei Perspektiven haben. Führung bedeutet für uns vor allem Wertschätzung, Vertrauen und Flexibilität. Wir haben Homeoffice schon vor Corona eingeführt. Nach einer wirklich harten Phase war unsere größte Leistung, das Team mitzunehmen und neues Vertrauen aufzubauen.

LEADERSNET: Ihr Führungsstil ist stark auf Teamgeist, Vertrauen und Flexibilität ausgerichtet. Diese Haltung spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider: Ihre Auflage ist seit Jahren erstaunlich stabil. Wie gelingt das in einem so herausfordernden Markt?

Anke Helle: Unsere Auflage ist in den letzten Jahren tatsächlich bemerkenswert stabil. Wir hatten Phasen mit acht Quartalen Auflagenplus – und auch 2024 konnten wir in mehreren Quartalen wachsen, trotz Corona, Krieg und Inflation. Dass wir alle 14 Tage erscheinen können, verdanken wir diesem großartigen Team: Kolleginnen, die seit 25 Jahren dabei sind und trotzdem voller Begeisterung arbeiten, und jungen Kolleginnen, die immer wieder neue Perspektiven und frische Themen einbringen.

Je mehr KI (damit meine ich v.a. Texte und Bilder), Algorithmen .... umso wichtiger, davon unbeeinflusste Redaktionen, Journalisten....., Einschränkung von social media für Jugendliche, denn es macht etwas mit uns als Gesellschaft.

Klug den Algorithmus brechen, immer wieder bewusst ausbrechen aus der bubble, und sich durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen Sichtweisen und verschiedensten Medien eine möglichst objektive Sichtweise bewahren. .... Falls das überhaupt möglich ist.
Je mehr KI (damit meine ich v.a. Texte und Bilder), Algorithmen .... umso wichtiger, davon unbeeinflusste Redaktionen, Journalisten....., Einschränkung von social media für Jugendliche, denn es macht etwas mit uns als Gesellschaft.

Klug den Algorithmus brechen, immer wieder bewusst ausbrechen aus der bubble, und sich durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen Sichtweisen und verschiedensten Medien eine möglichst objektive Sichtweise bewahren. .... Falls das überhaupt möglich ist.

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